Breitgefächerter Finanzierungsmarkt Crowdfinanzierung: Die Alternative zum Bankkredit bietet Chancen, ist aber nicht ohne Risiko

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In der Krise vergeben Banken weniger Kredite – oder zu ungünstigen Konditionen. Wer trotzdem ein Vorhaben finanzieren lassen möchte, kann auf Crowdplattformen Geld bei Investoren einsammeln. Und wer sich an anderen Unternehmen und ihren Projekten finanziell beteiligen möchte, kann die Plattformen ebenfalls nutzen. Die Vor- und die Nachteile der Schwarmfinanzierung.

Crowdfinanzierung: Eine Alternative zum Bankkredit. - © HN Works - stock.adobe.com

Die Inflation war in den vergangenen Jahren hoch – der wesentliche Grund für die Europäische Zentralbank (EZB), die Leitzinsen seit Juli 2022 zu erhöhen und, auf aktuell vier Prozent, hoch zu halten. Die Maßnahme zeigt Wirkung, die Inflation sinkt. Die Kehrseite: Für Unternehmen sind Kredite deutlich teurer geworden. Laut Bank Landing Survey (BLS) der EZB für das letzte Quartal 2023, hat zudem die schwierige wirtschaftliche Lage die Risikoeinschätzung der Banken erhöht, was die Vergabekriterien für Kredite verschärft. „Die erhebliche kumulative Verschärfung seit 2022 hat zusammen mit der schwachen Nachfrage zu dem starken Rückgang des Wachstums bei Firmenkrediten beigetragen," meldet die EZB.

Kredite: teuer, solange der Druck auf die Preise hoch ist

Am stärksten betroffen von der aktuellen Flaute ist die Baubranche. Doch auch die ihr nachgelagerten Gewerke, wie beispielsweise Sanitär-Heizung-Klima (SHK) oder Schreiner, spüren inzwischen den schwindenden Auftragseingang. Betriebe, die zudem über eine geringe Eigenkapitalausstattung verfügen, haben es nun besonders schwer, an Kredite zu kommen. Aber: „Erste Anzeichen machen Hoffnung auf ein Ende der Talfahrt am Kreditmarkt. Eine nachhaltige Umkehr am Kreditmarkt setzt jedoch voraus, dass sich die Konjunktur erkennbar belebt und die Planungs­sicherheit der Unternehmen wieder zunimmt", beurteilt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib die Lage.

Crowdfinanzierung: Ein breitgefächerter Markt

Die Alternative zu den raren Bankkrediten kann eine Schwarmfinanzierung sein – auch Crowdfinanzierung genannt. Das heißt: Ein Unternehmen möchte Geld bei verschiedenen Investoren einsammeln, um ein Projekt oder eine Unternehmensgründung umsetzen zu können. Das kann die Finanzierung des Baus einer Lagerhalle für einen Tischler sein, der Kauf eines Holzbackofens für einen Bäcker oder auch ein Projekt, das aus mehreren Investitionsgütern besteht, die eine Finanzierung benötigen - wie beispielsweise eine Gründung. Auch die Vorfinanzierung eines innovativen Produkts wird per Crowd organisiert, indem die Innovation im Vorfeld verkauft wird.

Zusätzlich gibt es das Crowdfunding mit Eigenkapital: Geldgeber erwerben also Eigenkapitalanteile oder sie erhalten ertragsbezogene Rückzahlungen. Dies können Lizenzgebühren oder Wandeldarlehen sein. Bei Letzterem gewährt der Investor dem Unternehmer ein gering verzinstes Darlehen und kann dieses am Ende der Laufzeit in eine zuvor festgelegte Anzahl von Anteilen am Unternehmen wandeln. Diese Variante wählen oft Start-ups, da sie so mit einiger Wahrscheinlichkeit keine Rückzahlung in bar leisten müssen (Kapitalabfluss), sondern ihre Eigenkapitalbasis erhöhen. Die Entlohnung der Geldgeber kann sehr unterschiedlich organisiert sein. So kann es beispielsweise eine Rückzahlung bei Fälligkeit plus Zinsen in Euro geben. Üblich ist aber auch, dass der Investor in Naturalien (zum Beispiel regelmäßiger Bezug von Brot vom Bäcker) oder Nutzungsrechten (an Teilflächen einer Lagerhalle oder einer Maschine) bezahlt wird.

© Ludwig Fröhler Institut für Handwerkswissenschaften

Crowdfinanzierung: Statistik zum Markt

Die Statistik für Crowdfinanzierung weist für das Jahr 2024 ein erwartetes Marktvolumen in Deutschland von 54,4 Millionen Euro auf (Quelle: Statista). Das ist vergleichsweise bescheiden: Im weltweit größten Markt für Crowdfinanzierungen, den USA, soll der Umsatz im Jahr 2024 bei knapp 425 Millionen Dollar liegen. Das Wachstum für Deutschland beziffern die Analysten mit rund 2,3 Prozent im Jahr, sodass 2028 der Wert auf knapp 60 Millionen Euro gewachsen sein wird. Den bisherigen Umsatzrekord erzielte der Markt kurz vor Corona im Jahr 2019: rund 52,49 Millionen Euro betrug das Gesamttransaktionsvolumen.

Crowdfinanzierung ist nicht ohne Risiko

Kampagnen heißen die Finanzierungsangebote an die Investoren. Sie beschreiben das Finanzierungsziel, das Finanzierungsvolumen und die Zeit, in der das Ziel erreicht werden soll. Wer eine Kampagne veröffentlicht, muss im Vorfeld also Texte, Dokumente, Fotos und/oder Videos erstellen, auf der Plattform veröffentlichen (wird in unterschiedlichem Umfang von den Experten der Plattform begleitet) und seine Geldgeber während der Investitionsphase über Fortschritte, erreichte Zwischenziele oder auch Probleme und Herausforderungen informieren. Das ist zeitaufwendig – Gründer, die oft ohnehin besonders viel arbeiten, sollten das bedenken, wenn sie über eine Crowd-Kampagne nachdenken. Wer Geld sucht oder Geld in einem anderen Betrieb anlegen möchte, muss ganz genau schauen, welche Bedingungen die Kampagne haben soll oder bietet. Einen Standard gibt es bei diesen Finanzierungen nicht. Einen intensiven Blick sollten Investoren dabei auf die Sicherheiten werfen: Wer haftet – mit was – in welcher Höhe? Erhalten die Geldgeber im Insolvenzfall ihr Geld zurück? Meistens ist das nicht der Fall: Crowd Investments sind in aller Regel Risikokapital, bei dem der Totalverlust droht.

Wichtig auch: Bei der Wahl der passenden Plattform sollten Geldsuchende und Geldgeber darauf achten, wie stark die Plattform das zu finanzierende Projekt im Vorfeld prüft (sie haben Erfahrung, eine intensive Prüfung und Begleitung ist also von Vorteil), wie intensiv der Geldsuchende während der Kampagne betreut wird und wie hoch die laufenden und einmaligen Kosten sind. Auch der Blick auf die Insolvenzen auf der jeweiligen Plattform, kann hilfreich sein, um Risiken zu erkennen.

Crowdfinanzierung bietet Chancen

Der große Vorteil der Schwarmfinanzierung: Potenziell gibt es sehr viele Investoren und jede erfolgreiche Kampagne hat auch eine Marketingwirkung für das Unternehmen. Jeder Investor ist zudem ein Multiplikator, denn er spricht in seinem Bekanntenkreis darüber oder nutzt Social Media, um das finanzierte Projekt bekannt zu machen – der Erfolg ist ja sein eigenes Interesse. Und nicht wenige Investoren rufen beim Kampagnenersteller an und fragen, ob sie sonst noch irgendwie behilflich sein können. Das ist positives Feedback und schafft ein Netzwerk.

Ein weiteres Plus für die Crowdfinanzierung nennt das Ludwig Fröhler Institut in seiner Studie Crowdfunding als Finanzierungsalternative im Handwerk": "Auch für etablierte Betriebe ist die Abhängigkeit von einer einzigen externen Finanzierungsquelle mit erheblichen Risiken verbunden." Vorangegangene Studien hätten gezeigt, "dass der Fokus auf einen einzelnen Finanzierungsgeber zu suboptimalen Finanzierungskonditionen führt (sog. Locked in Effekt)." Einen Finanzierungspartner, über die Hausbank hinaus zu haben, sei deshalb sinnvoll.

Plattformen für die Crowdfinanzierung

Es gibt sehr viele verschiedene Plattformen, die sich auf unterschiedliche Branchen oder auch Regionen spezialisiert haben - eine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit

  1. Kickstarter.com weltweit, vor allem für kreative Projekte, wie etwa Filmfinanzierungen oder Bücher

  2. Indiegogo.com (weltweit, Finanzierung von Innovationen).

  3. Invesdor.de ehemals Kapilendo, Investments ab 250 Euro, alle Unternehmen, Schwerpunkt Nachhaltigkeit

  4. Startnext.com bietet Schwarmfinanzierung für Kultur, Kreatives, Aktivismus, Soziale Unternehmen und Hilfsaktionen

  5. Experiment.com richtet sich an Crowdfunder, die wissenschaftliche Projekte finanzieren oder finanziert bekommen möchten.

  6. Crowdsupply ist für Unternehmer gedacht die für ungewöhnliche und innovative Produkte eine Finanzierung suchen.

  7. Bei Startengine.com (vormals Seedinvest.com) geht es vor allem darum, Wachstumssprünge und Start-ups zu finanzieren, aber auch Vorhaben etablierter Unternehmen.

  8. Crowdcube.com ist für Gleichgesinnte gedacht. Wer eine Kampagne startet, versucht Freunde, Familie, Bekannte, Fans, Kunden, etc. in Investoren zu verwandeln. Gemeinsam soll das Projektziel erreicht werden.