Auftragsabwicklung, Baurecht, Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe und Vergaberecht
Handwerker machen, sie bauen, sind kreativ, nutzen ihr Hirn und ihre Hände und vollbringen Großes. Aber mit dem Stift gehen sie oftmals ungern um, mit rechtlichen Themen befassen sie sich häufig noch weniger. Dass man vor VOB-Verträgen keine Angst haben muss, lesen Sie in der ersten Folge meiner neuen Kolumne "Professioneller Bauablauf".

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Auftragsbestätigung Bauvorhaben VOB(PDF, 213,63 kB)
Sind Handwerker ignorant, idiotisch oder sogar beides? Das frage ich mich schon manchmal bei der Betrachtung des Status quo in unserer Branche. Wenn sich der Bauherr eine Änderung wünscht, was machen dann die meisten Handwerker? Am Telefon eine fixe Zusage und dann fröhlich ab auf die Baustelle! Immer nach dem Motto: Der Auftraggeber hat das Sagen, etwas anderes kann quasi gar nicht stimmen. Ohne etwas Schriftliches, ohne Vertrag in der Hand. Was dann am Ende bezahlt wird und ob, das ist erst einmal nicht wichtig. Hauptsache es geht voran.
Dabei wäre es doch ein Leichtes, einen Zweizeiler aufzusetzen, diesen kurz einzusenden und absegnen zu lassen! Nach Beauftragung kann der Handwerker dann immer noch fröhlich auf die Baustelle düsen. Mit dem Unterschied, dass er nun genau weiß, was er alles abrechnen kann und dass der Auftraggeber auch sicher zahlen wird, weil man schließlich einen gemeinsamen Änderungsvertrag im BGB-Rahmen geschlossen hat.
Die VOB wird in der Praxis von den meisten nicht angewandt
Bei öffentlichen Aufträgen und VOB-Verträgen sieht es ähnlich aus, wenn auch auf einem anderen Level. Da gibt’s dann viele Paragrafen, die vor allem zur Sicherheit für die Handwerker geschrieben wurden. Nur leider wird die VOB in der Praxis bei den meisten nicht angewandt. Kapiert ja auch keiner, was da drin steht. Man will sich als Handwerker schließlich nicht mit Rechtstexten herumschlagen. Vielleicht gab's dazu mal ein Semester auf der Uni, eine Tagesschulung oder einen Rat vom Anwalt. Alles Theorie – immer wurde nur vorgelesen. Aber was heißt das denn alles praktisch? Was bedeutet die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) im handwerklichen Alltag?
Die 3 VOB-Teile A, B und C kurz erklärt
Stellen wir uns dafür eine Maschine vor, der man vorne die große, schwere, staubige VOB hineinschiebt und hinten kommen dann viele kleine, wohlschmeckende, gut klingende und geldbringende Häppchen heraus. Wie würden diese Häppchen aussehen? Die VOB besteht aus den drei Teilen A, B und C. Hier eine kurze Erklärung:
- VOB/A: In Teil A geht’s um Ausschreibungsregeln. Dieser Teil definiert wie die Leistung des Handwerkers auszuschreiben ist, damit dieser einen seriösen Preis kalkulieren kann. Besonders Paragraf 7 ist dabei zu erwähnen, der besagt: "Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können." Im Klartext etwas flapsig formuliert: Selbst der größte Depp muss verstehen, was in der Ausschreibung steht.
- VOB/B: Die VOB/B ist quasi der Werkzeugkasten für das operative Geschäft. Hier sind alle Methoden beschrieben, die ein Handwerker braucht, um im professionellen Bauablauf bestehen zu können. Dabei sind vorrangig Behinderungsanzeigen oder technische Prüfungen von Ausführungsunterlagen (AFU) zu nennen. Auch steht da drin – und da hapert es schon bei den meisten – dass man als Handwerker die AFU überhaupt erst einmal anfordern muss, und auch, wie das funktioniert. Aus diesen Punkten leiten sich Formschreiben und Prozesse ab, die dem Handwerker per se schon viel Sicherheit, Struktur und Klarheit geben, genauso aber auch den anderen Projektbeteiligten wie beispielsweise Planer oder Auftraggeber.
- VOB/C: Die VOB/C steckt voller Abrechnungseinheiten, die definieren wie Positionen in Leistungsverzeichnissen (LV) auszuschreiben sind. Zum Beispiel, dass Kernlochbohrungen nach Art und Maße getrennt werden müssen. Dort steht etwas von besonderen Leistungen und diese wiederum sind, wenn sie erforderlich werden, einzeln und separat zu beschreiben im LV.
"Nicht mehr das 'Handwerkerle', sondern der Sachverständige auf Augenhöhe"
Das klingt immer noch alles ein wenig dröge, aber nur weil wir noch keine Praxisbeispiele hierzu geliefert haben. Die kommen noch in den folgenden Ausgaben – Handwerker-Ehrenwort. Und ja, die VOB in den Alltag einzubauen mit all Ihren Vorteilen und kleinen Hintertürchen bringt Schwung in den gesamten Bauablauf, sodass man als Handwerker möglicherweise wieder dieses irrwitzige, längst vergessene Gefühl spürt, dass man vielleicht mal am Anfang seiner Karriere gespürt hat: Spaß an der Arbeit! Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass aus dem Status quo (Sie erinnern sich? Stichwort Ignoranz und Idiotie) ein neuer Standard werden könnte und Veränderung bedeutet auch Reibungsenergie. Eigene Rechte zu erkennen und wie ein Werkzeug anzuwenden, heißt auch, den anderen klarzumachen, dass man eben nicht mehr länger das kleine "Handwerkerle" ist, sondern der Sachverständige, der auf Augenhöhe mit den anderen kommuniziert. Das ist ein Prozess – für alle.
Mehr dazu in den nächsten Folgen der Kolumne, wenn wir weiter und weiter aufdröseln, was die Rechtsprechung Spannendes und Lukratives für Handwerker bereithält und welche großartigen Chancen sich daraus ergeben.
Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen deutschen Firmen gearbeitet und den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel "Schweiß und Blut", aber auch viel Geld. Daraus entstanden die Ideen des professionellen Bauablaufs, als Gegenbild zum gestörten Bauablauf. Mit der Continu-ING GmbH ( lücken-im-lv.de ) verfolgt Andreas Scheibe heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und vor allem auch auskömmlich vergütet werden. Schluss mit dem "Sozialhandwerker", der alle Leistung einfach mitmacht, weil er sich nicht zu wehren weiß und am Ende auf den Kosten sitzen bleibt. Der Handwerker muss aufhören, Getriebener zu sein und selbst aktiver Projekttreiber werden. Jeder Handwerker soll die Sicherheit haben: Was sind meine Rechte und auch meine Pflichten – und wie sieht es mit den Pflichten der anderen aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Und wie schaffe ich es, nicht mehr das letzte, missachtete Glied im Bauablauf zu sein, sondern auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber zu kommunizieren? Dieser Lernprozess eröffnet neue Sichtfelder für Handwerker. Andreas Scheibe erklärt, wie Handwerksunternehmer den Prozess anstoßen und gestalten.
"Stark im Handerk" – das Buch von Andreas Scheibe Im August 2021 ist es so weit: Dann erscheint das erste Buch von Andreas Scheibe. Der Titel: "Stark im Handwerk". Darin beweist der Experte, dass die VOB voller Potenzial und auch Geld steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, das Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros vom Handwerker haben, oftmals kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und sie wissen technisch bestens Bescheid. "Doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen", erklärt Scheibe. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht!" Genau in diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch auf die Rechte eines Handwerkers und auch auf seine Pflichten zu sprechen. Denn genau diese stehen im Detail in der VOB. Die ist jedoch kompliziert und unbeliebt. Zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe macht Lust auf das Projektgeschäft, auf das Durchsetzen von Rechten und Forderungen und den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen und zu alter Stärke finden. |