Geldanlage mit Wikifolio und Co. Social Trading: Mit Zertifikaten auf die Depots der anderen setzen

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Verschiedene Plattformen bieten verschiedene Varianten an, um die Handelsstrategien von erfolgreichen Börseninvestoren zu übernehmen – Social Trading genannt. Eine dieser Plattform ist Wikifolio. Ihre Spezialität: börsengehandelte Zertifikate auf die erfolgreichsten Wikifolios (also die Depots) der Nutzer. Wie die Plattform funktioniert und worauf Anleger achten sollten.

Wer bei seinen Investment-Entscheidungen den Top-Performern folgt, kann vom Börsenwissen der anderen profitieren.
Wer bei seinen Investment-Entscheidungen den Top-Performern folgt, kann vom Börsenwissen der anderen profitieren. - © Lee John - stock-adobe.com

"Die Idee, Zertifikate auf die erfolgreichen Depots unserer Top-Trader zu bauen, war von Anfang an Teil der Geschäftsidee", erzählt Andreas Kern, Geschäftsführer, Gründer und Mitinhaber von Wikifolio. Was ihn beim Schritt in die Selbstständigkeit antrieb: "Ich wollte einem talentierten Privatanleger ermöglichen, ein eigenes Finanzprodukt zu kreieren", sagt er. Das ist damals ein ganz neuer Ansatz.

Und zweitens wollte er eine Plattform aufbauen, auf der ausschließlich die Leistung zählt – und auf der sich Anleger sicher sein dürfen, nicht das Produkt präsentiert zu bekommen, für das der Anbieter die höchste Provision kassiert. "Ich finde es schlimm, dass Bankberater immer noch Bankberater heißen, obwohl sie eindeutig eher Vertriebsmitarbeiter und provisionsgetrieben sind", sagt Kern. Da müsse das deutsche Gesetz noch angepasst werden. "In England unterscheidet man zwischen "independent" und "restricted" Finanzberatern, damit der Kunde weiß, mit wem er es zu tun hat.

Alles begann mit einer Erkenntnis

Denn tatsächlich war es ein Bankberater, dessen Fehlberatung den Anstoß für die Gründung von Wikifolio gab: 2008 möchte Andreas Kern seine eigenen Investments regeln und lässt sich von seiner Bank ausführlich beraten. Sein Bankberater empfiehlt ihm einen Volatility Basket. "Das Prinzip klang einfach", sagt Kern. "Wenn von 5 Aktien keine mehr als 20 Prozent schwankt, bekomme ich 20 Prozent in dem Jahr, sonst zahle ich 5 Prozent."

Mit Aktien hat der Mathematiker bis dahin wenig zu tun – aber rechnen kann er. Also schaut er sich die Zahlen der Wertpapiere im Volatility Basket an – zurück bis ins Jahr 1960. Dabei stellt er fest, dass seitdem in keinem einzigen Jahr der Plus-20-Prozent-Fall eingetreten ist. Kern geht recht milde mit seinem Bankberater ins Gericht: "Er hatte das Produkt nicht verstanden". Aber er findet klare Worte für den Entwickler dieses Baskets: "Er hätte wissen müssen, dass er die Anleger wahrscheinlich übervorteilt. Und das wäre ein Verbrechen."

Social Trading denkt die Geldanlage neu

Doch aus Negativem kann auch Positives entstehen: Andreas Kern vertieft sich in die Welt der Geldanlage. Er macht seine Börsenhändlerprüfung, erhält die Zulassung für Termin- und Kassamarkt und beginnt, an Wikifolio zu arbeiten. Er sucht sich Partner und Kapitalgeber in der Finanzbranche, und gewinnt beispielsweise Lang & Schwarz, Börse Stuttgart, S Broker, Handelsblatt und Onvista für seine Idee.

2012 geht die wikifolio Financial Technologies AG mit Sitz in Wien mit ihrer Plattform Wikifolio.com an den Start. Anleger können ihr eigenes Wikifolio (= Depot) führen und Zusammensetzung, Trades und Performance anderer Anleger sehen - wenn diese ihre Depots dafür freigeschaltet haben. "Nutzer müssen sich kostenlos registrieren und können dann den Tradern zuschauen oder sich einfach Ideen holen", fasst Kern zusammen. "Heute haben wir rund 20.000 Trader, die ihre Handelsstrategie öffentlich mit der Community teilen und mehr als 9.500 investierbare Wikifolios auf unserer Plattform", erzählt er. Manche der Trader sind Vollzeitinvestoren, andere erfolgreiche Unternehmer oder Experten bestimmter Branchen, Vermögensverwalter oder Finanzredaktionen.

Auf erfolgreiche Wikifolios begibt der Broker und Market Maker Lang & Schwarz im Auftrag von Wikifolio jeweils ein Endlos-Zertifikat. Dieses kann über die Hausbank oder einen Onlinebroker an der Börse (Stuttgart, BX Swiss oder LS Exchange) täglich ge- und verkauft werden. Ein Zertifikat verbrieft das Recht auf Partizipation an der Wertentwicklung eines Wikifolios. Einige Zertifikate können auch als Zehntel oder Hundertstel gekauft werden. Kostet ein Zertifikat beispielsweise 1.500 Euro können Sparer bereits Anteile für 15 Euro oder 150 Euro kaufen. Dafür benötigen sie kein Depot bei Wikifolio.

Beispiel für ein Wikifolio

Damit klar wird, wie das Konstrukt in der Praxis aussieht, gibt Andreas Kern ein Beispiel: "Der Anleger Dirk Althaus hat sich bei uns registriert und ein Depot aufgebaut. Er ist im Hauptberuf Security Consultant und im Hobby Investor und Trader – sein Anlageschwerpunkt sind Unternehmen aus der Cybersecurity. Er versteht die Unternehmen, ihre Angebote, er berät sie, er kann sagen, ob das Produkt gut oder innovativ und der Preis angemessen ist", so Kern. Kein Wunder also, dass sich das Cybersecuritydepot von Althaus so gut entwickelte, dass Kern ein börsengehandeltes Zertifikat auf das Depot herausgeben ließ. Es heißt "Endlos Indexzertifikat auf LUS Wikifolio-Index Cyberscurity Innovators" (ISIN DE000LS9K1Q6). Die Wertsteigerung in den vergangenen fünf Jahren: rund 128 Prozent.

Social Trading bei Jüngeren beliebt

Das Social Trading ist eine Innovation, die im Zuge von Social Media entstand: Das weltweite Teilen von Ideen und Diskutieren über Entwicklungen mit Gleichgesinnten und Andersdenkenden hat sich etabliert. Die Finanzbranche ist auf diesen Zug aufgesprungen - und trifft dabei vor allem auf Zuspruch bei der jüngeren Klientel: Ein Marktforschungsinstitut befragte im Januar dieses Jahres im Auftrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 1.037 repräsentativ ausgewählte Personen, die in den vergangenen zwei Jahren Geld in Investmentfonds, Aktien, Anleihen oder andere Wertpapiere angelegt haben. Immerhin 16 Prozent von ihnen hatten Social Trading genutzt. Deutlich überdurchschnittlich aktiv ist dabei die Gruppe der 18 bis 39-jährigen: hier sind es rund 30 Prozent.

© BaFin

Risiken: Transparenz, Sicherheit, Selbstüberschätzung

Dem Social Trading werden viele Risiken zugeschrieben. Hier die wichtigsten:

  1. Mangelnde Transparenz: Denn auf vielen Plattformen agieren die Trader unter Fantasienamen, es gibt kein limitiertes Anlageuniversum, innerhalb dessen der Trader Wertpapiere auswählen darf. und Begründungen für Käufer und Verkäufe werden kaum geliefert.

  2. Virtuelle Depots: Wer virtuelles Geld anlegt, ist oft risikofreudiger als ein Anleger, der sein mühsam verdientes Geld investiert. Dem großen Risiko stehen größere Ertragschancen gegenüber. So kann eine (virtuelle) Wertsteigerung sichtbar werden, die unerfahrene Anleger als Beleg für die Expertise des Traders werten. Oftmals veröffentlichen virtuelle Trader auch nur ihre erfolgreichen Strategien. Auch damit ziehen sie Follower an, die über den tatsächlichen Anlageerfolg des Traders getäuscht werden.

  3. Verlustrisiko: Gibt es keine definierten Anlagevorschriften für den Trader, steht ihm das gesamte Anlageuniversum zur Verfügung. Dazu gehören auch extrem riskante Hebelprodukte, Optionen und Kryptowährungen.

  4. Zeitliche Verzögerung: Gerade bei kleinen Aktienwerten können sich die Kurse in kürzester Zeit stark verändern. Die Folge: Das Depot des Followers kann sich schlechter entwickeln als das des Top-Traders.

  5. Selbstüberschätzung: In der oben genannten Umfrage der BaFin mussten Anleger Fragen zu ihrem Finanzwissen beantworten. Die Gruppe, die keine Social Trading-Plattform nutzte, lag im Schnitt bei 7,8 von 12 Fragen richtig. Nutzer von Social-Trading-Plattformen wussten nur bei 5,9 Fragen die richtige Antwort. Bedenklich: Weniger als die Hälfte der Social-Trading-Nutzer (46 Prozent) wusste, dass das Risiko sinkt, wenn man sein Geld auf unterschiedliche Anlageformen verteilt. Bei der Gruppe der Nicht-Social-Trading-Nutzenden waren es 77 Prozent. Gleichzeitig besitzt die Mehrheit der Anlegerinnen und Anleger, die ihr Geld mittels Social Trading investiert haben, riskante Finanzprodukte: 60 Prozent gaben an in Kryptowerte, Hebelprodukte oder CFDs investiert zu sein. Von jenen Anlegern, die kein Social Trading nutzten, hielt lediglich ein Fünftel (22 Prozent) riskante Finanzprodukte. Social-Trading-Nutzer haben also gleichzeitig ein geringeres Finanzwissen und höhere Risiken in ihren Depots.

Andreas Kern sieht die meisten dieser Risiken für seine Plattform nicht: "Wir fordern eine Ausweiskopie von unseren Tradern an. Sie müssen unter ihrem Klarnamen auftreten. Zudem wird bei uns nur echtes Geld investiert und wir haben keine Löschfunktion." Das heißt: Kein Trader kann Fehlinvestments unsichtbar machen. "Und durch die Zertifikate, die das Depot des Traders 1:1 abbilden, tritt bei uns auch keine zeitliche Verzögerung ein." Alle Wikifolios werden zudem in Echtzeit publiziert. Ein weiterer Sicherheitsaspekt: "Der Trader definiert sein Anlageuniversum, das dann bindend für ihn ist. Er wird von uns auch nur für die entsprechenden Trades freigeschaltet", so Kern. Sind besonders risikoreiche Anlageformen erlaubt, wie etwa Strukturierte Produkte oder Optionsscheine, gibt es einen Vermerk auf dem Wikifolio, damit Anleger diese Information auch sicher mitbekommen.

Ein Risiko, das allen Börseninvestoren immer bleibt: Die Wertsteigerung in der Vergangenheit ist keine Garantie für die Wertentwicklung in der Zukunft.

Was Zertifikate sind und was sie kosten

Da ein Zertifikat eine Schuldverschreibung ist, gibt es ein Emittentenrisiko. Das bedeutet: Lang & Schwarz ist zwar verpflichtet, die ausgegebenen Zertifikate zum jeweiligen Börsenkurs zurückzunehmen. Aber was passiert, wenn das Emissionshaus insolvent wird? Andreas Kern erklärt: "L&S hält den Gegenwert der Zertifikate in Bar und Wertpapieren bei ihrer Hausbank - zur Besicherung des Risikos."

Die Zertifikate kosten eine jährliche Gebühr von 0,95 Prozent des Kurswertes. Zusätzlich gibt es eine Performancegebühr (Highwatermark). Sie liegt zwischen 5 und 30 Prozent, wenn das Zertifikat einen neuen Jahreshöchststand erreicht. Dieser Prozentsatz wird also auf die Differenz von altem und neuem Jahreshöchststand berechnet und zwischen Trader und Wikifolio geteilt. Die Kosten sind in den Performance-Charts der Wikifolios bereits abgezogen.

Es gibt keine Ausgabeaufschläge oder Transaktionskosten für Trades innerhalb eines Wikifolios. Gebühren können aber bei der depotführenden Bank hinzukommen, wenn ein Anleger ein Zertifikat über die Börse kauft.

Strategien der Geldanlage

"Ein Wikifolio ist üblicherweise nicht das Haupt- oder einzige Investment eines Anlegers", stellt Andreas Kern klar. Er rät zu einem passiven Investment für den langfristigen Vermögensaufbau, beispielsweise mit einem breit gestreuten ETF. Wer aber zusätzlich mit einem Teil seines Vermögens Chancen aktiv nutzen möchte, treffe auf seiner Plattform auf eine Vielfalt an Strategien. Die bereits erwähnte Cybersecurity sei eine Zukunftsstrategie, denn die großen Kriege würden auch digital bestritten und das Thema Sicherheit im Netz werde auch in Zukunft nicht verschwinden. Wasser sei ein weiteres spannendes Thema. "Wasser sparen, aufbereiten, handeln. Das ist vielseitig", sagt Kern. Zudem seien die Aktien in dieser Branche noch nicht besonders teuer, hier könnte der Einstieg lohnen. Zudem sei künstliche Intelligenz ein Trendthema, das viele Anleger begeistert. "Hier sind die Bewertungen der Aktien aber schon sehr hoch", warnt Kern.

Doch Strategien seien nicht immer branchenbezogen. Es gebe auch Top-Trader, die Value-Experten sind: "Sie schauen sich Fundamentaldaten an und versuchen Unternehmen zu finden, die im Vergleich zu ihren Bilanzdaten günstig bewertet sind", erklärt Kern. Andere Anleger setzen auf Trendthemen: "Sie schauen sich die Fundamentaldaten nicht an, sind aber wahnsinnig erfolgreich mit dem frühzeitigen Erkennen von Trends", so der Börsenexperte. Ein Beispiel: Der Trader Christian Jagd habe mit seinem Wikifolio Intelligent Matrix Trend (Zertifikat: Endlos Indexzertifikat auf LUS Wikiofolio-Index Intelligent Matrix Trend; ISIN: DE000LS9FEG3) die Tesla-Aktien schon vor 7 Jahren gekauft und satte Gewinne einfahren. Konkret: 468,1 Prozent seit März 2014.

Fazit

Das Wissen der anderen zu nutzen, kann eine gute Idee sein, um einen Teil seines Vermögens chancenorientiert anzulegen. Wer lieber vollständig auf Sicherheit setzt, ist mit einem breit gestreuten ETF-Depot besser beraten. "Und dafür braucht im Grunde auch niemand einen teuren Finanzberater", findet Kern. Anders sei es nur, wenn es um die persönliche Vermögensplanung gehe: "Kommt ein Erbe hinzu oder plant ein Anleger, später einmal ein Unternehmen zu kaufen, kann ein Berater hilfreich sein, wenn man sich nicht selbst massiv mit dem Thema befassen möchte." Allerdings müsse es ein guter Berater sein. Doch die seien selten, teuer und würden das Denken erst ab größeren Summen anfangen.

Über Andreas Kern
© Wikifolio

Vor der Gründung von wikifolio.com sammelte Andreas Kern mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Finanz- und Payment-Branche.