Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 35. Folge VOB: Sauber dokumentierte Bau-Behinderungen sichern Ansprüche und schützen vor Haftung

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Auftragsabwicklung, Baurecht, Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe und Vergaberecht

Zwischen Vergabe und Abnahme passieren viele Dinge auf einer Baustelle, von denen selbst die Handwerker, die vor Ort sind, nichts ahnen. Aber weil sie seit Jahrzehnten gewohnt sind, dass es auf dem Bau chaotisch zugeht, ist keiner sensibilisiert darauf, Behinderungen systematisch zu erkennen und entsprechend zu melden – obwohl diese in eine handfeste Dokumentation gehören, um am Schluss sauber abrechnen und kassieren zu können. Es gibt genügend Gründe das zu ändern, findet VOB-Trainer Andreas Scheibe. Mehr dazu in der neuen Folge seiner Kolumne „Der professionelle Bauablauf“.

Kolumne „Professioneller Bauablauf“ Folge 35 von Andreas Scheibe
Chaotische Verhältnisse und Behinderungen sind mittlerweile Normalzustand auf Baustellen, findet VOB-Trainer Andreas Scheibe. - © Seventyfour - stock.adobe.com

Es mag draußen in der normalen Welt sicherlich so manchen Außenstehenden geben, der sich fragt, wie es immer wieder zu Chaosbaustellen kommen kann, die zeit- und kostentechnisch völlig aus dem Ruder laufen. Bauprojekte wie diese schaffen es zwar noch stolz mit dem offiziellen Spatenstich in die Zeitung, danach aber geht es meist nur noch den Bach runter. Und am Ende will es keiner gewesen sein. Nun, ich habe ein sehr schönes Beispiel, das einen guten Einblick in derartig chaotische Konstellationen gibt.

Planungen ohne Kompetenz

Wir stellen uns einen Rohrleitungsbauer vor, der im Auftrag seines öffentlichen Auftraggebers ein Außenrohr fertigen soll, welches mehrere Tonnen schwer ist. Hierfür benötigt er einen Metallbauer als Nachunternehmer, der ihm eine Unterkonstruktion für das gewaltige Rohr baut. Geplant wird diese ganze Aktion allerdings von einem Garten- und Landschaftsbauer, der in seinem Leben noch nie so etwas geplant hat, aber dem Metallbauer dennoch zusichert, dass dieser ruhig schon mal 16 Tonnen Stahl zu sich in die Halle bestellen kann – die Zeichnungen würden dann Stück für Stück eintrudeln. Zwischenstand der Geschichte: Der Metallbauer sitzt auf seinem sperrigen Stahl, der seinen Leuten den Platz zum Arbeiten raubt. Monatelang. Ohne weitere Infos oder Ergebnisse!

Bedenken und Behinderung anzeigen

Natürlich haben wir dem Metallbauer geholfen, sein Material und die vorgehaltenen Leute etc. abzurechnen. Schließlich war der Metallbauer nicht dumm: Er hat bei uns gelernt, Behinderung und Bedenken anzuzeigen und auch sonst alle Anweisungen sowie Einwände/Ideen der anderen Projektbeteiligten schriftlich zu sammeln, zu sortieren und zu dokumentieren. Genau so und nur so bekommt man problemlos Nachträge sowie Kosten beauftragt und eben auch erstattet.

Saubere, störungszentrierte Dokumentation

Was will ich damit sagen? Die deutsche Baubranche ist manchmal ein ziemlicher Dschungel. Und es kommen immer mehr Tiere dazu, die auch was vom großen Kuchen abhaben wollen. Oder wie würde sonst ein Gala-Bauer auf die Idee kommen, eine Stahlkonstruktion für Rohre planen zu wollen? Das Einzige, was uns sicher ans andere Ende des Durcheinanders und weiterhin zum Werkerfolg bringt, ist eine saubere und störungszentrierte Dokumentation. Daher gilt: Genau aufschreiben was wann und durch wen passiert ist – oder eben auch nicht!

Normalität statt Chaos

Eine störungszentrierte Dokumentation lernt man nicht einfach so von der Pike auf. Für einen Lehrling, Vorarbeiter, Meister und die ganzen anderen Baustellenakteure sind Baustellen lediglich Baustellen. Da geht was schief, dort dauert was oder es wird einfach etwas geändert. So läuft es nun mal! Jemand, der sein Berufsleben auf gängigen Baustellen verbracht hat, sieht in alldem kein Chaos, sondern schlichtweg Normalität.

Daher muss ein solcher Baustellenbeteiligter erst neu lernen, was genau eine Behinderung oder eine Erschwernis ist. Erst, wenn er diese erkennt, kann er sie auch dokumentieren und entsprechend dem Büro melden. Und zwar so, dass ein Anwalt oder ein Richter im schlimmsten Fall ganz easy nachvollziehen können, wie es überhaupt zu einem Stillstand (oder ähnlichen Formen wie "Start-Stopp" oder "Slowdown") und damit zu Nachträgen kommen konnte.

Behinderungen gibt es viele

Was sind also Behinderungen? Wie hängen sie zusammen mit Vergütungen? Nehmen wir das Beispiel „Fehlende Vorleistung eines anderen Gewerks“. Hierbei handelt es sich um eine klare Behinderung. Ein Handwerker kann dann natürlich nicht einfach arbeiten wie er möchte und wie es eigentlich geplant war. Aber viele erkennen diesen Umstand nicht zwingend als Behinderung, sondern eben als normalen Baustellenzustand. Und schon fängt das "Gewurschtel" an: "Gewurschtel" auf der Baustelle, "Gewurschtel" im Büro. Hier geht es um Themen wie Soll- und Ist-Baustelle. Aber auch darum wie die richtigen Infos von der Baustelle ins Büro gelangen.

Die gleiche Problematik gilt bei Transportwegen, Materiallagerplätzen oder der Koordination mit anderen Gewerken, die nun mal auch ganz schön im Weg stehen können. Es gibt so viele mögliche Behinderungen, die dokumentiert werden müssen, wenn man später beim Bauherren aufzeigen will, warum es zu Verzögerungen im Ablauf kam. Der schwarze Peter soll nicht bei uns liegen, wenn wir ihn nicht verschuldet haben. Also Learning Nummer eins: Behinderungen bedeuten Sicherung von Ansprüchen und damit mehr Geld!

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf.de