Auftragsabwicklung, Baurecht und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe
Der Handwerker schreibt eine Behinderungsanzeige, wenn er sich in seiner Ausführung behindert glaubt. Mit ihr ist der Verhandlungsrucksack zwar grundsätzlich gut gepackt, andererseits ist es auch Pflicht den Auftraggeber/Bauherrn über den Stand des Baufortschritts in Kenntnis zu setzen. Insbesondere für geltende Ansprüche wie Schadenersatz ist daher eine lückenlose Dokumentation unerlässlich. Welche monetären Vorteile eine Behinderungsanzeige tatsächlich für Handwerkerinnen und Handwerker haben kann, verrät Kolumnist Andreas Scheibe in der zehnten Folge von „Professioneller Bauablauf“.

Wir wissen bereits: Behinderungsanzeigen haben eine Informations-, Schutz- und Warnfunktion. Sie dienen dazu dem Auftraggeber (AG), der ja immerhin am Ende für sämtliche Kosten aufkommt, Bescheid zu geben, wie der Bauprozess vonstatten geht. Sobald also etwas nicht reibungslos verläuft, sollten Sie ein Schreiben aufsetzen und es dem AG schicken. Und wenn die Behinderung vorbei ist, melden Sie die Behinderung auch wieder ab. Standardprozess!
Mit Behinderungsanzeigen zu seinem Geld kommen
Jetzt heißt es sammeln, sammeln, sammeln! Füllen Sie Ihren Doku-Ordner mit diesen und anderen Schreiben. Parallel dazu erstellen Sie eine vollständige Fotodokumentation. Doch wie macht man daraus jetzt einen Vergütungsanspruch? Im Paragraf 6 VOB/B zu Behinderungen der Ausführung wird unter Absatz 6 erklärt, wie man aus Behinderungsanzeigen gewissermaßen Geld machen kann: „Sind die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten, so hat der andere Teil Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens… .“ Was nichts anderes als Schadenersatz bedeutet.
Schadenersatzansprüche seitens des Auftragnehmers (AN) kommen ausnahmslos nur bei einem Verschulden des Auftraggebers in Betracht. Zum Beispiel bei einer Verletzung der Mitwirkungspflicht. Voraussetzung ist allerdings, dass die entstandenen Mehrkosten tatsächlich auf die Verzögerung der Bauarbeiten und diese Verzögerungen wiederum auf die vom Auftraggeber zu vertretenden hindernden Umstände zurückzuführen sind.
Der Weg zum Schadenersatz ist mühsam, aber nicht unmöglich
Was muss der AN also tun, um Schadenersatz zu erhalten? Er muss die hindernden Umstände nachweisen und dass diese aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers stammen. Zudem wird eine Behinderungsanzeige benötigt oder alternativ eine Offenkundigkeit. Außerdem braucht es für die Schadenersatzforderung eine Aufstellung des entstandenen Schadens. Hier ein Beispiel: Der AN soll montieren, bestellt Material, kann aber nicht leisten (Verantwortungsbereich des AG). Entsprechend rechnet er das Baumaterial ab sowie die entgangenen Stunden der Monteure.
Wenn es zum Annahmeverzug kommt
Handwerker sind fast immer mit Fristen konfrontiert, die sich gern auch mal verschieben. Wenn es bei einem Bauprojekt zu einer solchen Verzögerung kommt, dann oftmals, weil ein Vorgewerk nicht rechtzeitig fertig wurde. In solch einem Fall greift dann das Thema Entschädigung. Nehmen wir also das BGB, das Bürgerliche Gesetzbuch, zur Hand, stoßen wir unter §642 auf unsere Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung. Wenn ihr eure Leistung hättet erbringen können und dies auch angezeigt habt, es aber dennoch nicht zu einer Ausführung kam, dann haben wir einen klassischen Fall von Annahmeverzug. Und dieser ist direkt mit der Entschädigung verbunden. Für den Nachweis braucht Ihr natürlich eine perfekt angelegte Dokumentation plus der entsprechenden Behinderungsanzeigen. Und an diesem Punkt schließt sich dann der Kreis.
Neben Nachweisen und Behinderungsanzeigen braucht es vor allem Mut
Auch wenn es nervt bei jeder Kleinigkeit, sprich bei jeder Bauablaufstörung, eine Behinderungsanzeige rauszuschicken, rettet das den Anspruch, wenn Sie sechs Monate auf den Baubeginn warten, wieder „Stop&Go“ haben und nicht auf die Baustelle dürfen, obwohl Sie die Arbeit eigentlich erbringen könnten. Um Forderungen schlussendlich durchzusetzen, benötigen Sie aber nicht nur lückenlose Nachweise, sondern auch genügend Mut die Forderung durchzuboxen. Und zwar auch in dem Fall, wenn ein Schreiben zurückkommt, in dem sinngemäß steht: „Alles Quatsch was Sie da wollen, Herr Handwerker. Von uns bekommen Sie in jedem Fall keinen Cent!“ Daher lautet mein Appell an Sie: Rechte kennen und dafür einstehen!
Über Autor Andreas Scheibe:

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!
Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.
„Stark im Handwerk“ – das Buch von Andreas Scheibe Im August 2021 ist das erste Buch „Stark im Handwerk“ von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die VOB voller Potenzial, aber auch Geld steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, „doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen“, erklärt Scheibe. „Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht!“ In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte eines Handwerkers als auch auf dessen Pflichten zu sprechen. Denn genau diese stehen so im Detail in der VOB. Diese ist jedoch kompliziert und daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Forderungen sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen und zu alter Stärke zurückfinden. stark-im-handwerk.de |