Kapitalanlage Prognose: Inflation drängt in die Breite

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Hohe Energiepreise, Engpässe in den Lieferketten und eine nach dem Lockdown plötzlich wirksam werdende Nachfrage befeuerten die Inflation zuerst. Dann stiegen die Lebensmittelpreise aufgrund der vielen Krisen an. Und nun ist der Servicesektor ein wesentlicher Faktor für den Preisauftrieb: „Die Inflation hat sich zunehmend in die Breite gefressen“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. Damit werde es unwahrscheinlicher, dass die Inflation so schnell nachlasse, wie die Aktienmärkte es derzeit erwarten.

Mit der Inflation geht das Einkommen in Teilen in Flammen auf. - © photoschmidt - stock.adobe.com

Es gibt sie, die überzeugten Volkswirte, die glauben, dass die Inflation spätestens 2024 deutlich rückläufig sein wird. Es sind vor allem die Vertreter der Notenbanken in Europa und den USA, die Argumente anführen, warum die Inflation nicht dauerhaft bleiben wird:

1. Der Grund für die Inflation wird entfallen. Dafür ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte der Inflation im zurückliegenden Jahr: Im Lockdown waren die Konsummöglichkeiten der Verbraucher stark eingeschränkt. Gleichzeitig wurden ihnen mit Steuersenkungen und Kurzarbeitergeld aber ausreichend Geld ins Portemonnaie gespült, um Konsumwünsche anzufachen. Mit Aufhebung der Corona-Beschränkungen wurden die zurückgehaltenen Konsumausgaben in kürzester Zeit marktwirksam. Zwar stieg das Angebot, aber es konnte die Nachfrage nicht befriedigen, so dass es sowohl zu Lieferengpässen als auch zu Preissteigerungen kam.

Viele Ökonomen meinen, dass die Ersparnisse aus dem Lockdown nicht lange vorhalten werden. Letztlich werde sich die Nachfrage beruhigen - und in der Folge auch die Lieferengpässe und die Preisentwicklung. Tatsächlich ist die Inflation in den USA (8,5 Prozent anstelle der prognostizierten 9,1 Prozent) und auch hierzulande weniger stark gestiegen als erwartet worden war.

Inflation: Noch keine Trendwende

„Die Märkte feiern es schon als Trendwende“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Die Frage ist, ob das wirklich eine Trendwende sein kann, die zu so einer nachhaltigen Entspannung führt, dass sich dann auch die Fed wieder entspannen kann.“ Erst wenn die amerikanische Notenbank (Fed) die Entspannung für anhaltend sieht, bestehe auch die Chance, dass das Thema Rezession mit fallenden Aktienkursen vom Tisch komme.

Grund 2 für die Annahme, dass die Inflation nicht dauerhaft bleibt: In den Industrienationen gibt es bei einigen Produkten bereits erste Deflationsanzeichen. Beispiel: Die großen Preisanstiege des vergangenen Jahres bei Gebrauchtwagen und Fernsehern sind jetzt vorbei. Hier fallen die Preise bereits deutlich. Auch im Energiesektor ist der große Preisanstieg erst mal beendet. Im Grunde kann sich die Inflation selbst stoppen: Steigen die Preise für Güter und Leistungen, auf die die Menschen nicht verzichten können, müssen sie beim Konsum anderer Produkte sparen. Ein Beispiel aus den USA: Dort stiegen die Preise für Kraftstoffe deutlich an. Haushalte mit niedrigem Einkommen verzichteten daraufhin offenbar vor allem auf das Essen in Fastfood-Restaurants, was dort zu massiven Preisreduktionen führte.

Aber Benjamin Bente wägt ab: „Daneben gibt es aber auch andere Bereiche, in denen inzwischen erkennbar ist, dass der initiale Inflationsschock sich zunehmend in die Breite hinein gefressen hat.“ So sei die Kerninflationsrate in den USA nicht sehr stark gesunken. Es sei inzwischen erkennbar, dass ein wesentlicher Teil des Preisauftriebs in den USA aus dem Servicesektor komme. Also aus einem Bereich, in dem weder eine besonders hohe Energie- noch eine besonders hohe Lieferkettenabhängigkeit bestehe.

Und auch die Bundesbank gibt noch keine Entwarnung: Im Herbst rechnet sie laut ihrem aktuellen Monatsbericht mit einer Inflationsrate in der „Größenordnung von zehn Prozent“. Im Juli lag sie in Deutschland noch bei 8,5 Prozent.

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Inflation in der Breite

„Die Inflation im Dienstleistungssektor ist klassischerweise strukturellerer Natur und wird nicht von singulären und temporären Faktoren getrieben“, erklärt Bente. Auch der Bereich Mieten habe einen wesentlichen Beitrag geliefert – nicht zum ersten Mal. Auch hier sei tendenziell eher ein struktureller Faktor zu sehen, der jedenfalls nicht von den Themen Energiepreis, geopolitische Krisen oder Lieferkettenproblemen unmittelbar abhängig sei. „Insofern sind Fragezeichen zu setzen, ob die Märkte gerade recht haben, die jetzt schon die große Trendwende hin zur Inflationsentspannung, damit Fed-Entspannung, damit Entspannung der Rezessionsgefahr spielen“, sagt Bente.

Wie wirkt sich die Inflation auf die Aktien aus?

Es gibt also begründete Zweifel an der Auffassung bald sinkender Inflationsraten. Doch mittelfristig wird die Entspannung bei den Preisen einsetzen. „Einen Rückgang der Inflationsraten sehen wir bei einem so wahnsinnigen Preisauftrieb, wie wir ihn vorher gesehen haben, allein schon wegen der Basiseffekte“, erklärt Bente. „Doch eine rein temporäre Entspannung wird nicht reichen für einen nachhaltigen Aktienmarktaufschwung.“ Um die Rezessionsgefahr nachhaltig zu bannen, brauche es einen wirklichen, strukturellen Rückgang.

Tatsächlich entwickeln sich die Aktienkurse aber so, als gäbe es bereits einen Trendwechsel. Der Grund dafür: „Die Inflationserwartungen laufen den Inflationsraten meist voraus und möglicherweise sehen die Märkte da deutlichere Rückgänge, als es anhand der reinen Daten zu sehen ist.“ Einen nachhaltigen Trendwechsel - und nicht nur ein Zwischenhoch - sieht der Anlageexperte, wenn zeitversetzt in anderen Bereichen wie Mieten und Service auch Inflationsrückgänge kommen. Dann bestehe auch die Chance, dass das nachträglich die positive Aktienmarktreaktion rechtfertige.

Gibt es das inflationsgeschützte Depot?

Was also können Anleger tun, um ihr Depot vor der Inflation zu schützen? Diversifikation ist ein guter Weg - also das Streuen des Anlagevermögens auf verschiedene Märkte und Anlageklassen. "Neben der Suche nach Märkten mit relativ geringen Preissteigerungsraten bleiben auch Werte, die von einer höheren Teuerung profitieren könnten", schreiben die Experten des Fondsanbieters Vontobel. Wer sich auf die Suche danach begibt, stößt meist auf Aktien von Lebensmittelanbietern - und dazu gibt es auch die passenden Exchange Traded Funds (ETF). Sie überzeugen mit einer breiten Streuung und geringen Kosten. Wer auf der Homepage von justetf.com den Suchbegriff "consumer staples" eingibt, erhält eine Liste von zehn ETF, die in diese Märkte investieren.