Konjunkturpaket Mehrwertsteuersenkung: 13 Fragen und Antworten

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Zum 1. Juli 2020 reduziert der Gesetzgeber die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 bzw. von sieben auf fünf Prozent. Wie Sie als Handwerker damit korrekt umgehen.

Die Mehrwertsteuersenkung bedeutet für Handwerker zunächst bürokratischen Aufwand, beschert im Gegenzug aber mehr Aufträge
Die Mehrwertsteuersenkung bedeutet für Handwerker zunächst bürokratischen Aufwand, beschert im Gegenzug aber mehr Aufträge. - © Andrey Popov/adobeStock

130 Milliarden Euro hat die Bundesregierung für das Corona-Konjunkturpaket in die Hand genommen, das neben vielen anderen Maßnahmen auch die Mehrwertsteuersenkung ab 1. Juli 2020 beinhaltet. Von 1. Juli bis Ende Dezember 2020 rechnet der Staat mit rund 20 Milliarden weniger Einnahmen durch die Steuersenkung. Was jetzt auf Betriebe zukommt:

1. Ab wann gilt die Senkung der Mehrwertsteuer? 

Die Mehrwertsteuersenkung ist aktuell von 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 begrenzt. Die Regierung erhofft sich, dass Bürgerinnen und Bürger dadurch mehr Geld ausgeben und die Binnenwirtschaft auf diese Weise wieder Fahrt aufnimmt. Bedingt durch Corona war die Kauflaune der Deutschen in den letzten Wochen und Monaten zurück gegangen. So konstatierte das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK für den Mai einen massiven Einbruch des Konsumklimaindex auf einen historischen Tiefstand von minus 23,1 Punkte. Im April lag der Index noch bei plus 2,3 Punkten. Für Juli 2020 prognostiziert die GfK in ihrer aktuellen Konsumklimastudie einen Wert von -9,6 Punkten und damit neun Punkte mehr als für Juni dieses Jahres (-18,6 Punkte).

 „Die Verbraucher erwachen zunehmend aus der Schockstarre, die noch im April zu einem beispiellosen Absturz der Stimmung geführt hatte“, heißt es dazu in der GfK-Presseinformation. Demnach habe der Indikator seit seinem Tiefpunkt im April dieses Jahres insgesamt mehr als 13 Punkte hinzugewonnen. Allerdings sei ein Wert von -9,6 Zählern immer noch der drittniedrigste Wert, der in der Historie des Konsumklimas jemals gemessen wurde. Wir befinden uns nach wie vor in einem Ausnahmezustand, auch wenn Lockerungen und der Rückgang der Infektionen mehr Normalität versprechen.

Sollte sich das Instrument als erfolgreich erweisen, rechnen Experten damit, dass die Mehrwertsteuersenkung sogar verlängert wird und Konsumenten auch 2021 noch davon profitieren. Das steht zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht fest. Vor allem Unternehmen würden davon profitieren, weil sich der bürokratische Aufwand eher lohnen würde.

Damit die Mehrwertsteuersenkung zum 1. Juli 2020 in Kraft treten konnte, stimmte der Bundesrat auf Antrag der Bundesregierung in verkürzter Frist über das Konjunkturpaket ab - nur wenige Stunden nach der Verabschiedung des Gesetzes im Deutschen Bundestag. Inzwischen liegt auch ein aktuelles BMF-Schreiben zur Mehrwertsteuersenkung vor.

2. Wie hoch sind die Mehrwertsteuersätze ab 1. Juli 2020? 

Der Umsatzsteuersatz vermindert sich ab dem 1. Juli 2020 von derzeit 19 Prozent auf 16 Prozent. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz wird von sieben Prozent auf fünf Prozent sinken. Bei einem Rechnungsbetrag von 300 Euro verringert sich die Mehrwertsteuer für Endverbraucher von 57 Euro auf 48 Euro, Restaurantrechnungen über 50 Euro für Speisen kosten den Endverbraucher nun nicht mehr 3,50 sondern nur noch 2,50 Euro.

3. Wer soll davon profitieren und wie genau? 

Profitieren sollen Privatleute und Unternehmer. Die Mehrwertsteuer, auch Umsatzsteuer genannt, trifft zunächst den privaten Endverbraucher. Finanzminister Olaf Scholz erhofft sich, dass Unternehmen die verringerten Mehrwertsteuersätze über Preissenkungen an ihre Kunden weiterreichen. Ziel ist es, eine höhere Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zu erreichen. Dies wiederum hätte höhere Umsätze und Gewinne zur Folge. Vor allem Betriebe, die wegen der Corona-Krise ins Straucheln geraten sind, könnten dadurch aus der Talsohle herausfinden, weil sie mehr Aufträge generieren. Der Staatshaushalt profitiert ebenso: Einfach gesprochen fallen durch die Ankurbelung der Wirtschaft höhere Steuereinnahmen an, es müssen weniger staatliche Hilfsgelder fließen.

4. Muss ich die gesparte Umsatzsteuer an Privatkunden weitergeben?

Tatsache ist: Kein Unternehmen muss die reduzierte Umsatzsteuer an Privatkunden weitergeben. Mit Sicherheit werden manche, krisenbelastete Unternehmen die Preise belassen und mit der Mehrwertsteuersenkung ihre Gewinne erhöhen. Doch Vorsicht : Privatkunden, die die Umsatzsteuer ja entrichten, werden sehr genau prüfen, welche Betriebe die reduzierten Sätze an ihre Kunden weiter reichen und welche Betriebe nicht. Die Unternehmen wiederum werden prüfen, was sich für sie mehr lohnt: die höhere Gewinnspanne oder mehr Aufträge, weil sie mit niedrigeren Preisen in den Markt gehen. Kleinunternehmer, deren Umsatz 2020 nicht mehr als 22.000 Euro umfasst, müssen übrigens keine Umsatzsteuer ausweisen.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) weist darauf hin: Für Kunden, mit denen Sie bereits vor dem 1. März 2020 eine Geschäftsbeziehung eingegangen sind, gilt: Sie haben prinzipiell einen Anspruch darauf, dass sie von der Entlastung profitieren (§ 29 UStG). Es sei denn, Sie haben dies vertraglich ausgeschlossen. Der BdSt gibt eine umfassende Information „Mehrwertsteuerreduzierung – Unsere Tipps für Kunden und Unternehmer“ heraus, die Sie unter der Hotline 0800/8838388 kostenlos anfordern können.

5. Mehrwertsteuer oder Umsatzsteuer: Welcher Begriff ist richtig?

Der steuerrechtlich korrekte Begriff ist „ Umsatzsteuer“ , auch wenn „Mehrwertsteuer“ quasi synonym genutzt wird und sich als umgangssprachlicher Begriff eingebürgert hat. Auf Belegen und Quittungen wird die Umsatzsteuer mit der Abkürzung MwSt. ausgewiesen. Die Umsatzsteuer bezeichnet die Steuer, die für den Unternehmer auf Einnahmen fällig wird. Sie wird auf Rechnungen separat ausgewiesen und nach der Umsatzsteuervoranmeldung an das Finanzamt abgeführt.  

6. Was ist beim Gutscheinverkauf zu beachten? 

Verkaufen Sie Gutscheine, wählen Sie am besten so genannte Mehrzweckgutscheine nach § 3 Abs. 15 UStG. Für diese Gutscheine wird die Umsatzsteuer ans Finanzamt erst dann fällig, wenn der Kunde den gekauften Gutschein einlöst. Anders als beim Einzweckgutschein geht die Finanzverwaltung bei einem Mehrzweck-Gutschein nicht von einem unmittelbaren Leistungsaustausch aus. Erst mit Gutscheineinlösung erfolgt die Leistung – und damit fällt dann auch erst die Umsatzsteuer an.

Die Mehrwertsteuersenkung bedeutet für Handwerker zunächst bürokratischen Aufwand, beschert im Gegenzug aber mehr Aufträge.

7. Müssen Kassensysteme angepasst werden?

Für Betriebe, die mit elektronischen oder computergestützten Kassensystemen oder Registrierkassen arbeiten, gilt: Sie müssen schleunigst eine Anpassung an den Kasseneinstellungen vornehmen. Damit gewährleisten sie, dass bei Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf Rechnungen sowie im Kassen- und Buchhaltungssystem der reduzierte Umsatzsteuersatz aufscheint. Betriebe kontaktieren ihren Steuerberater und ihren Kassenhersteller, der in der Regel unkompliziert Softwareaktualisierungen anbietet.

Ein aktuelles BMF-Schreiben regelt, dass für Leistungen, die im Monat Juli 2020 erbracht werden ( Leistungszeitpunkt), auch eine mit 19 Prozent bzw. 7 Prozent zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht werden kann, wenn der Unternehmer die Umsatzsteuer beim Finanzamt angemeldet und bezahlt hat. Die Regelung berücksichtigt, dass die Umstellung der Kassen- und Abrechnungssysteme Zeit beansprucht.

Tipp: Soll die Reduzierung der Umsatzsteuersätze an die Kunden weitergegeben werden, können Sie ­- anstatt Ihr Sortiment neu auszuzeichnen und die Artikelpreise in den einzelnen Kassen umzuprogrammieren ­­- auch Preisnachlässe im Rahmen des Verkaufsvorganges gewähren. Auf den Kassenbelegen müssen jedoch die neuen Umsatzsteuersätze in korrekter Höhe (also 16 und 5 Prozent) ausgewiesen sein. Es genügt dann, die Kunden etwa durch Werbung, Banner oder Hinweise in der Preisliste darauf aufmerksam zu machen. Auch für die Belegausgabe ist die Kassensoftware umzuprogrammieren. Die Kassenhersteller bieten dazu umfassende Hilfestellungen an.

8. Und wie sieht es mit der Verfahrensdokumentation aus?

Mit der Mehrwertsteuersenkung ist auch eine Aktualisierung der Verfahrensdokumentation notwendig, um die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung nachweisen zu können. Denn die Verfahrensdokumentation muss auch alle Änderungen chronologisch nachvollziehbar machen. Sie beinhaltet Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse der Datenverarbeitung für den Fall einer Betriebs- oder Kassenprüfung.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks weist darauf hin, dass die Finanzverwaltung die Buchführung als nicht vollständig oder aktuell erachten kann und bei der Prüfung womöglich die gesamte Buchführung verwirft. Dies hat meist eine teure Schätzung zur Folge.

Eine Muster-Verfahrensdokumentation zur Kassenführung stellt der Deutsche Fachverband für Kassen- und Abrechnungstechnik e.V. kostenlos zum Download zur Verfügung.

9. Was beachten Bäcker und Metzger mit Bistro-Verkauf?

Für sie gilt: Vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 soll für vor Ort verzehrte Speisen generell nur noch der reduzierte Umsatzsteuersatz von fünf Prozent ausgewiesen werden. Dies gilt auch für Take-away-Gerichte. Von 1.1.2021 bis 30.6.2021 gilt im Zuge der Corona-Hilfe für Gastronomiebetriebe ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Ab 1. Juli 2021 sind dann wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig – Stand heute.

Achtung : Der verringerte Umsatzsteuersatz gilt nur für Speisen und nicht für Getränke . Für Getränke werden ab 1. Juli 2020 durch die Mehrwertsteuersenkung statt 19 nur 16 Prozent Umsatzsteuer fällig.

10. Was gilt für Dauerzahlungen wie Abos, Mitgliedsbeiträge oder Leasing-Verträge?

Handelt es sich um Dauerleistungen, zum Beispiel um Leasingverträge, bei denen ein monatlicher Leistungs- oder Zahlungszeitraum vereinbart wurde und somit Teilleistungen vorliegen, sind diese bis zum 30. Juni mit dem alten Steuersatz von 19 oder sieben Prozent abzurechnen. Laut Ecovis-Steuerberatern gilt der reduzierte Steuersatz von 16 oder fünf Prozent für alle Teilleistungen, die in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 ausgeführt werden. Leasingverträge seien für den Übergangszeitraum der Steuersatzsenkung entsprechend zu ändern.

Es genügt, den Vertrag auf den neuen Umsatzsteuersatz anzupassen, bestätigt der Bund der Steuerzahler. Wurde eine Rechnung bereits zu Beginn des Jahres gestellt, muss eine Zwischenabrechnung demnach für das erste und zweite Halbjahr erfolgen.

11. Was müssen Handwerker bei der Rechnungsstellung beachten?

Laut Bund der Steuerzahler gilt grundsätzlich: Maßgeblich für die Bestimmung des Umsatzsteuersatzes ist der Zeitpunkt der Leistung. Der Vertragsschluss, Anzahlungen oder das Rechnungsdatum sind irrelevant. Das heißt, wird eine Rechnung bereits im Juni gestellt und die Leistung erfolgt aber erst im Juli, muss die Rechnung den Steuersatz von 16 bzw. fünf Prozent enthalten. Erfolgte die Leistung im Juni und wird die Rechnung erst im Juli gestellt, so bleibt es beim Steuersatz von 19 bzw. sieben Prozent.  

Sind im Angebot von beispielsweise Juni 2020 die Einzelposten ausgewiesen – also Nettobetrag plus Umsatzsteuer – wird es für den Kunden billiger, wenn die Leistung erst im Juli erfolgt. Als Handwerker müssen Sie dann den unzutreffenden Steuersatz der Anzahlung in der Schlussrechnung korrigieren. 

Fließen Anzahlungen vor dem 1. Januar 2021, die Ausführung erfolgt aber erst 2021, kann es in der Rechnung dennoch beim niedrigeren Mehrwertsteuersatz von 16 bzw. fünf Prozent bleiben, wenn in der Endrechnung die Umsatzsteuer auf den Gesamtbetrag mit dem neuen Steuersatz angegeben wird. "Allerdings ist darauf zu achten, dass die in der Anzahlungsrechnung offen ausgewiesene Umsatzsteuer in der Schlussrechnung wieder offen ausgesetzt wird", rät Gregor B. Sprißler, Partner der Kanzlei Korte und Partner in Recklinghausen. 19 Prozent bzw. sieben Prozent werden fällig, wenn das Angebot zwar im Dezember 2020 zugestellt wird, Anzahlungen aber erst im neuen Jahr fließen. Immer gilt: Der Zeitpunkt der Leistung entscheidet über die Höhe der Umsatzsteuer.

12. Was gilt beim Rechnungseingang?

Jetzt gilt es, Rechnungen sehr genau zu überprüfen, denn in der Anfangsphase ist von Fehlern auf Rechnungen auszugehen. Wichtig: Maßgeblich ist der Leistungszeitpunkt . Laut Bund der Steuerzahler drückt das Bundesfinanzministerium durchaus ein Auge zu: Hat der leistende Unternehmer für eine nach dem 30. Juni und vor dem 1. August 2020 an einen anderen Unternehmer erbrachte Leistung in der Rechnung versehentlich noch den Steuersatz von 19 bzw. 7 Prozent ausgewiesen und wurde dieser Steuerbetrag abgeführt, darf auf eine Berichtigung verzichtet werden. Dem Leistungsempfänger wird in diesen Fällen auch der Vorsteuerabzug aus den unrichtigen Rechnungen gewährt.  

Vorsicht: Spätestens ab 1. August haben die korrekten Sätze auf den Rechnungen zu stehen. Ist der falsche Steuersatz ausgewiesen, sollten Sie von Ihrem Geschäftspartner eine Korrektur verlangen. Mit falsch ausgewiesener Steuer muss die Umsatzsteuer in voller Höhe gezahlt werden, die Finanzverwaltung gewährt aber nur den reduzierten Vorsteuerabzug (§ 14c UStG).

13. Was müssen Geschäftsreisende wissen, die über den Monatswechsel Juni/ Juli im Hotel nächtigen?

Als Gast bekommen Sie in einem Hotel grundsätzlich nur eine Rechnung. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz würde hier auch bei Übernachtungsbeginn vor dem 1. Juli 2020 angewendet, wenn der Aufenthalt nach dem 30. Juni 2020 endet. Es greift dann der ermäßigte Umsatzsteuersatz von fünf Prozent, sagen die ecovis-Steuerberater.