Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 24. Folge VOB: Bei mangelhaften Planungsunterlagen hilft oft nur noch ein Planungsnachtrag

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Auftragsabwicklung, Baurecht und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe

Erfolgreiche Bauprojekte bestehen aus den immer gleichen Komponenten: Vollständigen, rechtzeitig übergebenen und mangelfreien Planungsunterlagen, die dann vom Handwerksbetrieb im vereinbarten Zeitraum und zur vereinbarten Summe ausgeführt werden. Die VOB ist bei öffentlichen Aufträgen federführend. Jedoch gibt es bei den Planungsunterlagen häufig Mängel. Hier kann der Handwerker dem Auftraggeber schneller helfen als ein beauftragter Fachplaner. Das Stichwort heißt: Planungsnachtrag. Was sich dahinter verbirgt, verrät Kolumnist Andreas Scheibe in einer neuen Folge „Professioneller Bauablauf“.

Kolumnist Andreas Scheibe berichtet in der 24. Folge von "Professioneller Bauablauf", wann und wie Handwerker einen Planungsnachtrag initiieren sollten
In einigen Fällen sollten Handwerksbetriebe einen Planungsnachtrag initiieren. Was sich genau dahinter verbirgt erklärt Kolumnist Andreas Scheibe in der 24. Folge von "Professioneller Bauablauf". - © Prins Productions – stock.adobe.com

Wenn die Bedingungen von Paragraf 3 Abs.1 der VOB/B, also die Kriterien „rechtzeitig, vollständig und mangelfrei“ nicht erfüllt sind, steht ein Projekt sofort still. Klar: Ein Gebäude nach fehlerhaften Planungsunterlagen zu bauen und auszustatten, ist eine denkbar dumme Idee – das versteht sogar ein Kleinkind! Schafft es der Planer nicht, die geforderten Unterlagen nachzureichen, sodass es richtig und sicher losgehen kann, dann eröffnen sich verschiedene Möglichkeiten.

Naheliegend ist es hierbei die Behinderung anzumelden und zwar bis zur möglichen Kündigungsandrohung. Jedoch kann so etwas ewig dauern und zweitens wollen wir Handwerker ja viel lieber ausführen. Ein andere Möglichkeit ist es, Hilfe anzubieten und dann entsprechend abzurechnen.

Schritt 1: Behinderungsanzeige stellen

Der Handwerker schreibt nach VOB/B Paragraf 6 Absatz 1 eine Behinderungsanzeige an den Auftraggeber. Die Kommunikation sollte dabei vor allem lösungsorientiert sein und etwa folgendem Duktus entsprechen: Im Grunde könnten wir direkt loslegen, jedoch sind uns leider die Hände gebunden. Die Pläne nach denen wir bauen sollen, enthalten große Fehler, die wir so nicht verantworten können. Wenn es Ihrem Fachplaner nicht möglich ist, bieten wir gern unsere Unterstützung bezüglich der Planungsarbeiten an. Ein solches Angebot gilt natürlich nur, insofern der Handwerker das überhaupt stemmen kann.

Schritt 2: Geänderte Zusatzleistung hat Vergütungsfolge

Mittels Paragraf 2 Absatz 6 VOB/B bietet der Handwerker dem Auftraggeber im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen an. Dadurch erhält er Anspruch auf eine entsprechende Vergütung. Aber die Grundregel lautet hierbei selbstverständlich: Erst nach einer schriftlicher Beauftragung anfangen zu arbeiten!

Schritt 3: Haftungsfreistellung

Apropos Faustregel: Planung geht immer einher mit Haftung. Allerdings kann ein Handwerker schwer in die bisherigen Planungsphasen hineinblicken. In der Kommunikation mit dem Bauherren geht es dann um folgendes: Wir können höchstens Details planen und bitten daher um eine Haftungsfreistellung. Aus gutem Grund: Wir können nicht die komplette Verantwortung für die Planung übernehmen, sondern lediglich proaktiv und lösungsorientiert das Projekt zum Laufen bringen.

Schritt 4: Vergütung

Ist die Haftungsfreistellung dann erwirkt, geht’s ums Geld. Wonach werden Planungsleistungen kalkuliert? Es gibt die Möglichkeit nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu staffeln. Auch das Instrument Projektleiterstunden ist eine gute Lösung. Alternativ kann man auch eine Pauschalsumme auf das Angebot schreiben. Alles dies sind valide Wege.

Der Faktor Zeit

Warum ist es also so praktisch, wenn der Handwerker die Planungsleistung übernimmt (falls er es denn überhaupt kann)? Und zwar, weil damit der Faktor Zeit gesichert ist. Das Projekt steht nicht sonderlich lange still, was schlussendlich bedeutet, dass die Fristen vermutlich eingehalten werden können. Außerdem hat der Handwerker in den allermeisten Fällen die höchste fachliche Kompetenz und Erfahrung.

Planungsnachtrag, aber nur unter den richtigen Bedingungen

Ein Planungsnachtrag ist also immer eine gute Lösung für alle Beteiligten – allerdings nur unter den richtigen Bedingungen! Was im Einzelfall die beste Strategie ist, muss genau validiert werden. Projektgröße und -situation sind dabei entscheidende Faktoren.

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de