Interview mit Alex Janzen, Fachanwalt für Steuerrecht: Betriebsprüfung: Mit Anwalt und Steuerberater über alle Hindernisse

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Betriebsprüfung und Rechts- und Steuerberatung

Wenn eine Betriebsprüfung bevorsteht, sind Handwerker oft in der Defensive. Sie haben zwar alle Unterlagen vorbereitet, ahnen aber nichts von rechtlichen Fallstricken. Wann Sie neben dem Steuerberater auch einen Fachanwalt für Steuerrecht hinzuziehen sollten, erklärt im Interview Alex Janzen, Fachanwalt für Steuerrecht.

Dr. Alex Janzen, Fachanwalt für Steuerrecht
Alex Janzen ist Fachanwalt für Steuerrecht und kennt die Fehler, die Handwerkerchefs im Fall einer Betriebsprüfung vermeiden können. - © privat
Wann ist es unbedingt sinnvoll, sich zur Betriebsprüfung einen Rechtsbeistand ins Boot zu holen?

Grundsätzlich sollten Handwerker bei jeder Betriebsprüfung neben dem Steuerberater auch einenerfahrenen Rechtsanwalt hinzuziehen, nach Möglichkeit einen Fachanwalt für Steuerrecht. Denn nahezu jede Betriebsprüfung kann einen Verlauf nehmen, der ein juristisches Eingreifen erfordert. Eine Betriebsprüfung ist häufig - bildlich gesprochen - ein „Lauf mit (rechtlichen) Hindernissen“.

Reicht ein Steuerberater als Beistand nicht aus? Könnte man den Anwalt auch kurzfristig anrufen?

Steuerberater sind in der Regel Absolventen wirtschaftswissenschaftlicher Fakultäten und keine Juristen. Daher empfehle ich vor allem in verfahrensrechtlich schwierigen Konstellationen, die Betriebsprüfung zusätzlich durch einen im Steuerrecht erfahrenen Anwalt begleiten zu lassen. Das geht im Notfall auch relativ spontan.

Welche „blauen Wunder“ erleben Betriebsinhaber in der Praxis?

Schwierig kann bereits die Person des Betriebsprüfers sein. Etwa wenn der Handwerkerchef seinen ehemaligen Angestellten erkennt, den er vor Jahren fristlos entlassen hat und mit dem er anschließend eine Reihe von Gerichtsverfahren geführt hat. Oder er sieht sich dem aktuellen Ehemann seiner Ex-Frau gegenüber oder dem branchenbekannten Prüfer, der schon häufig Daten von geprüften Betrieben unberechtigt an Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet hat. In diesen und ähnlichen Fälllen sollte der Handwerker den Betriebsprüfer sofort ablehnen.

Wie genau würde das in der Praxis laufen?

Die Ablehnung des Betriebsprüfers kann nicht mit einem Einspruch erfolgen. Ein Einspruch wäre unzulässig, da es sich bei der Bennung des Prüfers durch die Finanzverwaltung nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Der Unternehmer, sein Steuerberater oder Anwalt müssten deshalb zu nicht förmlichen Rechtsbehelfen greifen. Je nach konkretem Sachverhalt wären die Gegendarstellung, die Fachaufsichts- und/oder Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben, die juristisch präzise begründet werden sollten. Genau an dieser Stelle ist der Anwalt im Vorteil: Er hält ad hoc die adäquate Verfahrensweise bereit und beherrscht die verfahrensrechtliche Klaviatur aus dem ff. Wechselt etwa die Finanzverwaltung den Prüfer trotz des nicht förmlichen Rechtsbehelfs nicht aus, müssten der Chef und sein Steuerberater den Eilrechtschutz vor dem Finanzgericht suchen, um ihr Ziel doch noch zu erreichen. Dieses Verfahren ist allerdings juristisch komplex. Deshalb empfiehlt es sich an dieser Stelle, mit einem Anwalt zu arbeiten.

Worauf muss der Unternehmer noch vorbereitet sein und wie kann er sich wehren?

Hellhörig werden sollten Firmenchefs, wenn der Prüfer etwa die Räumlichkeiten mit seinem Smartphone fotografiert, angeblich zu Beweiszwecken. Ganz zufällig nimmt er auch den Inhaber und eventuell sogar seine Mitarbeiter mit aufs Foto. Ein anwesender Anwalt würde das Fotografieren sofort unterbinden, da es das Persönlichkeitsrecht des Betriebsinhabers und seiner Mitarbeiter verletzt. Hier hat ein Anwalt verschiedene Optionen, gegen das Fotografieren juristisch vorzugehen. 

Darf der Prüfer betriebliche Dokumente einsehen?

Sobald der Prüfer ungefragt in Ordner mit der betrieblichen Dokumentation greift und darin blättert, nimmt er eine rechtswidrige Durchsuchung vor, die einem „normalen“ Betriebsprüfer außerhalb der Steuerfahndung und des Strafverfahrens nicht gestattet ist. Setzt der Prüfer sein Verhalten trotz Beanstandung fort, sollte der Betriebsinhaber einen Anwalt einschalten. Dieser prüft, ob im konkreten Fall zur Vermeidung von Rechtsnachteilen das Finanzgericht um (Eil)-Rechtsschutz ersucht werden soll oder ob andere Maßnahmen angemessen sind.

Was ist zu tun, wenn der Prüfer die Privatwohnung ins Visier nimmt?

Das darf er nicht, auch die Ausdehnung der Prüfung auf das Kfz ist vom Gesetz nicht gedeckt, sofern es sich nicht um strafrechtliche Ermittlungen handelt. An dieser Stelle legt der Rechtsbeistand sofort Einspruch ein und stellt einen Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung. Das kann natürlich auch ein Steuerberater, der Anwalt kennt jedoch juristische Feinheiten, die vor allem dann notwendig werden, wenn das Finanzgericht eingeschaltet werden muss.

Was ist zu beachten, wenn der Prüfer nicht allein, sondern mit einer „Mannschaft“ erscheint?

Wenn der Prüfer erklärt, die „Team“-Mitglieder hätten das Recht, die Prüfung zu begleiten, müsste der Anwalt klären, auf welcher Rechtsgrundlage die „Team“-Mitglieder ihr angebliches Anwesenheits- oder Teilnahmerecht stützen. Bedienstete von Gemeinden, Prüfer des Bundeszentralamts für Steuern etc. haben unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf die Prüfungsteilnahme. Ob dieses Recht im konkreten Fall tatsächlich besteht, kann ein Laie kaum beurteilen .

Was raten Sie Handwerkern, wenn dem Prüfer angeblich Ungereimtheiten auffallen?

Gibt der Prüfer vor, unversteuerte Betriebseinnahmen entdeckt zu haben, und steht die Eröffnung eines Strafverfahrens im Raum, sollten sich Betroffene jeder weiteren Mitwirkung an der Betriebsprüfung enthalten, bis der Anwalt eintrifft.

An welcher Stelle wird es für den Handwerker Ihrer Erfahrung nach am ehesten schwierig? Wo passieren ihm die häufigsten Fehler, die mit Rechtsbeistand kein Thema wären?

Oft erhalten zu prüfende Betriebe von der Finanzverwaltung wiederholt Steuerbescheide, die mit dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung, AO) versehen sind. Der Steuerpflichtige schenkt dem Vorbehalt der Nachprüfung in der Regel keine Beachtung. Dabei kann der Vermerk darauf hinweisen, dass die Finanzverwaltung tatsächlich eine Betriebsprüfung plant. Hätten der Handwerker, sein Steuerberater oder sein Rechtsbeistand dies im Vorfeld erkannt, hätten sie die Zeit bis zur Betriebsprüfung für die Vorbereitung nutzen können.

Kann der Anwalt die Prüfung eventuell sogar im Vorfeld abwenden?

Es wird nicht gelingen, die Prüfung gänzlich abzuwenden. Wenn die Prüfungsanordnung jedoch Fehler enthält, kann ein steuerlich versierter Anwalt diese mit einem Einspruch und dem Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung angreifen. Wenn der Antrag und Einspruch Erfolg hat, muss die Finanzverwaltung eine neue, diesmal fehlerfreie Prüfungsanordnung erlassen. Dadurch kann sich der Handwerksbetrieb auf die Prüfung vorbereiten und zum Beispiel seine Buchhaltung auf Vordermann bringen. Unterbleibt der Einspruch, kann die Prüfungsanordnung einen Monat nach der Bekanntgabe nicht mehr angegriffen werden und ist als solche eine taugliche Grundlage für die Betriebsprüfung – selbst wenn sie mit massiven Fehlern (abseits der sogenannten Nichtigkeit nach § 125 AO) behaftet ist. Rechtsnachteile, die der Steuerpflichtige aufgrund dieser Prüfungsanordnung erleidet, können dann in der Regel nicht mehr korrigiert werden.

Können Sie weitere Beispiele nennen, wann neben dem Steuerberater ein Fachanwalt für Steuerrecht als Beistand sinnvoll ist?

Stellen Sie sich vor, der Finanzbeamte spricht während der Betriebsprüfung Mitarbeiter an, damit sie ihm von angeblichen Missständen im Betrieb berichten. Der Betriebsinhaber und sein Steuerberater fordern den Prüfer erfolglos auf, solche Anfragen zu unterlassen. Den Prüfer lässt das aber kalt. Einen Einspruch gegen das ungebührliche Verhalten des Prüfers weist das Finanzamt zu Recht als unzulässig ab. Wenn dann keine weiteren Schritte gegen das Verhalten des Prüfers erfolgen, könnte der Prüfer dem Betriebsinhaber womöglich unter Berufung auf die Hinweise von Betriebsangehörigen nicht versteuerte Einnahmen unterstellen. Gegen den Betriebsinhaber wird das Steuerstrafverfahren eröffnet, die Finanzbehörde beschlagnahmt sämtliche relevante Betriebsunterlagen und erlässt einen Schätzungsbescheid mit einer Steuernachzahlung in 6-stelliger Höhe.

Welche Mittel ergreift der Fachanwalt in so einem Fall?

Der würde dem Unternehmer raten, gegen das Verhalten des Prüfers umgehend eine Unterlassungsklage vor dem Finanzgericht zu erheben und/oder eine einstweilige Anordnung zu beantragen.

Welche Fälle kennen Sie noch aus Ihrer Praxis?

Der Prüfer verwirft die Buchführung des Steuerpflichtigen, da sie angeblich mit schwerwiegenden Fehlern behaftet sei. Er beruft sich dabei auf seine Nachkalkulation sowie auf das sogenannte „Benford-Gesetz“ und auf den „Chi-Quadrat“-Test. Diese würden eindeutig belegen - so der Prüfer - dass die Buchführung des Steuerpflichtigen „frisiert“ worden sei. Die Gegenkalkulation des Steuerberaters vermag die vom Betriebsprüfer gewonnenen Ergebnisse nicht zu erschüttern. Finanzamt und Finanzgericht kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass die gewonnenen Ergebnisse vertretbar seien.

Und was macht in so einer kniffeligen Situation der Fachanwalt?

Ein Fachanwalt für Steuerrecht prüft gemeinsam mit dem Steuerberater, ob die Buchführung des Steuerpflichtigen überhaupt signifikante Daten für das „Benford-Gesetz“ und den „Chi-Quadrat“-Test liefern konnte. Ferner hätte der Anwalt darauf gedrungen, dass die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen die gesamten Kalkulationsgrundlagen zur Verfügung stellt. Diese hätten möglicherweise Mängel bzw. Unzulänglichkeiten der Nachkalkulation offenbart. An dieser Stelle greift erneut das Wissen des Anwalts um die juristisch präzise Verfahrensweise. 

Wann lohnt sich die Selbstanzeige? Geht das auch noch, wenn die Betriebsprüfung bereits angekündigt oder der Prüfer im Haus ist?

Eine Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, sobald die Betriebsprüfung angekündigt wurde oder der Prüfer bereits vor der Tür steht. Zahlreiche weitere Gründe, die eine Selbstanzeige ausschließen, sieht das Gesetz unter § 371 AO vor. Wer unabhängig von einer Prüfung ein mulmiges Gefühl hat, sollte sich rechtlich beraten lassen. Die richtig und rechtzeitig erstattete Selbstanzeige führt ja nun dazu, dass die Steuerhinterziehung straffrei bleibt. Von dieser Möglichkeit sollte der betroffene Handwerker-Unternehmer so früh wie möglich Gebrauch machen.

Herr Dr. Janzen, vielen Dank für das Gespräch!
Der Experte

Dr. jur. Alex Janzen ist Fachanwalt für Steuerrecht sowie Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht mit eigener Rechtsanwaltskanzlei in Düsseldorf. Er ist seit Jahren auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig. Er engagiert sich im Steuerstrafrecht sowie im Bank- und Kapitalmarktrecht. Weitere Informationen auf der Webseite www.betriebspruefung-info.de