Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 19. Folge VOB: Baupannen häufen sich – Zeit für ein neues Nachtragsmanagement!

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Auftragsabwicklung, Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe und Risikomanagement

Der Baubranche geht’s aktuell nicht gut. Und das lässt sich auch an zahlreichen Beispielen belegen. Planer sind planlos, Bauherren kennen sich kaum aus und Handwerker sind mit der Gesamtsituation überfordert. Was es braucht, sind schnelle Lösungen. Und zwar welche, die in der Praxis funktionieren, ehe der Insolvenzverwalter eingeschaltet werden muss. Kolumnist Andreas Scheibe erklärt in einer neuen Folge von "Professioneller Bauablauf", zu welchen Problemen es derzeit auf Baustellen kommt und welche Lösungen es gibt.

Kolumnist Andreas Scheibe berichtet in der aktuellen Folge von "Professioneller Bauablauf" über die aktuellen Probleme auf Baustellen
Mangelnder Kenntnisstand, Planlosigkeit und Überforderung machen sich aktuell auf Baustellen breit. - © Robert Kneschke – stock.adobe.com

Täglich schellt mein Google Alert. Schon wieder schreibt eine Zeitung von einer Baupanne. Diesmal heißt es: In einem Hallenbad in Bayern gibt es jede Menge Pfützen im Keller, Rutschen, die in der Luft hängen, und Türen, die einfach nirgendwo hinführen. Peinliche Planungsfehler, die den Bauherren – oder auch Steuerzahler – schnell viele Millionen Euro kosten können. Und die Baustelle steht bereits.

In einem anderen Blatt liest man dagegen, dass angesichts der sowieso schon kaum mehr kalkulierbaren Baukosten und rasch steigenden Bauzinsen viele Bauherren komplett zurückziehen, Projekte einstellen oder sie gleich ganz streichen.

Wenn Verschiebungen und Kündigungen zur Normalität werden

Die Baubranche kränkelt. Aufträge sind weiterhin genügend vorhanden. Allerdings sollte sich der Handwerker bewusst darüber sein, dass zum Beispiel Verschiebungen des Starts als auch Kündigungen – egal von welcher Seite aus – mittlerweile leider ganz normal sind beim öffentlichen Bauen. Der Umgang mit derartigen Fällen muss wohl oder übel zu standardisierten Fähigkeiten eines Ausführenden gehören.

Gerade erst diese Woche habe ich wieder von einem Handwerker gehört, der praktisch ratlos ist. Sein Projekt steht seit einem Jahr still. Der Beginn des Ganzen ist noch nicht in Sicht, die Abnahme erst recht nicht und auch nicht, dass der Bauherr irgendwann zu bezahlen vermag. Ein „Bauchschmerz-Projekt“ also, das seitdem so mitgeschleppt wird, nur Ärger macht und vor allem kaum planbar ist. So kurz vorm Jahresende schaut so ein Fall, von dem viele andere Handwerker auch eines oder mehrere von haben, natürlich ganz schlecht in der Jahresbilanz aus.

Alles beginnt mit einer Verzögerung

Wie bekommt man da jetzt die Kurve? Spielen wir das Ganze noch einmal kurz durch: Das Projekt startet also nicht pünktlich zu Vertragsbeginn. In der Regel wird es dann einfach um die jeweilige Dauer der Beginnverschiebung nach hinten verschoben. Denn ganz klar, die Handwerker sollen gleichbleibend lange Zeit haben, um das Projekt umzusetzen – so wie eben ursprünglich geplant! Die Arbeit braucht ja deswegen nicht weniger Zeit. Will der Auftraggeber allerdings trotz Verspätung zum geplanten Fristende fertig sein, um das Flatterband durchzuschneiden, so ist eine Beschleunigung grundsätzlich schon möglich. Anbieten, verhandeln, durchziehen. Das ist ein kooperativer Lösungsweg für beide Seiten.

Der Paragraph, dein Freund und Helfer

Eine weitere Lösung für eine Beginnverschiebung, im Übrigen auch Annahmeverzug genannt, ist die Entschädigung nach Paragraph 642 BGB. Und keine Angst vor Paragraphen, ein Handwerker muss diese nicht alle beherrschen. Es kann aber durchaus helfen, sie mit in eine Forderung einzubinden. Zusätzlich kann mit Hilfe des Paragraphen 280 BGB auch Schadenersatz mit angebracht werden. Das funktioniert genauso gut und ist dabei meist noch lukrativ.

Wenn das nicht hilft, dann ist die Kündigung eine weitere faire Möglichkeit ein Projekt zu beenden. Ein Bauherr versteht nämlich sehr gut, wenn ein Handwerker ihm schreibt, dass die aktuelle Situation für niemanden gewinnbringend ist und daher eine der Optionen die Kündigung ist. Es geht bei solchen Kündigungen natürlich nicht darum, dem anderen einen vor den Latz zu knallen. Nein, es geht um den Abschluss und das finale Ergebnis. Auch der Bauherr soll immer die Möglichkeit haben entsprechend reagieren zu können. Vielleicht sieht auch er ein, dass das Projekt in der aktuellen Situation so nicht sinnvoll weitergeführt werden kann.

Es geht nicht um Flucht, sondern ums Weiterkommen

Der Schlüssel für ein solch schwieriges Projekt ist aber immer der richtige (professionelle) Ton. Entschädigungsnachträge sind kaum verständlich für Bauherren oder Planer. Sie müssen also erklärt werden und zwar auf Augenhöhe. Ebenso muss auch die Kündigung richtig kommuniziert werden. Es geht nämlich nicht um Flucht, sondern um ein Weiterkommen mitten im Stillstand. Was ich persönlich gelernt habe und auch anderen versuche so beizubringen, ist, dass ein gut aufgebauter Nachtrag, wenn er mit den richtigen Worten kommuniziert wird, immer zum Erfolg führt. Und neben einer bezahlten Abrechnung ist einer der größten Erfolge, dass man trotz Kündigung fürs nächste Projekt angefragt wird.

Ist das möglich? Ja, auf jeden Fall! Weil das Gegenüber meist schnell merkt, ob sie es mit einem Profi zu tun haben oder mit jemandem, den man über mehrere Monate hinweg kommentarlos sitzen lassen kann. Ganz nach dem Motto: „Das lösen wir schon irgendwie auf der Baustelle.“. Aber wie wollen Sie als Projektpartner wahrgenommen und bezahlt werden? Na klar, professionell und fair natürlich!

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de