Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 17. Folge VOB: Warum Konflikte und Emotionen zum professionellen Bauablauf dazugehören

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Auftragsabwicklung, Baurecht und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe

Es kann schon mal heiß hergehen auf der Baustelle. Erst recht, wenn eine Frist droht abzulaufen und der Baufortschritt nicht entsprechend erreicht ist. Da wird’s schon mal ruppig, unfreundlich, unfair. Ebenso, wenn es um Rechte und Pflichten geht! Alle haben ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die gern mal ignoriert, weggedrängt und nicht selten auch mit Unverschämtheiten garniert werden. Nun gilt es den professionellen Bauablauf klar und ruhig durchzuziehen, was allerdings nicht bedeutet, dass Handwerker sich alles gefallen lassen müssen. Emotionen sind erlaubt, mitunter auch nötig, erklärt Kolumnist Andreas Scheibe in der 17. Folge.

Kolumnist Andreas Scheibe erklärt in einer neuen Folge "Professioneller Bauablauf" warum Emotionen auf der Baustelle wichtig sind
Auch Emotionen gehören auf eine Baustelle: In der 17. Folge von „Professioneller Bauablauf“ erklärt Kolumnist Andreas Scheibe, warum es okay, aber vor allem auch wichtig ist, sich als Handwerker nicht alles gefallen zu lassen. - © Csaba Deli – stock.adobe.com

Ich kenne Projektleiter, die brillant sind im Umgang mit der VOB, mit Plänen, mit Baukoordination, als auch mit Theorie und Praxis des Bauablaufs. Sie wissen was sie und Ihre Kolonnen auf den Baustellen benötigen, um reibungslos arbeiten zu können. Allerdings fehlt vielen von ihnen eine ganz bestimmte Fähigkeit: Sie bäumen sich nur ungern gegenüber dem Auftraggeber/Planer/Architekten auf, wenn der sich mal wieder querstellt und denn Ablauf auf der Baustelle mit seiner Ignoranz oder auch Arroganz massiv torpediert. Ab und zu kommt es dann zu dem Moment, an dem es gilt sich zu behaupten und die Rechte, die man so gut aus der VOB und dem BGB kennt, auch durchzufechten. Ebenso sollte man bei Verhandlungen seine Forderungen verteidigen und begründen können, selbst wenn die anderen zu fünft sind und nur hämisch lächeln. Meist lächeln diese nur so hämisch, weil sie denken, sie seien im Recht. Sind sie aber oftmals nicht, denn nicht alle Dinge laufen richtig, nur weil man sie 40 Jahre lang stringent so durchgezogen hat.

Emotionen machen Standpunkt klar

Wenn sich das Gegenüber respektlos oder störrisch verhältund damit den Bauablauf nicht gerade fördert, sondern vielmehr mit seinem Dickschädel oder seiner Faulheit verlangsamt, dann muss der Handwerker eines tun: Dampf machen. So sind Ämter meines Erachtens nach nicht unbedingt die arbeitsfreudigsten Institutionen. Emotionen sind dann und wann also ein gutes Mittel, um einen Standpunkt klarzumachen und auch mal Frechheiten zu unterbinden. Denn das universelle Prinzip der Augenhöhe, das ich immer wieder unterstreichen möchte, ist nur gewährleistet, wenn sich keiner über den anderen stellt und auch niemand in den Dreck gezogen wird.

Ein Konflikt, der sich allmählich aufbaut

Nehmen wir an, der Projektleiter – nennen wir ihn Tobias – fordert alle notwendigen, ausführungsreifen, von den zuständigen Behörden bereits genehmigten und durch den Auftraggeber freigegebenen Planungs- und Ausführungsunterlagen in Anlehnung der VDI 6026. Aber alles, was wochenlang ins Haus flattert, sind lediglich Grundrisse. Zudem gängelt das Planungsbüro Tobias wiederholt mit einem gewissen Unterton: Er könne doch bereits anfangen, denn es sei ja klar, was er zu tun habe. Und ja, sicherlich weiß Tobias was der AG grundsätzlich verlangt, dennoch würde dem erfahrenen Projektleiter niemals in den Sinn kommen, einfach sein Team auf die Baustelle zu schicken, um dann völlig bedenken- und planlos loszulegen. Stattdessen hält er seine Forderung nach guten Planunterlagen aufrecht, genau wie auch die dazugehörige Behinderungsanzeige. Der Planer wird ungehaltener und motzt Tobias am Telefon deutlich an. Jetzt hat auch Tobias langsam die Nase voll – zu Recht! Ihm geht es um Haftungsrisiken, die er eingeht, würde er das Ganze nach jenen schlechten Unterlagen umsetzen: Stichwort technische Prüfpflicht. Dem Planer wiederum geht es möglicherweise nur darum, seine Arbeit auf ein gewisses Maß zu reduzieren – aus welchen Gründen auch immer.

Konfrontationen, die außerhalb der Komfortzone liegen

Blöd nur, dass Tobias ein echt lieber Kerl ist. Konfrontationen liegen außerhalb seiner Komfortzone. In diesem Fall ist er allerdings gezwungen in die Konfrontation zu gehen. Wie soll das nur funktionieren? Nun: Tobias kann das lernen. Zwar nicht von heute auf morgen, doch ein besserer Umgang mit einem Konflikt dieser Art ist definitiv möglich. Idealerweise holt sich Tobias hierfür die Unterstützung durch einen professionellen Mentor an die Seite, der ihm zeigt, wie man Emotionen mit Sachlichkeit und Professionalität in Einklang bringt. Oder aber man schickt jemand anderen vor, der die Situation dann für einen klärt. Ich denke hierbei an unterschiedliche Persönlichkeitstypen, denn nicht jeder Charakter beherrscht alles. Zweifelsohne ist Tobias keine Dampframme, die Forderungen und Rechte problemlos durchsetzt. Er ist der Zahlenmann oder Stratege im Team. Andere wiederum sind unermüdliche Motivatoren und Visionäre. Es gibt natürlich noch viele andere Typen mit ihren entsprechenden Talenten und Stärken.

Jedes Teammitglied hat seine Fähigkeit(en)

Eine weitere Lösung wäre es, eine Person im Team von Tobias zu finden, die von ihrem Charakter so gestrickt ist, dass sie Konfrontationen nicht scheut, sondern gerechtfertigte Forderungen mit Sinn für die eigene Firma durchboxt. Und wenn es die Situation verlangt, dabei auch mal lautstark wird. Aber natürlich auch nur, wenn sich die Gegenseite als frech oder sogar bösartig erweist. Solche Teams sind gute Teams, wenn jeder eine andere wertvolle Befähigung mitbringt. Tobias muss nicht alles können, er muss nur wissen wie er die vorhandenen Ressourcen richtig einsetzt. Und Menschen sind mitunter die besten Ressourcen. Es offenbarte sich, dass der Abteilungsleiter von Tobias ein standhafter „Durchsetzer“ ist, der gemeinsam mit ihm in Verhandlungen agieren kann. Ebenso furchtlos hält dieser die Forderung nach den unvollständigen Planunterlagen aufrecht – und das am Ende mit positivem Ergebnis!

Emotionen gestatten versus Einhalt gebieten

Ab und zu muss auf den Tisch gehauen werden. Gerade wenn Grenzen überschritten werden, muss auch ganz klar zurückgedrängt werden. Denn das gehört meiner Meinung nach zu den wichtigen zwischenmenschlichen Grundkenntnissen. Lasst euch also nicht alles gefallen, denn ihr müsst nicht alle Unverschämtheiten und Aggressionen von anderen Projektbeteiligten einstecken und still schlucken. Kämpft für euer Recht, kämpft für eure Firma und kämpft für euer Projekt. Es gibt genügend Mister Planlos, Mister Chaos oder auch Mister „Ihr seid bloß die Handwerker, tut was man euch sagt“. Zeit, diesen Querulanten Einhalt zu gebieten.

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de