Steuerehrlichkeit Steuernachzahlungen: Tax Compliance oder Steuer-IKS helfen

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Betriebsprüfung, Digitale Belege und Steuerstrategien

Mit der Digitalisierung steigen die fiskalischen Anforderungen an Handwerksbetriebe. Die Folge: Chefs tragen ein hohes Risiko für Steuernachzahlungen. Wie Tax Compliance oder Steuer-IKS Abhilfe schaffen.

Kai Kegelmann, Juniorchef der Firma Kegelmann Technik GmbH im hessischen Rodgau-Jügesheim.
Kai Kegelmann, Juniorchef der Firma Kegelmann Technik GmbH im hessischen Rodgau-Jügesheim. - © Tim Wegner

Die Firma Kegelmann Technik mit Sitz in Rodgau-Jügesheim und 120 Mitarbeitern arbeitet seit Jahren daran, ihre Arbeitsprozesse Schritt für Schritt zu digitalisieren. „Wir verbessern uns stetig und sind sicher schon sehr fortschrittlich“, sagt Juniorchef Kai Kegelmann. Die Kegelmann Technik GmbH fertigt seit mehreren Jahrzehnten Prototypen und Serien in Metall und Kunststoff, teilweise über 3D-Druck oder Spritzgusswerkzeuge. Schon zum Start der Firma wurde eine kaufmännische Software eingeführt und in mehreren Phasen durch ein vollumfängliches ERP-System ersetzt und ausgebaut. „Das liefert uns die Basis zur Digitalisierung unserer Prozesse“, erläutert Kegelmann.

Der Steuerberater als Motor

In den vergangenen fünf Jahren hat sich viel entwickelt. „Unser Steuerberater motiviert uns permanent, auch mit Blick auf die steuerlichen Pflichten“, erklärt der Jungunternehmer. Seit drei Jahren schon erhalten zum Beispiel die Mitarbeiter eine digitale Lohnabrechnung. Das bedeutet: Sie loggen sich ins Lohnportal ein und haben Zugang zu allen lohnrelevanten Abrechnungen. Auch in anderen Unternehmensbereichen wird digital gearbeitet – beispielsweise im Rechungsein- und -ausgang. Der Steuerberater hat direkten Zugriff. „Wir tragen keine Ordner mehr von A nach B“, betont Kegelmann. Vorteil: Es geht kein steuerlich relevantes Dokument verloren, jeder Arbeitsschritt ist nachvollziehbar.

Prozesse Digitalisieren

Ebenso läuft die gesamte Fakturierung längst elektronisch. Eingangs- und Ausgangsrechnungen werden im System verarbeitet. „Die Daten können wir per optischer Zeichenerkennung auslesen“, erklärt Kegelmann. In der Regel kommen die Rechnungen als PDF-Anhang in einer Mail im Unternehmen an. Anschließend werden sie am Bildschirm geprüft, zur Zahlung angewiesen und zum guten Schluss elektronisch archiviert. „Wir haben das Ziel, in wenigen Jahren nur noch mit Datensätzen zu arbeiten. Am Ende soll es also vom Lieferanten keine Rechnung mehr geben, wie wir sie heute kennen, sondern wir tauschen Datensätze mit den Geschäftspartnern aus“, so Kegelmann. Viele Arbeitsschritte der Buchhaltung laufen digital. „Wenige Belege tippen wir noch händisch ein“, räumt Kegelmann ein. Das spart Kosten und minimiert das Fehlerpotenzial – vor allem mit Blick auf die steuerlichen Vorgaben. „Wir nutzen die Digitalisierung für einen stetigen Verbesserungsprozess“, erklärt der Jungunternehmer.

Tax Compliance: Regeln einhalten

Die Firma hat somit die betrieblichen Strukturen geschaffen, um die steuerlichen Gesetze und Vorgaben korrekt einzuhalten. Das Stichwort lautet Tax Compliance. Der etwas sperrige Anglizismus steht für die Einhaltung von steuerlichen Regeln oder einfach: Steuerehrlichkeit. „Das Finanzamt bewertet es positiv, wenn ein Innerbetriebliches Kontrollsystem eingeführt wurde“, sagt Dennis Makselon, Steuerexperte der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg. Denn es hilft, Fehler und Risiken aufzudecken und zu vermeiden. „Die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen werden immer komplexer. Das gilt gerade für Handwerksbetriebe. Firmen, die ein Tax-Compliance-System einrichten, signalisieren dem Finanzamt oder den Betriebsprüfern, dass sie sich um eine ordnungsgemäße Geschäftsführung bemühen“, erläutert Professor Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer in Berlin.

Wie aber gehen Handwerksbetriebe bei der Einführung eines professionellen Systems vor? Das sogenannte Steuer-IKS (Abkürzung für Innerbetriebliches Kontrollsystem) stellt sicher, dass die Vorschriften des Finanzamts strikt eingehalten werden. Im Bereich der Lohnsteuer sind typischerweise Bewirtung, Fortbildungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen, Reisekosten, Pkw-Nutzung, Betriebsveranstaltungen, steuerfreie Extras oder Beschäftigung von Subunternehmern sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ein Angriffspunkt. Eine Risikoanalyse dient hier der Identifizierung der oft sehr individuellen betrieblichen Schwachstellen im Unternehmen. Bei der Umsatzsteuer etwa geht es darum, unzutreffend gebuchte, abgerechnete oder erklärte Umsatzsteuer zu vermeiden (insbesondere Umsätze nach §13b UStG). Denn dies führt zu Steuernachzahlungen. Beispielsweise müssen Zahlungen zeitlich richtig abgegrenzt und die Umsatzsteuervorauszahlungen richtig deklariert sein. Bemessungsgrundlagen und Steuersatz sollten korrekt ermittelt worden sein.

IKS: Einführung als Prozess

Schwab empfiehlt daher: „Der Unternehmer sollte sich die Zeit mit seinem Steuerberater nehmen, um die ganz individuellen Steuerrisiken seines Betriebes zu analysieren.“ Denn ein Steuer-IKS lässt sich nicht an einem Stichtag einführen, sondern gestaltet sich als Prozess. Experte Makselon rät Handwerksunternehmern dazu, erst einmal die Einnahmequellen zu begutachten. „Das betrifft sowohl die Ertrag- als auch die Umsatzsteuern “, so Makselon. Die Materie ist sicher komplex. „Aber so ein Steuer-IKS ist wahrlich kein Hexenwerk“, beruhigt Schwab. Im Kern geht es in vielen Betrieben darum, routinierte Arbeitsabläufe zu dokumentieren und Verantwortliche zu benennen. „Dabei stellen sich Fragen wie: In welcher Form werden Eingangsrechnungen bearbeitet? Wie kommen sie im Unternehmen an? Wer legt sie wie den Zuständigen im Betrieb zur Prüfung vor? Wann werden sie von wem freigegeben?“, so Schwab.

Arbeitsanweisungen kontrollieren

Beispiel elektronische Rechnungen : Ab November 2020 sind diese bei öffentlichen Aufträgen innerhalb von Europa verpflichtend. Unternehmer können verschiedene Formate nutzen, um den europäischen Normen zu entsprechen. Im Rahmen der Einführung eines IKS dokumentiert der Handwerkschef, welche Formate er wie verarbeitet und wie mit den E-Rechnungen umgegangen wird. „Hilfreich ist es, wenn der Unternehmer seine bestehenden Prozesse schriftlich zusammenfasst und dem Steuerberater zu Beginn der Gespräche für ein Steuer-IKS vorlegt“, rät Schwab.

Nächstes Beispiel: Bäckereien oder Konditoreien müssen beim Außer-Haus- Verkauf von Kaffee den regulären Umsatzsteuersatz berechnen. „Die richtige Bestimmung und die korrekte Eingabe durch den Mitarbeiter an der Registrierkasse können sich bei der Ausgabe von Speisen und Getränken als ein umsatzsteuerliches Risiko darstellen“, warnt Schwab. Finanzbeamte wissen, dass es gelegentlich zur falschen Verwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes kommt. „ Maßnahmen im Rahmen eines Steuer-IKS sind hier schriftliche Anweisungen für das Kassieren, die allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden“, so Schwab. Anschließend sollten Chefs überprüfen, ob die Verkäufer die Regeln in der Praxis anwenden. „Auch empfehlen wir eine regelmäßige und dokumentierte Nachschulung der Mitarbeiter. Sollte die Finanzverwaltung bei Testkäufen Mängel feststellen, kann der Chef damit Steuernachzahlungen verhindern“, weiß Schwab. „Fehler werden dem Unternehmer dann nicht als böswillig ausgelegt.“

Dokumentation aktuell halten

Klar ist aber auch: Die Arbeitsanweisungen, Checklisten und Dokumentationen im Unternehmen sind stetig zu aktualisieren. „Jeder neue Ablauf kann zu Fehlern führen, wenn nicht von Anfang an die steuerlichen Auswirkungen überprüft werden“, warnt Schwab und rät, auch die Mitarbeiter zu sensibilisieren und mit ins Boot zu holen.

Das Unternehmen Kegelmann Technik indessen hat sich der Qualitätssicherung verschrieben. Die Firma ist mehrfach zertifiziert, unter anderem für die Automobilindustrie sowie Luft & Raumfahrt. Tax Compliance ist für Juniorchef Kegelmann Teil des Qualitätssicherungsmanagements. „Ein solches System ist nie abgeschlossen“, so Kegelmann.

Wie Ihr Betrieb von Tax Compliance profitiert

Die Einführung eines Innerbetrieblichen Kontrollsystems bietet Unternehmern viele Vorteile: Sie behalten ihre steuerlich relevanten Geschäftsvorgänge im Blick und ersparen sich Ärger mit Gesetz und Finanzverwaltung. Auch Steuernachzahlungen sollten entfallen.

  1. Erhöhte Rechtssicherheit: Ein Steuer-IKS hat das Ziel, die steuerliche Organisation zu optimieren. Es geht um die Dokumentation der Abläufe, um deren Kontrolle und Verbesserung. Das soll steuerliche Risiken minimieren. Das IKS erhöht die Rechtssicherheit.
  2. Niedrigere Nachzahlungen: Werden die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten verletzt, kommt es nach einer Betriebsprüfung häufig zu einer Steuerschätzung. Das kann Umsatz-, Ertrags- und Lohnsteuer betreffen. Betriebsprüfer können darauf verzichten, wenn ein Steuer-IKS im Betrieb installiert wurde.
  3. Weniger Bußgelder: Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat im Anwendungserlass zu Paragraf 153 AO dargelegt, dass nicht jede objektive Unrichtigkeit den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahelegt. Vielmehr bedürfe es einer Prüfung durch die zuständige Finanzbehörde, ob der Anfangsverdacht einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung gegeben ist. Ergänzend führt das BMF aus: „Hat der Steuerpflichtige ein Inner-
    betriebliches Kontrollsystem eingeführt, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des Einzelfalls.“ Darauf verweisen der Zentralverband des Deutschen Handwerks in Kooperation mit der Bundessteuerberaterkammer in der Broschüre „ Tax Compliance für Handwerksbetriebe“ hin.
  4. Kürzere Betriebsprüfungen: Unternehmern, die sich ihrer Pflichten bewusst sind, kommen die Finanzbeamten in der Regel entgegen. Betriebsprüfungen verkürzen sich. Steuererklärungen bearbeiten sie erfahrungsgemäß schneller, genauso Anträge.
  5. Betriebswirtschaftliche Kontrolle: Je schneller fiskalische Daten im Betrieb vorliegen, desto leichter die betriebswirtschaftliche Steuerung. Ein IKS schafft Transparenz für unternehmerische Entscheidungen.

Wie Sie ein Steuer-IKS implementieren

Allgemeingültige Vorgaben für die Einführung eines Innerbetrieblichen Kontrollsystems (IKS) gibt es nicht, entscheidend ist der Einzelfall. Ihre individuelle Konzeption kann sich an folgenden Fragen orientieren:
  • Compliance ist immer Chefsache. Vermitteln Sie dem Finanzamt, dass Sie sich Ihrer Steuerpflichten bewusst sind?
  • Leben Sie die Compliance-Kultur Mitarbeitern und Geschäftspartnern vor?
  • Haben Sie Tax-Compliance-Ziele formuliert?
  • Haben Sie im Sinne der Compliance-Organisation Verantwortlichkeiten festgelegt, dokumentiert und kommuniziert?
  • Weiß Ihr Steuerberaterüber alle Prozesse Bescheid? Mit welcher IT-Schnittstelle?
  • Werden ihm die relevanten Dokumente zeitnah übermittelt, im Idealfall elektronisch?
  • Haben Sie Ihre Tax-Compliance-Risiken hinreichend identifiziert?
  • Haben Sie Maßnahmen – also ein Programm – eingeführt, das den Risiken entgegenwirkt?
  • Änderungen in den Prozessen: Werden Mitarbeiter, Steuerberaterund gegebenenfalls Geschäftspartner regelmäßig darüber informiert?
  • Werden diese Änderungen dokumentiert?
  • Wird das Steuer-IKS überwacht ?
  • Kontrollieren Sie, dass die eingeführten Maßnahmen eingehalten werden ?
  • Werden bei Regelverstößen entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung eingeführt?

Projektplan : Digitalisierung in Schritten

Die Firma Kegelmann Technik GmbH hat ihre Prozesse mit Blick auf die steuerlichen Pflichten in den letzten Jahren nach und nach optimiert.

  • 2015
    Einführung eines digitalen Archivs für sämtliche Belege, Rechnungen, Lohnabrechnungen und andere steuerrelevante Unterlagen (Digitales Belegwesen)
  • 2016
    Start der digitalen Lohnabrechnung. Mitarbeiter erhalten alle relevanten Dokumente über ein gesichertes Portal
  • 2017
    Texterkennung der Eingangs- und Ausgangsrechnungen (OCR – Optical Character Recognition) zur Belegverarbeitung
  • 2018
    Implementierung eines neuen ERP-Systems (Enterprise Resource Planning) mit modernem Buchhaltungssystem