Die Vögel GmbH aus dem Allgäu landet mit ihren TikTok-Videos regelmäßig Millionenhits. Dahinter steckt aber mehr als nur Spielerei: Der Familienbetrieb nutzt Social Media gezielt zur Mitarbeitergewinnung – mit Authentizität, Humor und Strategie.

"Wenn ich nicht den Betrieb hätte, wäre ich wahrscheinlich im Marketing gelandet", sagt Martin Vögel, der gemeinsam mit seinem Vater Gerhard die Vögel GmbH in Missen-Wilhams führt. Der 32-Jährige ist Anlagenmechanikermeister und seit vier Jahren Geschäftsführer. Bald übernimmt er das Unternehmen vollständig – ein Weg, der sich für ihn lange abgezeichnet hat: "Meine Eltern haben nie Druck gemacht, aber der Gedanke war immer da, irgendwann mal den Betrieb zu übernehmen."
Was 1931 als Spenglereibetrieb von seinem Urgroßvater gegründet wurde, hat sich über drei Generationen hinweg zu einem modernen Familienunternehmen entwickelt, das heute das komplette Spektrum der Haustechnik abdeckt – von der Planung bis zum fertigen Haus. Seit 2001 gehört auch ein eigener Elektrobetrieb dazu, 2018 wurde neu gebaut. Der Betrieb ist gesund gewachsen, beschäftigt heute rund 30 Mitarbeitende – ein junges Team mit einem Altersdurchschnitt von 32 Jahren, aber auch erfahrenen Kräften, von denen die Jüngeren lernen können. Ambitionen hat Martin Vögel aber noch: "Ich muss jetzt kein Betrieb mit 60 Mitarbeitern führen, aber bisschen geht schon noch.“
Ausprobieren statt Abwarten
Bekannt ist die Vögel GmbH aber nicht nur für ihre Handwerksleistung, sondern mittlerweile weit über die Grenzen des Oberallgäus hinaus für ihren erfolgreichen Social-Media-Auftritt. Über 120.000 Follower auf TikTok, rund 18.000 auf Instagram und mehrere Dutzend Millionen Aufrufe sprechen für sich. Die Idee kam aus einem Unternehmer-Arbeitskreis. "Als das Thema Fachkräftemangel aufkam, habe ich gefragt: Was ist eigentlich mit TikTok? Die Reaktion: 'Da tanzt man doch nur.' Ich wollte zeigen, dass es trotzdem funktioniert." Es begann mit einem kurzen Clip beim Feierabendbier, der überraschend oft aufgerufen wurde. "Danach haben wir uns einfach ausprobiert", erzählt Vögel.
Entstanden ist eine Vielzahl an Videos, die das Handwerk mit viel Humor karikieren – manchmal mit Bezug zur Branche, manchmal einfach nur unterhaltsam. Die Themen reichen vom typischen Alltag auf der Baustelle bis hin zu Clips, in denen sich die Mitarbeiter selbst auf die Schippe nehmen. Auch der Chef bleibt nicht verschont: "Einen Shitstorm hatten wir mal, als wir Azubis auf die Schippe genommen haben. Am nächsten Tag habe ich mich dann selbst durch den Kakao gezogen – und schon waren die Wogen geglättet."
Content mit Konzept
Inzwischen steckt mehr Konzept dahinter. Viele Videos basieren auf einem groben Skript, es gibt Kooperationen mit Werbepartnern, und die Inhalte müssen geschnitten und aufbereitet werden. Für die Mitarbeitenden ist das ein Aufwand von ein bis zwei Stunden pro Woche – meist freitags am Nachmittag. Rund fünf Mitarbeitende machen regelmäßig mit – freiwillig, versteht sich. „Es würde nicht funktionieren, wenn ich irgendjemand dazu überreden müsste. Es macht eben auch immer noch Spaß“, sagt Vögel.
Gleichzeitig räumt er ein: "Natürlich gibt es mittlerweile auch eine gewisse Erwartungshaltung von der Community – die wollen wir nicht enttäuschen." Die Social-Media-Arbeit übernimmt Vögel größtenteils selbst – inklusive Videoschnitt. Für ihn bedeutet das dementsprechend etwas mehr Aufwand. Seit Kurzem unterstützt ihn daher eine Werkstudentin, künftig könnte daraus auch eine feste Stelle werden. "Mittlerweile könnte ich mir vorstellen, dafür eine Vollzeitstelle bereitzustellen."
TikTok im Handwerk: 5 Learnings aus dem Social-Media-Erfolg der Vögel GmbH
- Einfach mal starten!
Das erste Video der Vögel GmbH war ein spontaner Clip beim Feierabendbier. Es braucht keine Agentur oder Hochglanzproduktion. Ein Smartphone reicht – Authentizität zählt mehr als Perfektion. - Plane Zeit ein!
Mitarbeitende, die mitmachen wollen, investieren rund ein bis zwei Stunden wöchentlich – meist beim lockeren Dreh am Freitag. Die meiste Zeit fließt in Planung, Schnitt und Community-Management, das oft beim Chef selbst liegt. - Freiwillige vor!
Kein Zwang: Nur wer Lust hat, macht mit. Das sorgt für Spaß, Motivation und echte Identifikation mit dem Auftritt. Der kulturelle Effekt im Team ist nicht zu unterschätzen. - Eigenen Stil finden!
Bei Vögel funktioniert humorvoller Content – oft mit Selbstironie oder Branchen-Klischees. Andere Betriebe punkten eher mit Erklärvideos oder Einblicken in den Arbeitsalltag. Wichtig ist: Der Stil muss zur Firma und zum Team passen. - Top-Akquise-Tool!
Social Media ersetzt bei Vögel klassische Stellenanzeigen. Reichweite, Sichtbarkeit und Azubi-Gewinnung laufen über TikTok & Co. – oft effektiver als über etablierte Kanäle.
TikTok statt Karriereportal
Dass der Ansatz funktioniert, zeigt sich nicht nur an den Zahlen. Vögel wurde bereits als Redner gebucht, um Personalverantwortlichen großer Unternehmen zu erklären, wie ein kleiner Handwerksbetrieb mit authentischem Content größere Reichweiten erzielt als so manche professionelle Marketingabteilung. "Ich kümmere mich mittlerweile viel ums Marketing und kann da noch eine andere Facette von mir zeigen."
Aufmerksamkeit ist gefragt – vor allem im Wettbewerb um neue Fachkräfte. Was früher eine verwaiste Instagram-Seite war, ist heute ein strategisches Recruiting-Instrument. Die Social-Media-Präsenz hilft heute dabei, neue Mitarbeitende zu gewinnen, Kunden anzusprechen – und das Image des Betriebs und des Handwerks mit einem Augenzwinkern zu modernisieren. Und das alles nebenher: Der Anlagenmechanikermeister ist schließlich sehr gerne Geschäftsführer im Handwerk und eben nicht im Marketing gelandet.