Auftragsabwicklung, Baurecht, Baustoffe und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe
Die Baubranche steht unter Druck: Fachkräftemangel ist das eine Joch, Corona das nächste. Die Preissteigerungen, die der Ukraine-Krieg jedoch derzeit mit sich bringt, sind aber die eine Schippe zu viel für zahlreiche Handwerksfirmen. Teuerungen von 20 bis 30 Prozent sind keine Seltenheit mehr. Wie das Ganze jetzt auffangen oder weitergeben? Eine große Frage, für die Kolumnist Andreas Scheibe gleich drei Lösungen parat hat – und zwar in einer neuen Folge von „Professioneller Bauablauf“.

Zu allererst sollten Handwerker verstehen, dass sie nicht gezwungen sind, die Kostensteigerung allein zu stemmen. Es gibt Möglichkeiten solche mitunter existenzbedrohenden Preissteigerungen gegenüber dem Auftraggeber durchzuboxen. Nur leider finden wir dazu keinen direkten Lösungsansatz in unserer Lieblingslektüre, der VOB. Daher müssen wir die Sache anders betrachten. Und zwar wie folgt: Es gibt 3 Methoden Preissteigerungen aufzufangen.
1. Annahmeverzug herstellen, Schadenersatzforderung sicherstellen
Wir haben einen Vertrag mit einem offiziellen Termin für den Baubeginn, der allerdings so nicht eingehalten werden kann, obwohl der Handwerker leistungsbereit wäre. Der Rohbau ist demnach nicht fertig, die Ausführungspläne liegen nicht vollständig und mangelfrei vor, etc. Ein wichtiger erster Schritt in so einer Situation ist es eine Behinderungsanzeige und Anzeige zur Leistungsbereitschaft nach Vorgaben der Rechtsprechung an den Bauherrn zu schicken. Jetzt haben wir einen sogenannten Annahmeverzug hergestellt, der uns im späteren Verlauf eine Schadenersatzforderung sicherstellt. Denn: Auf Grund, dass der Ausführende jetzt nicht anfangen, also bestellen kann, entsteht ihm durch die folgenden Preissteigerungen ein Schaden. Später bestellen bedeutet in diesem Fall einen höheren Einkaufspreis. Wie man das alles nachweist und durchsetzt, ist die hohe Kunst des Nachtrag-Managements, die gar nicht mal so schwer zu erlernen ist.
2. Unterbrechungen zur Anzeige bringen
Die Arbeiten müssen unterbrochen werden, weil zum Beispiel ein Vorgewerk kein Material mehr geliefert bekommt oder ganz einfach nicht schnell genug ist. Auch diese Unterbrechung muss entsprechend von uns angezeigt werden. Nun gilt dasselbe wie im ersten Fall: Wenn man jetzt bestellen müsste, aber nicht kann, sondern verschieben muss und dann die Preissteigerung dazwischenfunkt, kann man diesen Schaden entsprechend geltend machen.
3. Anzeige am Stichtag des formalen Vertragsendes stellen
Ein ebenfalls sehr häufiges Muster von Baustellen ist, dass sie nicht rechtzeitig fertig werden. Will heißen, es wird noch nach Vertragsende „herumgebaut“. Was ist in diesem Fall zu tun? Wieder gilt es eine Anzeige zu stellen und zwar am Stichtag des formalen Vertragsendes. Wenn der Handwerker genau jetzt ein Aufmaß macht, kann er Leistungen ganz klar abgrenzen. So lässt sich ein Restauftragsvolumen in Einheitspreisen erkennen. Und da hätten wir es wieder: Erneut können Sie nicht nach Vertragszeitraum bestellen und haben dadurch denselben Anspruch auf Schadenersatz. Grundsätzlich gilt: Wenn sich der Vertrag also das Bausoll verändert, stehen uns auch neue Preise zu.
Sonderfall: Wegfall der Geschäftsgrundlage
Neben den oben genannten Fällen gibt es außerdem noch den Sonderfall des sogenannten Wegfalls der Geschäftsgrundlage, der ebenfalls als valides Werkzeug zum Auffangen von Preissteigerungen dient. Und das Schöne bei den genannten Möglichkeiten ist, dass sie auch ohne Rechtsbeistand funktionieren. Alles was Handwerker brauchen, sind die richtigen Vorlagen bzw. Unterlagen und einen geschärften Blick für Ihre tatsächlichen Probleme sowie die dazugehörigen Lösungen. Infos dazu finden Sie auch unter continu-ing.com
Über Autor Andreas Scheibe:

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!
Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.
„Stark im Handwerk“ – das Buch von Andreas Scheibe Im August 2021 ist das erste Buch „Stark im Handwerk“ von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die VOB voller Potenzial, aber auch Geld steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, „doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen“, erklärt Scheibe. „Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht!“ In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte eines Handwerkers als auch auf dessen Pflichten zu sprechen. Denn genau diese stehen so im Detail in der VOB. Diese ist jedoch kompliziert und daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Forderungen sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen und zu alter Stärke zurückfinden. stark-im-handwerk.de |