KOFA-Studie Rekord: Fachkräftemangel im Handwerk so groß wie nie

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Ein neuer Rekord: 2022 gab es im Schnitt 236.818 offene Stellen in überwiegend handwerklichen Berufen in Deutschland – nie waren es mehr. Das geht aus einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräfteabsicherung (KOFA) hervor. Kein Wunder, dass die Zahl der arbeitslosen Handwerker weiter abnahm: Es gab nur noch etwa halb so viele Arbeitslose wie offene Stellen. So blieben rechnerisch 129.000 Stellenangebote offen, da es keinen passend qualifizierten Arbeitslosen gab. Welche Gewerke besonders betroffen sind und was die Betriebe gegen den Fachkräftemangel unternehmen.

Wenn Fachkräfte fehlen, kommen die Gewerke auf kreative Lösungsansätze. - © luetjemedia - stock.adobe.com

Händeringend sucht das Handwerk nach qualifizierten Mitarbeitern - und das wird seit zehn Jahren stetig mehr. Ausnahme waren die Corona-Jahre. Nun sind es also 236.818 offene Stellen in überwiegend handwerklichen Berufen. Das ergab die neue Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA). Als Gründe für den großen Anstieg der Arbeitskräftenachfrage im Jahr 2022 nennen die Autoren gleich drei Entwicklungen:

  • die gute Konjunktur (vor allem im Bauhandwerk)
  • den politischen Willen zum Klimaschutz, auch im Wohnungsbau
  • den demografischen Wandel, der vor allem auf das Gesundheitshandwerk (Optik, Akustik) wirkt

Die Fachkräftelücke wird größer

Mehr offene Stellen bei insgesamt weniger Arbeitslosen bewirken, dass die Fachkräftelücke (die Zahl an rechnerisch nicht besetzbaren Stellen in Relation zur Gesamtzahl der offenen Stellen) in überwiegend handwerklichen Berufen immer größer wird. Konkret: 2022 gab es für im Schnitt 128.891 offene Stellen rein rechnerisch bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen. "Das bedeutet, selbst wenn alle arbeitslosen Handwerkerinnen und Handwerker auf eine passende Stelle vermittelt worden wären, hätte über die Hälfte der offenen Stellen in überwiegend handwerklichen Berufen nicht besetzt werden können", schreiben die Autoren der Studie.

Zu wenig Arbeitskräfte mit Abschluss

Die meisten Betriebe suchen Arbeitskräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung. Im vergangenen Jahr fehlten knapp 108.000 Gesellinnen und Gesellen (plus fünf Prozent gegenüber 2021). Doch auch bei den Meistern gab es eine Lücke von rund 10.600 Arbeitskräften (plus 33 Prozent gegenüber 2021) und es fehlten weitere 10.300 Menschen mit einer berufsspezifischen Fortbildung (plus 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Hier nennen die Autoren als Beispiele Metallbautechniker oder Aufsichts- und Führungskräfte im Verkauf.

Meister dringend gesucht

Laut Studie war es im vergangenen Jahr am schwersten, eine Meisterstelle zu besetzen. "Hier konnten mehr als sechs von zehn offenen Stellen rechnerisch nicht besetzt werden, da es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gab (63,3 Prozent)." Fast genauso schwierig war es andere Fortbildungsabsolventen zu finden. Bei Gesellinnen und Gesellen konnte gut jede zweite Stelle rechnerisch nicht besetzt werden - das sind 53,3 Prozent. Fazit: Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Intensität des Fachkräftemangels auf einen neuen Rekordwert gestiegen.

Als Gründe für den Meister-Mangel nennt die Studie den leichten, aber kontinuierlichen Beschäftigungsaufbau - mehr Meister suchen Meister. Gleichzeitig ist "die Zahl der bestandenen Meisterprüfungen zwischen 1999 und 2020 deutlich zurückgegangen". Wie der ZDH meldet ist allerdings seit Einführung des neuen Aufstiegs-BAföGs vor drei Jahren wieder ein leichter Aufwärtstrend zu beobachten (ZDH, 2023).

Gewerke: Bauhandwerk leidet besonders

Der Fachkräftemangel im Bauhandwerk ist stärker als in anderen Gewerken (siehe Tabelle unten: Engpassberufe). Bei der Bauelektrik fehlen 17.846 Fachkräfte. In dieser Berufsgruppe konnten im Jahr 2022 gut acht von zehn offenen Stellen rechnerisch nicht besetzt werden. Ausgerechnet diese Berufsgruppe (Elektroniker der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik und Elektroniker für Gebäude- und Infrastruktursysteme) ist die wichtigste für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Bei "Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik" fehlen 13.702 Fachkräfte. Auch diese Berufsgruppe ist entscheidend für die Wäremewende. "Auch hier konnten gut acht von zehn Stellen rechnerisch nicht besetzt werden", so die Studienautoren. Bei den Meistern sind es vor allem Fachkräfte für „Aufsicht und Führung – Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik“, die fehlen. Konkret: Meister der Augenoptik, der Hörgeräteakustik, der Orthopädietechnik sowie der Zahntechnik. "Diese werden zwar mit 2.208 offenen Stellen im Jahresdurchschnitt deutlich seltener gesucht, jedoch konnten auch hier aufgrund der Fachkräftelücke von 1.935 nahezu neun von zehn offenen Stellen rechnerisch nicht besetzt werden, weil es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gab."

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Jeder 6. Ausbildungsplatz bleibt unbesetzt

Das Handwerk kann sich seine Fachkräfte sichern, wenn es ausreichend ausbildet. Tatsächlich finden sich aber nicht ausreichend Bewerber für die angebotenen Ausbildungsplätze. Das gilt nicht nur im Handwerk, sondern auch in der Summe aller Ausbildungsberufe insgesamt. Im Ausbildungsjahr 2021/2022 konnten in den in der Studie betrachteten Handwerksberufen gut 130.000 Ausbildungsverträge neu geschlossen werden. Im Jahr 2012 waren es noch gut 146.000.

Von den im Jahr 2022 insgesamt 151.243 angebotenen Ausbildungsplätzen in überwiegend handwerklichen Berufen blieben 20.977 – etwa jede sechste Lehrstelle – unbesetzt. Dies ist der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Zum Vergleich: Bei Gesamtbetrachtung aller Ausbildungsberufe ist es rund jeder 8. Ausbildungsplatz, der nicht besetzt wird. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) sind Lehrstellen für Klempner, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk und Fleischer am stärksten von Besetzungsproblemen betroffen.

Gute Entwicklung bei einigen Engpassberufen

In der Bauelektrik, der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie der Dachdeckerei werden nicht nur vermehrt Ausbildungsplätze angeboten, sondern auch besetzt. Warum das so ist, erklären die Studienautoren mit der hohen Jobsicherheit in diesen Berufen. Zudem würden diese "Berufe aufgrund ihrer Relevanz für die Klimawende als sinnstiftend erachtet". Und es wirke die verstärkte mediale Präsenz: Jugendliche würden guten Einblicke in den Berufsalltag bekommen, wie die Studie Kofa-Kompakt 74/2022 ergeben hatte.

Fazit:

Dort, wo noch vor einem Jahr die meisten Fachkräfte fehlten (Bauelektrik, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik), haben die Betriebe reagiert und vermehrt Ausbildungsplätze angeboten. Dieses vermehrte Angebot wurde auch nachgefragt. Trotzdem blieben Lehrstellen frei. In anderen Engpassberufen, wie beispielsweise im Lebensmittelhandwerk und im Metallbau, gelang des den Betrieben nicht, ihr Angebot so attraktiv zu gestalten, dass sich mehr Jugendliche für eine Ausbildung entscheiden. Tatsächlich sind es genau diese Berufe, in denen Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen weiter abnehmen.

Über das KOFA

Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) unterstützt kleine und mittlere Unternehmen im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dabei, Fachkräfte zu finden, zu binden und zu qualifizieren.
Ausführliche Analysen und weitere Fakten über die Fachkräftesituation erhalten Sie unter: kofa.de/studien

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