Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Verwaltung und Bürokratie übernehmen die Denkhoheit – lasst uns endlich Tacheles reden!

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Konjunktur, Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Haben wir eigentlich noch den Mut zur Wahrheit? Themen werden oftmals gekonnt umschrieben, ausgeblendet oder gar „umgewidmet“. Aber ist es denn so schwierig, Tacheles zu reden und Dinge beim Namen zu nennen? Oder haben wir etwa alle Angst, dass sich die Überbringer von (schlechten) Nachrichten fürchten müssen? Fragen, die unsere Kolumnistin Ruth Baumann aktuell viel beschäftigen. In dieser Folge ihrer Kolumne wirbt sie dafür, für die Zukunft unseres Landes endlich Klartext zu reden.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Vieles scheint in jüngster Zeit sehr oberflächlich zu sein. Wenn Inhalte fehlen oder nicht gewünscht sind, müssen „nette“ Bilder her. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern beleidigt auch die Intelligenz der Tüftler und Denker. Bereits in den Anfängen meines Engagements habe ich oft aus den Reihen der klein- und mittelständischen Betriebe folgende Bemerkung gehört: „Die Politik interessiert sich doch gar nicht für unsere Sorgen und Nöte. Unsere Betriebe sind als Fotokulisse gefragt, aber nicht, um sich ein Bild von unseren Sorgen und Nöten zu machen.“

Landwirte und Mittelständler gingen unterdessen hierfür auf die Straße. Zwar war man betroffen, aber was hat sich nun inhaltlich geändert? Worte ja, Fakten...? Dem galt und gilt es entgegenzuwirken.

Wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr passen

Vor kurzem war schließlich dieser Satz hier an einer Bäckereitür zu lesen: „Wir produzieren Backwaren nicht für Snobs, sondern für Menschen, für die beste Zutaten aus der Region und ein liebevoll handwerklich hergestelltes Produkt ein Genuss darstellt.“ Mit dem nächsten Tag war das Geschäft geschlossen – nicht nur zwischenzeitlich, sondern für immer!

Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, was heute Realität ist. Trotz der kurzen Lieferketten (regionale Produkte), dem Einsatz für gesunde Ernährung, der Tätigkeit im hochgeschätzten und systemrelevanten Handwerk – dem Rückgrat der Wirtschaft (so ist es jedenfalls in Reden zu hören) – sowie des einheimischen Steueraufkommens… Doch alles das nützt nichts, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr passen.

Ein vermeintlich guter Weg

Teure Energie geht nicht nur zu Lasten der Betriebe, sondern auch der Arbeitnehmer. Wenn man Apps braucht, um den Stromverbrauch zu „lenken“, ist Energiesicherheit wohl eher ein Märchen, denn Daseinsvorsorge. Das merken immer mehr Menschen. Vor diesem Hintergrund dann dennoch auf die künstliche Intelligenz zu hoffen, ist Wunschtraum oder eben ein Märchen und wird die Bäckerei keinesfalls mehr wiederbeleben.

Man träumte vom Wohlstand für alle: Ein Traum, der für viele durch Einsatz und Leistung schließlich auch Realität wurde. Stolz blickte man auf das Erreichte und ruhte sich dennoch nicht darauf aus. Man fühlte sich der Leistung der bisherigen Generationen verpflichtet, wollte sie fortführen und weiterentwickeln, um somit zukunftsfähig zu sein. Gewerke und Tätigkeiten haben sich mit der Zeit verändert und angepasst. Innovationen hatten die Chance zur greifbaren Realität zu werden. Obwohl der Markt für Holzräder schwand, wurde die Nutzung der nachwachsenden Ressource Holz immer vielfältiger. Es wurde viel „Hirnschmalz“ für die Entwicklung energiearmer und sparsamer Geräte aufgewendet, um der Verantwortung gegenüber kommender Generationen gerecht zu werden. Es war eigentlich ein guter Weg, aber dann kam die Dekadenz.

Im Wunschkonzert der Forderungen

Die Folgen sind in den Geschichtsbüchern nachzulesen: Regularien, Vorschriften, Verwaltung, Bürokratie und nicht zuletzt das Misstrauen gegenüber allem und jedem. Der Staat ist längst nicht mehr die Klammer für die Gesellschaft, indem er sparsam Rahmenbedingungen setzt, sondern mutiert zum alleinigen „Vordenker“. Eigenverantwortung und Gestaltungswillen des Einzelnen mutieren immer mehr zum Schnee in der Sonne. Verwaltung und Bürokratie übernehmen zunehmend die Denkhoheit über das gesellschaftliche Miteinander, die Art der Innovationen sowie Investitionen. Umverteilen und abfedern statt erarbeiten und leisten.

Und was ist der Erfolg? Viele halten dieses Modell nicht für zukunftsfähig und kehren dem Land den Rücken. Betriebe finden keine Nachfolger, Firmen schließen, verlagern sich ins Ausland oder ringen mit der Insolvenz, Fachkräfte wandern nicht ein, sondern aus und der Sozialstaat kämpft mit geleerten Kassen. Statt die Ausgaben den schwindenden Einnahmen anzupassen, überbietet man sich im Wunschkonzert der Forderungen, die keine oder nur begrenzte finanzielle Basis haben.

Märchenstunden machen keine Zukunft

Wer glaubt, den schwindenden Einnahmen der Sozialkassen mit einer Maschinenabgabe Herr zu werden, verkennt, dass diese nicht mehr hier stehen oder aufgebaut werden, sondern an anderer Stelle. Vielleicht, weil dort der Strom günstiger sowie die Rahmenbedingungen besser sind und die Arbeit insgesamt mehr wertgeschätzt wird.

Es ist an der Zeit nicht mehr mit dem Scheckbuch zu wedeln, sondern Geld verantwortlich und treuhänderisch im Sinne der Gesellschaft auszugeben. Wenn Brötchen und Medikamente zum Luxusgut werden, hat die Politik versagt und muss schleunigst ihre Hausaufgaben machen. Mit Märchenstunden kann man keine Zukunft gestalten, sondern nur mit verantwortungsvollem Handeln. Das schafft Motivation, stärkt Demokratie und ist eine aktive, generationengerechte Daseinsvorsorge.

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.