Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 26. Folge VOB: Das Handwerk – wegen Behinderungsanzeigen Querulanten? So kommen Bauherren und Planer aus ihrer Bubble

Zugehörige Themenseiten:
Auftragsabwicklung, Baurecht und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe

Dokumentation scheidet die Geister. Eine Behinderungsanzeige seitens des Handwerkers zum Beispiel kommt leider viel zu oft völlig falsch an beim Auftraggeber. Anstatt kooperativ für Klarheit zu sorgen und sachlich auf Inhalte einzugehen, gibt’s als erstes Unverständnis, auf welches Ablehnung folgt. „Was will der denn jetzt? Wir sitzen doch alle im selben Boot. Warum schießt der jetzt gegen uns?“, scheint der Tenor zu lauten. Und genau das verursacht Wallung innerhalb der Geschäftsbeziehung. Das grundlegende Problem ist jedoch, dass es unterschiedliche Wahrnehmungsbereiche ("Bubbles") gibt, und wie so oft: Informationsmangel. Kolumnist Andreas Scheibe erklärt, was es jetzt zu tun gilt.

In der 26. Folge von „Professioneller Bauablauf“ schreibt Kolumnist Andreas Scheibe darüber, wie schnell der Handwerker als Querulant dasteht und wie sich unterschiedliche Wahrnehmungen während eines Projekts klären lassen
Unterschiedliche Wahrnehmungen führen bei Bauprojekten häufig dazu, dass der Handwerker am Ende als Querulant dasteht. - © Sidekick – stock.adobe.com

Stellen wir uns einmal folgendes Szenario vor: Ein Bauherr hat eine gute Idee, denn er will unbedingt seine Stadt weiterbringen und dafür eine Lücke in der Versorgung schließen. Und zwar zum Beispiel durch eine neue Kita. Sie soll alles haben, was es braucht, um Kinder optimal zu behüten und Eltern partnerschaftlich zu unterstützen. Also holt er sich einen Architekten sowie ein Planungsteam an die Seite, die diese Idee modern und würdig umsetzen – idealerweise innerhalb des Kosten- und Zeitrahmens. Die Verantwortung geht (vermeintlich) zum Planer über. Dieser setzt die Gedanken und Wünsche des Bauherren nach bestem Wissen und Gewissen (soweit ihm die entsprechenden Informationen vorliegen) um.

Bis zu diesem Punkt haben im Idealfall alle Beteiligten mit Altruismus und Optimismus gehandelt, zielgerichtet den Werkerfolg im Blick. Im nächsten Schritt wird ein fähiger Handwerksbetrieb gesucht und auch gefunden – es kann also losgehen! Und schon hagelt es Bedenken- und Behinderungsanzeigen. Zugegeben, das wirkt natürlich erst einmal seltsam. Erst recht, wenn man glaubt, man selbst habe bisher alles tadellos vorbereitet als auch übergeben. Aber plötzlich macht eben der Handwerker vermeintlich Ärger und die Planung soll fehlerhaft sein.

Das Handwerk in der Rolle eines Querulanten?

Das ist die eine Bubble, also Bauherr und Planungsteam auf der einen Seite. Gemeinsam wollen sie die Welt zum Besseren wenden. Und dann wäre da die andere Bubble, in der – so nehmen es Auftraggeber und Planer jedenfalls wahr – dieser Querulant, der Handwerker, sitzt und ziemlich aufmüpfig wird. Planer und Auftraggeber schauen nach drüben in die andere Bubble und sehen lediglich einen arbeitsfaulen Ausredenfinder und noch dazu dreisten Geldforderer, der miese Stimmung aus seiner Bubble heraus macht. Aber: Wie sieht es in der Bubble des Handwerkers überhaupt aus?

Bessere Sicht dank Behinderungsanzeigen

Auch der Handwerker freut sich aufs Projekt, auch er hat Lust Teil eines guten, würdigen kommunalen Auftrags zu sein, der die Welt ein wenig besser macht und – ja natürlich – auch die Kasse ein wenig auffüllt, samt guter Referenz. Also fordert er sich die Ausführungsunterlagen vom Planungsbüro an, um zu sehen was er alles disponieren muss und macht sich an die Montageplanung. Und schon ziehen Regenwolken in der Bubble des Handwerkers auf. Die Sicht wird schlecht, denn da sind ein Haufen Ungereimtheiten, die nicht ausführbar sind: Kabel in Glaswänden, Fenster, die sich gegenseitig blockieren, Stromversorgungsprobleme, fehlende Koordination mit den anderen Gewerken und so weiter.

Um sich wieder bessere Sicht zu verschaffen, formuliert der Handwerker Bedenken- und Behinderungsanzeigen, in denen er ganz sachlich und sauber aufführt, was die Herausforderungen sind und schickt diese dann an den Auftraggeber mit der Bitte um Aufklärung. Auf diese Weise soll es zügig weitergehen, denn der Handwerker hat schließlich Bock zu handwerken – idealerweise störungsfrei – und Geld zu verdienen.

Gegenseitiges Verständnis

Was können wir an dieser Stelle tun? Eine jede Bubble sollte sich mit der Wahrheit und der Realität messen. Was bedeutet das genau? Ein Bauherr muss (und das nicht nur, weil auch er Pflichten hat laut VOB) sich mit dem Handwerker auf Augenhöhe treffen und kooperieren. Nur so kann es fair und ruckelfrei weitergehen! Erst, wenn ein Bauherr erkennt, wie es in der Bubble des Handwerkers aussieht, kann er erkennen, dass es für diesen nicht reicht nur schicke und schöne Zeichnungen zu haben.

Und auch ein Handwerker muss erkennen, auf welchem Pfad der Bauherr und das Planungsteam sind. Möglicherweise weiß der Bauherr (und das ist erschreckend oft der Fall) gar nicht, was er liefern muss, um das Projekt in trockene Tücher zu bringen. Und oft genug kann auch das Planungsteam nicht leisten was es soll (in Anbetracht der Vorgabe VDI 6026 zum Beispiel). Mitarbeitermangel, Wissensmangel und Zeitmangel sind alles Faktoren, die es auch dem Planer schwer machen. Auch er steht unter enormen Stress! Da erscheint so eine Behinderungsanzeige vom Handwerker natürlich extra unpassend. Und obendrein kommt der Bauherr ins Straucheln, weil er meint: „Ups, ich muss doch die Fristen einhalten wegen der Fördergelder!“

Und was nun?

Die VOB hat viele Regeln und Vorschläge, bei der Kommunikation gibt sie allerdings keine brauchbare Hilfe. Jemandem auf Augenhöhe und mit der nötigen Ruhe sowie Geduld zu begegnen, das ist eine rein menschliche Fähigkeit, die einem kaum einer beibringt. Wie wäre also das ideale Vorgehen? Der Handwerker muss aufklären, und zwar sachlich als auch professionell! Das Ziel muss es sein, am Schluss in einer gemeinsamen Bubble zu sitzen. Nur wenn offen erkennbar ist, wo und wie man einem Projekt am besten helfen kann, ist der Erfolg garantiert. Also reden Sie mit dem Auftraggeber, reden Sie auch mit dem Planer, seien Sie ein Projektteam, seien Sie überhaupt ein Team und keine missmutigen Feinde. Ich bin mir sicher, es wird sich lohnen!

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de