Fachkräfte aus Drittländern Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Ein Chef berichtet aus der Praxis, wie die Integration funktioniert

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Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll es Unternehmen leichter machen, an Fachkräfte aus Drittländern zu kommen. Die Novellierung des Gesetzes wird Erleichterungen bringen, erhofft sich der Gesetzgeber. handwerk magazin sprach mit dem Münchner SHK-Unternehmer Kilian Schramm, Geschäftsführer der Hans Schramm GmbH, über seine Erfahrungen mit Fachkräften aus dem Nicht-EU-Ausland.

Unternehmer Kilian Schramm mit Mitarbeitern
Unternehmer Kilian Schramm mit seinem neuen Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik Nemanja Dukic aus Bosnien und Herzegowina und Andreas Anschütz, Betriebslotse im Projekt "Unternehmen Berufsanerkennung" bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern (von links). - © Daniela Pfeil
Herr Schramm, Sie kennen die Abläufe bereits, Sie haben einen Facharbeiter aus Bosnien in Ihrem Betrieb anheuern können. Wie aufwändig war das Verfahren für Sie als Handwerkschef?

Kilian Schramm: Ja, wir haben Facharbeiter über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bei uns im Betrieb. Der Prozess war in 2022 noch sehr komplex und zeitaufwendig. Zudem waren die üblichen Anlaufstellen auf Fragen zum Vorgehen nicht vorbereitet. Es hat einige E-Mails und Telefonate gekostet, bis man die richtigen Ansprechpartner identifizieren konnte. Auch im Nachgang war es eine Herausforderung die notwendigen Unterlagen in der geforderten Art bereitzustellen.

Wie kamen Sie auf die Idee, Mitarbeiter aus einem Drittland anzuheuern?

Der Fachkräftemangel ist in der Sanitär-, Heizung- und Klimabranche ein großes Thema. In München befassen wir uns damit schon seit vielen Jahrzehnten. Daher hat unser Betrieb schon in den 1960er Jahren – als vor mehr als 60 Jahren - Fachkräfte aus Italien angeheuert. Seitdem suchen wir im In- und Ausland nach Mitarbeitern, die zu unserer Firmenkultur passen und die richtige Motivation haben. Wir sind überzeugt davon, dass Talent und Fähigkeiten unabhängig von der Herkunft, Religion oder Geschlecht vorhanden sind.

Wie haben Sie das Verfahren erlebt, wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Das Verfahren war zeitaufwendig, bürokratisch und langwierig. Der allgemeine Weg über das „normale Arbeitsvisum“ hätte wohl nicht länger gedauert aber einiges an Zeit und Nerven gespart.

Bedarf an Verbesserungen gibt es einige. So ist es zum Beispiel für die Fachkräfte aus Drittländern schwierig, alle Unterlagen von Schulen, alten Arbeitgebern zu beschaffen und diese auf Deutsch zu übersetzten. Da kommen schnell mal 50 bis 100 Seiten an Text zusammen. Ein anderer Weg zur Evaluation der technischen Fähigkeiten wäre sicher gut.

Zudem wäre wünschenswert, wenn das Verhalten und die Motivation der Neuen mehr Relevanz bekämen. Wir übernehmen ca. 25 Prozent der Neueinstellungen nach der Probezeit. Das bedeutet, dass 75 Prozent der Neueinsteiger nicht unsere Erwartungen erfüllt. Bei einer Einstellung über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz müssen wir uns somit sehr sicher sein, dass es passt. Sonst steht der Aufwand zu den Chancen in einem sehr schlechten Verhältnis. Eine Art „Sechs Monate Arbeitserlaubnis ohne Bürokratie“ wäre da sicher hilfreich.

Wie stellt sich die Personalsituation bei Ihnen im Betrieb dar? Haben Sie vor, weitere Mitarbeiter über das Fachkräfteeinwanderungsverfahren zu rekrutieren?

Wir suchen stetig nach qualifizierten Fachkräften auf Grund von Wachstum und der Fluktuation. Mit Auszubildenden können wir diesen Bedarf nur zum Teil decken. Daher suchen wir weiterhin nach motivierten Mitarbeitern, die zu unserem Team passen.

Und wie genau gehen Sie dann vor?

Wir suchen Kandidaten über die passiven online / offline Kanäle sowie über Mitarbeiterempfehlungen. Zudem hilft unser Recruiting Team beim gesamten Prozess bis hin zur Wohnungssuche. Das gibt uns die Möglichkeit unsere Aktivität besser zu steuern und bei absehbaren Bedarfen können wir zeitnah reagieren. So werden aus Personalbedarfen keine Kapazitätsprobleme, die uns daran hindern unsere Kunden in der gewohnten Qualität und Geschwindigkeit zu bedienen.

Haben Sie Tipps für Handwerkschefs, die Ähnliches vorhaben? Was würden Sie mit Ihrem heutigen Kenntnisstand anders machen im Umgang mit Botschaften im Ausland, Ausländerbehörde, Arbeitsagentur, Handwerkskammer?
  • Beginnen Sie frühzeitig mit der Planung, da der Prozess Zeit in Anspruch nehmen kann
  • Nutzen Sie alle verfügbaren Ressourcen und Beratungsdienste, um sich über das Verfahren zu informieren.
  • Stellen Sie sicher, dass die Qualifikationen des Kandidaten korrekt und vollständig dokumentiert sind.
  • Bieten Sie Unterstützung für Ihren neuen Mitarbeiter während des gesamten Prozesses.
  • Kommunizieren Sie offen und regelmäßig mit den relevanten Behörden und dem neuen Mitarbeiter, da Ghosting auch hier vorkommen kann und sehr ärgerlich ist.
Wie viel Zeit sollten Handwerkschefs einkalkulieren, bis der neue Mitarbeiter einsatzfähig in der Werkstatt oder auf der Baustelle ist?

Im besten Fall drei Monate. Im schlechtesten Fall 16 Monate. Ich würde im Schnitt mit zwölf Monaten rechnen. Das sind aber die Erfahrungswerte zum aktuellen Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Mit dem neuen Gesetzt geht es hoffentlich schneller.

Im März 2023 kam Ihr neuer bosnischer Mitarbeiter Nemanja Dukic aus Bijeljina, einer Stadt im Nordosten von Bosnien und Herzegowina, zu Ihnen in den Betrieb. Er hat sich vermutlich bereits eingelebt. Wie kräftig mussten Sie dem neuen Mitarbeiter bei der „Eingewöhnung“ unter die Arme greifen, ihn etwa bei der Wohnungssuche unterstützen?

Wir fahren in der Eingewöhnungsphase einen straffen Plan. Deutschkurse bis B2 Zertifikat sind ab Tag eins Pflicht. Zudem fangen wir direkt nach der Probezeit mit der fachlichen Weiterqualifizierung an.

Zum Thema Wohnung haben wir eine Doppelstrategie. Zum einen haben wir Kooperationen mit Hausverwaltungen, die kurzfristig möblierte Ein-Zimmer-Appartments anbieten. Zum anderen, sprechen wir Hausverwaltungen und Wohnungseigentümergemeinschaften aktiv an. Es ist aber schwer für Handwerker in München bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Wie bewerten Sie die neuen Regeln, die die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes mit sich bringen? Werden sie Erleichterung bringen?

Die neuen Regeln sollen das Verfahren schneller und einfacher machen. Das klingt gut. Mit „Arbeiten während des Anerkennungsverfahrens“ und „Chancenkarte zur Eignungsbewertung“ geht das Thema in eine richtige Richtung. Wie diese Aspekte praktisch umgesetzt werden, wird sich zeigen. Eine endgültige Beurteilung steht somit noch aus.

Vielen Dank für das Gespräch!

Lesetipp:

Den ausführlichen Beitrag zur Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes lesen Sie in unserer September-Ausgabe 2023 von handwerk magazin. Erscheinungstermin der Printausgabe ist der 1. September 2023.