Digitale Buchführung Tax Compliance und Steuer-IKS: So agieren Sie auf Augenhöhe mit dem Finanzamt

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Betriebsprüfung, Digitale Belege, Digitalisierung und E-Rechnung

Handwerksunternehmer sollten ihre Buchhaltung digital aufstellen, um sich vor hohen Steuernachzahlungen zu schützen. Denn Betriebsprüfer bewerten es positiv, wenn alle Daten elektronisch verfügbar sind.

Marius Ganske, Geschäftsführer der Ganske Karosserie und Lack im mittelfränkischen Wörnitz.
Marius Ganske, Geschäftsführer der Ganske Karosserie und Lack im mittelfränkischen Wörnitz. - © Stephan Minx

Als Marius Ganske sich vor vier Jahren auf die Übernahme der Firma seines Vaters vorbereitete, musste er sich erst einmal um die Buchhaltung kümmern. „Eine Mitarbeiterin fiel aus. Mir blieb also nichts anderes übrig“, erinnert sich der Chef der Ganske Karosserie und Lack in Wörnitz. Sämtliche Buchungen liefen noch in Papierform. Der Betriebswirt des Handwerks ordnete daraufhin alle neuen Vorgänge in einen dicken Ordner ein, den der Steuerberater „dann irgendwann abholte“, erinnert er sich. Damit er die Belege auch im Betrieb vorliegen hatte, kopierte Ganske sie teilweise sogar vorher noch. „Das kostete viel Zeit und Geld. Also entschieden wir uns für die Digitalisierung“, so der Unternehmer.

Seit rund zwei Jahren ist Ganske nun Geschäftsführer des Betriebes mit vier Mitarbeitern. Den Prozess hat er weiter forciert. Inzwischen läuft die Buchhaltung längst elektronisch. Der Karosseriebauer kooperiert dabei mit dem Steuerberater. Er arbeitet mit dem Programm „Unternehmen online“ von der Datev. „Außerdem habe ich noch eine Branchensoftware etwa für die Abwicklung des Einkaufs“, sagt Ganske. Alle steuerrelevanten Daten lassen sich schnell und einfach exportieren und mit der Buchhaltung verknüpfen. Auch die Fakturierung läuft mehr oder weniger digital. „Wir versenden die allermeisten Rechnungen bereits elektronisch und bekommen sie auch in dieser Form von unseren Lieferanten“, so Ganske. Im nächsten Schritt will der Handwerkschef ein Dokumentenmanagementsystem einführen, um sich die Archivierung zu erleichtern. Er hat sich bereits bei verschiedenen Anbietern informiert und ist nun dabei, eine Auswahl zu treffen.

Digitale Verfahrensdokumentation

Bereits vor einiger Zeit erstellte Ganske eine Verfahrensdokumentation, die er ständig aktualisiert. Sie dient als Anleitung für die Finanzbeamten, mit welcher Hard- und Software in der Firma gearbeitet wird, wer welche Zugriffsrechte auf steuerlich relevante Dateien und Ordner hat und sie dokumentiert, auf welchem Stand sich die IT-Updates des Betriebs befinden. Damit ist Ganske schon deutlich weiter als andere Firmenchefs im Handwerk. Nach Expertenschätzungen haben sich erst weniger als ein Viertel der Unternehmer im Handwerk mit dem Thema Verfahrensdokumentation beschäftigt, obwohl diese in keinem Betrieb fehlen darf. Liegt keine vor, können die Betriebsprüfer und Betriebsprüferinnen unterstellen, die Buchführung sei nicht in Ordnung, und haben damit einen einfachen Einstieg, um Schätzungen vorzunehmen. Die Folge können hohe Steuernachzahlungen sein.

Formale Fehler vermeiden

Doch auch einfache formale Fehler können zu Nachzahlungen führen. „Zum Beispiel interessieren sich die Finanzbeamten derzeit sehr dafür, ob zum Beispiel Eingangsrechnungen in PDF nach den Grundsätzen zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen (GoBD)in elektronischer Form gespeichert sind“, sagt Stefan Weimann, Betriebsprüfungsexperte bei der Datev. Das impliziert, dass sie manipulationssicher und unveränderbar vorliegen. „Ein manipulationssicheres Archiv sollten alle Unternehmen führen“, so Weimann.

Er erinnert daran, dass jeder Firmenchef selbst dafür verantwortlich ist, die steuerrelevanten Daten über einen Zeitraum von zehn Jahren zu archivieren. Selbst wenn der Steuerberater die Unterlagen abgespeichert oder in Papierform vorliegen hat, kann sich der Handwerksmeister nicht gelassen zurücklehnen. „Die Verantwortung lässt sich nicht delegieren. Das wissen viele Unternehmer nur nicht“, warnt Weimann.
So seien die Finanzbeamten jederzeit befugt, sämtliche steuerlich relevanten Belege bei Betriebsprüfungen einzufordern. Sogar einen Säumniszuschlag könnten sie berechnen, falls der Unternehmer die Dokumente nicht innerhalb einer kurzen Frist beibringt. „Das führt dann bei Betriebsprüfungen häufiger zu großem Stress“, meint Weimann.

IKS minimiert Risiken

Noch besser ist ein professionelles Tax-Compliance-System im Betrieb. Dies gewährleistet, dass die Vorschriften des Finanzamts tatsächlich strikt eingehalten werden. Denn ein innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS), das die steuerliche Organisation optimiert, kontrolliert, dokumentiert und kontinuierlich verbessert, strukturiert Abläufe im Unternehmen. Das minimiert steuerliche Risiken.

Zum Jahresanfang wurde sogar ein neuer Paragraf 38 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) eingeführt. Dieser sieht vor, dass die jeweilige Finanz­behörde in Kooperation mit dem Bundeszentralamt für Steuern dem Unternehmer für eine nachfolgende Betriebsprüfung Erleichterungen hinsichtlich Art und Umfang der Ermittlungen verbindlich zusagen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung die Wirksamkeit eines im Unternehmen eingesetzten Tax-Com­pliance-Managementsystems bestätigt wurde und somit kein oder nur ein zu vernachlässigendes steuerliches Risiko vorliegt. Die alternative Prüfungs­methode wird zunächst im Rahmen der Bundesbetriebsprüfung erprobt.

Für die allermeisten Handwerks­betriebe wird die Teilnahme nicht infrage kommen – weil sie kein solches zertifiziertes IKS haben. Dabei hat die Bundessteuerberaterkammer in Kooperation mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) bereits 2019 eine Art Handbuch zum Thema „Tax Compliance für Handwerksbetriebe“ herausgegeben – eine Anleitung für die Installation eines IKS. Hintergrund: „Handwerksbetriebe, in welcher Rechtsform auch immer, unterliegen wie Konzerne dem Risiko steuerdeklaratorischer Fehler“, warnt Professor Dr. Thomas Egner, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Steuer-IKS: Das beachten Chefs bei der Einführung

Ein internes Tax-Kontrollsystem stellt sicher, dass steuerliche Pflichten eingehalten werden. Handwerkschefs scheuen häufig den Aufwand. Doch die Mühe kann sich lohnen, da der Unternehmer den Prüfern damit signalisiert, gesetzeskonform zu agieren.

Vorteile des IKS:

Bei steuerlichen Fehlern leiten die Beamten häufiger als früher ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein – so die Erfahrung von Experten. Das Risiko wird jeder Unternehmer vermeiden wollen. Ein entsprechendes Kontrollsystem beugt vor. Vor allem: Unternehmer, die ein IKS haben, zeigen dem Finanzamt, dass sie die steuerlichen Regeln einhalten wollen – dass sie es ernst meinen. Die Betriebsprüfer gehen dann erst einmal nicht davon aus, dass Fehler vorsätzlich passiert sind und der Unternehmer Steuern hinterziehen wollte.

Vorgehensweise:

Das System muss auf den Betrieb individuell zugeschnitten sein. Bei kleineren Betrieben ist mit Checklisten, Arbeitsanweisungen für die Mitarbeiter oder der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips schon einiges erreicht. Die Einführung ist aber ein Prozess. Die routinierten Arbeitsabläufe im Unternehmen sind zu dokumentieren und Verantwortliche zu benennen. Wichtig: Das IKS ist stets zu aktualisieren, wenn sich etwas ändert. Tipp: Die Bundessteuerberaterkammer hat eine Anleitung „Tax Compliance für Handwerksbetriebe“ erstellt, was bei der Installation zu beachten ist, die als PDF zum Download bereit steht. Natürlich unterstützt auch der Steuerberater.

Chefsache:

Compliance ist Chefsache. Diese Aufgabe lässt sich nicht delegieren. Wichtig ist es, die Mitarbeiter mit ins Boot zu holen. Das bedeutet: Der Unternehmer sollte das Ziel erklären und erläutern, dass es ihm nicht darum geht, die Mitarbeiter zu kontrollieren. Er sollte regelmäßig prüfen, ob die eingeführten Maßnahmen auch eingehalten werden. Bei Verstößen sind Maßnahmen zur Verbesserung einzuführen.

Klassische Prüfschwerpunkte

Egner beobachtet, dass die wenigsten Handwerkschefs Interesse an einem Tax Compliance System haben, weil sie darin „keinen unmittelbaren Nutzen sehen und zum anderen darauf verweisen, dass man bereits einen Steuerberater bezahle.“ Er rät allerdings dazu, darüber nachzudenken. Betriebsprüfungen und das Risiko von Steuernachforderungen könnten existenzbedrohend sein, wenn sich wiederholende Sachverhalte steuerlich falsch beurteilt wurden. „Zudem sind steuerliche Fragen, die sich einem Betriebsinhaber stellen, durchaus nicht trivial“, so Egner. Er verweist zum Beispiel auf die private Nutzung von Firmenfahrzeugen oder auf die Beschäftigung von nahen Angehörigen. Bei beidem handele es sich um klassische Schwerpunkte von Betriebsprüfungen. Verträge mit Familienmitgliedern müssen wie unter fremden Dritten formuliert sein. Insbesondere muss das Gehalt eine angemessene Höhe erreichen. Der Lohn sollte regelmäßig auf ein eigenes Konto des Mitarbeiters fließen.

Akribie ist ebenso bei der Abrechnung des Geschäftswagens gefragt. Die Beamten prüfen zum Beispiel, ob das Fahrtenbuch ordnungsgemäß geführt und ob die Kilometerangaben bei Geschäftsreisen korrekt aufgeführt wurden. Hier kommt die Technik ins Spiel. Unternehmer tun gut daran, bei GPS-basierten Fahrtenbüchern die Strecken mit dem Kilometerstand abzugleichen. Abweichungen entstehen häufig aufgrund der Profilstärken der Reifen.

Digitalisierung macht Betriebsprüfer schneller

Prüfen sollten Handwerker auch, ob die in der Buchhaltung gespeicherten Daten zum Einsatz von Maschinen mit jenen der Stundenzähler an den Geräten übereinstimmen. „Die Betriebsprüfer finden solche Abweichungen und fordern eine Erklärung“, so Weimann. Entweder muss eine Rechnung vorliegen, falls die Maschine zeitweise vermietet war, oder das Finanzamt geht davon aus, dass der Unternehmer sie zu eigenen Zwecken genutzt hat. „Deshalb ist es wichtig, dass die Zeiten nachvollziehbar und manipulationssicher gespeichert beziehungsweise auslesbar sind. Und zwar so, dass sich der Einsatz nachvollziehen lässt“, sagt Weimann.

Ohnehin sind die Beamten aufgrund der Digitalisierung viel eher als früher in der Lage, Vorsystemdaten einzubeziehen und daraus Rückschlüsse auf die Arbeitsprozesse im Betrieb zu ziehen. Falls etwa Angebote und Rechnungen auf Basis des gleichen Programms erstellt werden, lassen sich Abweichungen zwischen Angebot und Abrechnung sofort erkennen. Auch arbeitet das Finanzamt inzwischen mit der Anwendung „Power Business Intelligence“. „Das hat für Prüfer den Vorteil, dass sie sich nicht mehr durch eine Vielzahl von Zahlen wühlen müssen. Diese lassen sich mit der Software anschaulich visualisieren, womit Ausreißer oder Lücken schnell erfassbar sind“, so Weimann. Schlussfolgerung: Die Digitalisierung ermöglicht Transparenz und schnellen Zugriff auch für Betriebsprüfer.

Betriebsprüfung: Chefs profitieren von der Testphase

Seit Jahresanfang können Unternehmen mit einem Steuerkontrollsystem von Erleichterungen bei der Betriebsprüfung profitieren. Allerdings handelt es sich noch um eine Testphase. handwerk magazin hat beim Bundeszentralamt für Steuern nachgefragt.

  1. Was sind die Voraussetzungen?
    Der Unternehmer braucht ein Steuerkon­trollsystem. Dieses muss in einer Außenprüfung (§§ 193 bis 202 AO) hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte überprüft worden sein. Zum anderen darf kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko bestehen. Das Steuerkontrollsystem muss die steuerlichen Risiken laufend abbilden. Eine verbindliche Zusage von Erleichterungen erfolgt nur unter der Bedingung, dass keine Änderung der Verhältnisse eintritt.
  2. Für welche Betriebsgrößen kann das interessant sein?
    Grundsätzlich kann eine Zusage von Prüfungserleichterungen nach Art. 97 Paragraf 38 EGAO für Betriebe sämtlicher Größenklassen interessant sein. Ein Steuerkontrollsystem dient vorrangig dazu, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen – indem steuerliche Risiken reduziert und Rechtsverstöße vermieden werden. Aber die Einführung und die laufende Überwachung eines Steuerkontrollsystems lösen finanziellen und personellen Aufwand aus. Demnach hat der einzelne Betrieb abzuwägen, ob der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen, unter anderem den angestrebten Prüfungs­erleichterungen für eine Außenprüfung, steht, so das Bundeszentralamt für Steuern.
  3. Wie sieht die Testphase bisher aus?
    Nach Kenntnis des Bundeszentralamts für Steuern starteten einige Landesfinanzbehörden bereits Pilotprojekte. Die Bundesbetriebs­prüfung beobachtet, dass Steuerpflichtige, die bereits ein Steuerkontrollsystem eingerichtet haben, Interesse zeigen, „und bereitet sich auf diese Entwicklung vor“, so das Bundeszentralamt. Die Evaluierungsphase läuft bis zum 30. April 2029.