Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Der Green Deal scheint gescheitert, aber die Bürokratie bleibt

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Elektromobilität, Energiesparen, Konjunktur, Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Der Green Deal und die Transformation der Wirtschaft versprachen Wohlstand, Umweltschutz und eine blühende Wirtschaft. Leider zeigt die Realität, dass diese Versprechen den Sprung von der Idee zur Wirklichkeit nicht geschafft haben. Kolumnistin Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg, wagt in dieser Folge von „Neues von der Werkbank“ einen Blick in die Zukunft von Energie, Mobilität und Wirtschaft des Landes.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Die Politik glaubte, man muss dem Zeitgeist frönen, das Klima retten und wissenschaftliche Erkenntnisse selektieren, um die Wirtschaft zu transformieren. Diesem übereilten, planlosen, aber vor allem utopischen Unterfangen haben wir die größte Wirtschafts- und Finanzkrise europaweit zu verdanken. Es reicht nicht irgendein Ziel vorzugeben, ohne die Adressaten mitzunehmen. Niemand bestreitet, dass mit Ressourcen und Rohstoffen verantwortungsvoll umgegangen werden muss. Dies gilt im Übrigen auch für Steuereinnahmen, die es nicht automatisch vom Himmel regnet, sondern die zuvor von Menschen und Firmen erarbeitet werden müssen.

Die politische Naivität einiger, muss nun mittlerweile von vielen bezahlt werden. Es lässt sich eben nicht mal so nebenbei der Schalter umlegen. Viele Betriebe und Verbraucher waren zunächst mit an Bord oder zumindest auf gutem Wege dahin. Der Staubsauger wurde zwangsreguliert, um Strom zu sparen und die intakte Ölheizung durch eine Pellet- und später durch eine Gasheizung ersetzt. Mittlerweile feiert der Waschlappen wieder Renaissance. Nur ist leider vielen Akteuren entgangen, dass solche Zukunftsinvestitionen auch Bestand haben müssen. Wer über Jahrzehnte die Kredite für derartige Maßnahmen abtragen muss, kann nicht mehr bei jedem politischen Wetterwechsel mithalten.

Was bringt die Zukunft der Mobilität?

Bei der Frage der Mobilität zeichnet sich ein ganz ähnliches Bild ab. Wie wurde ich belächelt, als ich bei dem aufkommenden E-Hype nach Wasserstoff, Brennstoffzelle und E-Fuels fragte. Ergebnisoffen war damals nur das zeitliche Ende jener Veranstaltung. Heute werden diese Begriffe wie selbstverständlich benutzt und das damalige eherne Plädoyer für diese eine Antriebsform ist längst vergessen. Lösungen stehen am Ende einer Suche nach Ergebnissen und nicht als Präambel vor einer Diskussion.

E-Fuels und E-Mobilität werden neben weiteren Formen die Zukunft der Mobilität mitbestimmen. Aber natürlich nur, insofern man das überhaupt auch will (E-Fuels haben bis dato in Deutschland keine Zulassung). Die Zielerreichung kann allerdings nicht mit der Brechstange verordnet werden, sondern muss in verlässlichen Rahmenbedingungen erreichbar sein. Nur vielleicht mit etwas weniger Tempo, dafür aber mit umso mehr Besonnenheit.

Statt warmer Worte, besser Investitionen tätigen

Bei dem aktuellen Energiemix stoßen Wasser- und Windkraft, Photovoltaik und Biogas an ihre Grenzen, Stichwort Grundlastfähigkeit. Die Situation muss als Fakt einfach mal so akzeptiert werden. In meinen Augen ist es ein Zeugnis von Hilflosigkeit, dieses Mantra, was alles sein kann, weiterhin als Standarte vor jeder Rede auszupacken. Wiederholungen werden erst dann zur Realität, wenn man die fehlenden Materialien (Lieferketten) und Facharbeiter auch miteinbezieht. Dort gilt es zu handeln, damit die geweckten Hoffnungen und gegebenen Versprechen auch bedient werden können.

Bei den drohenden Blackouts helfen ganz sicher auch keine warmen, mitleidigen Worte, sondern schlichtweg nur Investitionen in die Infrastruktur und den Energiemix. Der Zustand unseres Leitungsnetzes war, der Wahrheit die Ehre, auch vor dem Krieg in der Ukraine schon ausgesprochen desaströs. Und als Handwerker gestatten Sie mir einen weiteren Gedanken: Bevor ich einen LKW verschrotte bzw. aus alten Energien aussteige, sollten die neuen einsatzfähig bzw. nutzbar sein, denn sonst kommt es zum Stillstand im Betrieb.

Konfliktreiche Transformation der Wirtschaft

Von den Sorgen der Mittelständler unbeeindruckt, zeigen sich schon neue Bürokratietiger. Künftig sollen, gemäß dem Green Deal, auch Bilanzen als vergleichbare Auflistungen nötig sein, um die betriebliche Nachhaltigkeit zu dokumentieren. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer freuen sich im Übrigen bereits über dieses neue Geschäftsfeld, während Unternehmer eine weitere Verteuerung des Wirtschaftsstandortes befürchten. Derartige Papiere werden dann über die Bonität des Betriebes – im Falle eines Falles – bei den Bank- oder Vergabegesprächen ihre Wirkung zeigen. Auch die geplante Bauproduktenverordnung erfüllt schon in ihrer Entstehungsgeschichte alle Voraussetzungen, um noch ein weiterer bürokratischer Mühlenstein am Hals des Unternehmers zu werden.

Bei diesen Zukunftsaussichten wage ich die These, dass viele Betriebsinhaber auf Bankdarlehen zur Finanzierung der explodierenden Energiekosten oder einer Transformation, auch wenn sie von der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) kämen, verzichten werden. Noch nie war die Bereitschaft so groß, Familien- und Betriebsnamen voneinander zu trennenund den Geschäftsbetrieb gänzlich einzustellen. Die steigenden Insolvenzzahlen zeigen, dass die Transformation der Wirtschaft aktuell nicht Arbeitsplätze generiert, sondern Firmenaufgaben und Insolvenzen forciert.

Die Zukunft der Wirtschaft anders gestalten

Wenn man sich in hochtrabenden Zukunftskommissionen mehr der Bewältigung der Vergangenheit widmet, denn den aktuellen Sorgen und Nöten der Bevölkerung, läuft einiges verkehrt. Zukunft gestaltet man so in jedem Fall nicht. Erstmal schauen, was bis dato gut lief und dann mit Maß und Mitte verlässlich als auch belastbar weiterentwickeln. Das Land der Tüftler und Denker kann vieles, wenn man es nur lässt und den Motor nicht durch ideologische Scheuklappen oder zusätzliche Bürokratie schon im Vorhinein abwürgt.

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.