Neue Berufsbilder Klimatechnologie: Mit neuem Ausbildungsschwerpunkt SHK- und Elektrobetriebe zusammenführen

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SHK- und Elektro-Betriebe arbeiten mit Hochdruck daran, die Transformation zu erneuerbaren Energien zu meistern. Start-ups wie 1Komma5Grad oder Enpal helfen dabei, indem sie ­relevante Gewerke zusammenbringen und neue Berufsbilder schaffen, um somit auch den Fachkräftemangel zu lösen.

Tim Rabanus (li.),baut den Kölner Standort des Start-ups 1Komma5Grad auf. Mit in seinem Team: Kay Schlüter, Teamlead Elektro.
Tim Rabanus (li.),baut den Kölner Standort des Start-ups 1Komma5Grad auf. Mit in seinem Team: Kay Schlüter, Teamlead Elektro. - © Markus J. Feger

Elektriker, Dachdecker, SHK-Anlagenmechaniker – die Liste an vakanten Stellen, die Tim Rabanus besetzen will, ist lang. Für das Energie-Start-up 1Komma5Grad sucht er nach Handwerkern, die beim Projekt Klimawende mitanpacken. Für den Familien­vater ist diese Aufgabe nicht nur ein Job, sondern ein persönliches Anliegen: „Ich will meinen zwei Kindern einen lebenswerten Planeten hinterlassen“, wünscht sich der 30-Jährige, der zuvor in einigen Solarfirmen und früher, in seiner Jugend, auch auf Baustellen arbeitete. Erst seit Januar baut er den Standort für 1Komma5Grad in Köln auf.

Der Firmenname des Hamburger Start-ups spielt auf das Übereinkommen von Paris an, bei dem 1,5 Grad als Obergrenze für die globale Erderwärmung festgelegt wurde. Ziel der Vereinbarung ist es, CO2-Emissionen zu senken, die beim Heizen mit Gas und Öl sowie bei der klassischen Stromerzeugung entstehen. Als Lösungen stehen erneuerbare Energien und passende Klimatechnologien bereit.

60.000 SHK-Fachkräfte fehlen

Bei 1Komma5Grad ist das zum Beispiel das Gerät „Heartbeat“. Als eine Art Energiemanager vernetzt die Schaltbox mithilfe einer App die hauseigene Solaranlage mit dem Stromspeicher, der Wallbox und der Wärmepumpe. „Der dynamische Lastgang kann so weit führen, dass die Nutzer sogar Geld damit verdienen, wenn sie Strom abnehmen oder deutlich mehr Geld für den Verkauf des eigenproduzierten Stroms generieren, als es das Erneuerbare-Energien-Gesetz möglich macht“, erklärt Rabanus.

So weit das Wunderwerk der Technik – doch gibt es ein Problem: Um solche Systeme flächendeckend zu installieren, fehlen die Fachkräfte. Der Handwerksverband für Sanitär, Heizung und Klima (SHK) hat jüngst berechnet, dass es 60.000 zusätzliche Installateure bräuchte, um bis 2030 bis zu sechs Millionen Wärmepumpen einbauen zu können, wie es das Bundeswirtschaftsministerium als Ziel formuliert hat. Noch dazu gestaltet es sich schwierig, die einzelnen Gewerke zusammenzubringen, die für die Umrüstung nötig sind.

SHK und Elektro zusammenführen

Dieser Herausforderung nehmen sich junge Energiewende-Firmen wie 1Komma5Grad, aber auch Lichtblick und Enpal an. Im offenen Brief an Bundeswirtschafts­minister Robert Habeck im vergangenen Frühjahr schlagen sie der Politik Wege vor, um den Fachkräftemangel gemeinsam zu lösen. Dazu zählt, neue Energie-Arbeitskräfte auszubilden und das Berufsfeld Energiemanagement zu etablieren: „Aktuell bieten nur wenige Handwerks­betriebe die Installation integrierter Energiesysteme aus Photovoltaik-Speicher, Wallbox, Wärmepumpen und Energie­management-Software an“, schreiben die Start-up-Chefs in ihrem Brief. Ein neuer Ausbildungsschwerpunkt Energie­management könnte die Berufe SHK-Installateur und Elektriker zusammenführen. So gelänge es, Kunden rund um Wärme und Strom umfassend zu beraten.

Mehr als Energieberaterin denn als Unternehmerin fühlt sich derzeit auch Vera Küpper-Racke. Die Geschäftsführerin von Josef Küpper Söhne aus Bonn mit 110 Mitarbeitern stellt fest, dass sich ihr SHK-Betrieb jüngst immer mehr zu einer Beratungsfirma rund um energieeffizientes Heizen und die dazugehörige Strom­erzeugung entwickelt. Das ist für Küpper-Racke dem Weg zur Energiewende geschuldet. Eine noch größere Nachfrage erwartet sie, wenn alle Haushalte, die jetzt noch mit Gas heizen, in den näch­sten Jahren ihr in die Jahre gekommenes Heizsystem umstellen sollen. Weil es noch an Alternativen fehlt, rät Küpper-Racke dazu, eine neue moderne Gas-Brennwert-Anlage einzubauen, solange es gesetzlich noch möglich ist. Nach dem bisherigen Plan der Regierung soll jede neu eingebaute Heizungsanlage von 2024 an zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Wärmepumpen liegen im Trend

Der Anpassungsprozess hat längst begonnen. Für Josef Küpper Söhne, aber auch für die weiteren rund 49.000 Betriebe im Heizungs- und Klimabereich. Besonders hoch ist das Interesse der Bevölkerung an Wärmepumpen. Allein Küpper-Racke erhält aktuell doppelt so viele Anfragen dazu als vor dem Krieg in der Ukraine. Diesen Trend belegt auch der Fachverband Sanitär-, Heizungs-, Klima- und Klempnertechnik Niedersachsen über eine repräsentative Umfrage unter den Betrieben seiner Mitgliedsinnungen. Dabei haben rund 96 Prozent der Befragten bestätigt, Wärmepumpen regelmäßig einzubauen. Die Hälfte dieser Betriebe verfügt bereits über eigene Elektrofachkräfte und kann somit eine vollumfängliche Installation aus einer Hand gewährleisten. „Die Wärmepumpe ist sensibler als konventionelle Heizungssysteme, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden, und sie berührt mehrere Gewerke“, sagt Katja Weinhold, Geschäftsführerin Marketing & Service beim Bundesverband Wärmepumpe (BWP). Offensichtlich weit vorausschauend, wurde der Verband Anfang der 2000er-Jahre als Fusion zweier Initiativen gegründet und deckt heute mit etwa 700 Mitgliedern die ganze Wertschöpfungskette ab. Aus Sicht von Weinhold, beim BWP auch für den Bereich Aus- und Weiterbildung zuständig, ist die Zeit reif für ein neues, zeitgemäßes Berufsbild im Sinne der Energiewende. Es müsse ganzheitlich gedacht werden, gewerkeübergreifend das ganze Gebäude betreffend. Optimal wäre eine modulare Ausbildung, die in verschiedene Spezialisierungen münden könne. Dazu gehört auch ein Umdenken: „Wenn ich mein Leben lang der Überbringer des Feuers war, dann ist es schwierig, mich auf eine Technologie ohne das Verbrennen fossiler Energieträger einzustellen.“

Vorsicht vor unsanierten Dächern

Wärmepumpen nutzen für die Wärmeerzeugung bis zu 75 Prozent Umweltwärme und lediglich 25 Prozent Strom als Antriebsenergie. Um die Ökobilanz weiter zu verbessern, sollte dieser Strom aus erneuerbaren Energiequellen statt aus Kohlekraftwerken gewonnen werden – hier kommen Firmen wie Enpal ins Spiel. Beim Start-up aus Berlin kann man eine Solaranlage zum Rundum-sorglos-Tarif mieten oder flexibel kaufen. Auf Wunsch gibt es auch Stromspeicher, Wallbox und Ökostromtarif dazu. Wie 1Komma5Grad bündelt Enpal für die Installation die nötigen Arbeitskräfte. Die rund 1.000 eigenen Mitarbeiter wickeln etwa 80 Prozent der Aufträge ab, die restlichen 20 Prozent gehen an Partnerbetriebe aus dem Handwerk. Mit Firmen wie Enpal oder 1Komma5Grad zu kooperieren bietet fürs Handwerk durchaus Vorteile: Neben der zentralen Materialbeschaffung und ­Logistik übernehmen sie auch die bürokratischen Anforderungen wie Netzanmeldung und Antragstellung für Fördermittel.

Bevor die Solaranlage jedoch aufs Dach kommt, sollte gewährleistet sein, dass die Anforderungen genügen. Wenn Photovoltaik-Module, die aus Solarzellen bestehen, auf unsanierten Dächern montiert werden, komme es vermehrt zu Schäden an den Dächern, weil die Montage der Solaranlage auf bauphysikalisch nicht geeigneten Unterkonstruktionen erfolge, warnt der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH). „Die gewonnene Energie wird durch das ungedämmte Dach wieder nach draußen geblasen“, erklärt ZVDH-Haupt­geschäfts­führer Ulrich Marx. Neben Heizungs- und Klimaexperten sowie Elektrofachbetrieben kommt daher auch dem Dachdecker-Handwerk eine tragende Rolle in der Energiewende zu. Das sieht Jörg Dittrich, Präsident beim Zen­tralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), genauso: Sein eigener Dachdecker-Meisterbetrieb aus Dresden, den er in vierter Generation führt, hat erst vor Kurzem ein Photovoltaik-Unternehmen übernommen. „Wer die Energie- und Wärmewende will, der muss das Handwerk stärken und mit dem Handwerk über Fachkräftesicherung und Bürokratieabbau reden“, findet Dittrich.

3 Fragen an Jörg Dittrich, Präsident Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)

  1. Was bedeutet die Wärmewende für Handwerksbetriebe?
    Alle Handwerksbetriebe müssen sich beim Heizen in ihren Geschäftsräumen und Werkstätten den Regelungen anpassen. Das macht sie zu Betroffenen der gesetzlichen Vorgaben. Zugleich sind eine ganze Reihe von Gewerken im Handwerk Umsetzer und Gestalter der Wärmewende, weil sie es sind, die die politisch ambitionierten Zielvorgaben zu Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und Windrädern erst Wirklichkeit werden lassen.
  2. Was brauchen diese klimarelevanten Gewerke seitens der Politik?
    Die Interessen und aus der Praxis vor Ort gewonnenen Hinweise der Betriebe müssen in den Gesetzgebungsverfahren ausreichend berücksichtigt werden. Das gilt für das Gebäudeenergiegesetz genauso wie für das Energie­effizienzgesetz und die Wärmeplanung.
  3. Welche konkreten Anreize würden Betrieben den Ausstieg aus fossilen Energie­trägern erleichtern?
    Die Betriebe brauchen Planungssicherheit mit Blick auf die Regelungen selbst, aber auch eine Flankierung durch geeignete Förderprogramme. Auch bei den Förderprogrammen zeigt sich immer wieder, dass diese erstellt werden, ohne die Praktiker einzubinden, weshalb sie zum Teil am Bedarf der Betriebe und Unternehmen vorbeigehen. Langfristig betrachtet, ist ganz grundsätzlich eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung entscheidend.

Der Wettlauf, wer es als erste Region schafft, klimaneutral zu sein, hat bereits begonnen. Köln hat sich etwa das Jahr 2035 als Ziel gesetzt. Bislang werden hier allerdings noch 80 Prozent der über 400.000 Haushalte mit Gas und Öl beheizt. Geplant ist es, in dicht bebauten Vierteln große Wärmepumpen für die Nahversorgung zu installieren, anstatt jeden Gebäudeeigentümer zum Handeln zu zwingen. Ein Lösungsansatz in Verbindung mit Fernwärmenetzen wäre auch der groß­flächige Ausbau von Tiefengeothermie. Erdwärme weist als Energie­träger ein hohes Potenzial auf. München will bis 2035 etwa 50 Prozent der Fernwärme durch Geothermie decken. Das Bundeswirtschaftsministerium will bis 2030 mindestens 100 zusätzliche Geothermie-Projekte anstoßen.

Tipps gegen den Fachkräftemangel

Eine der größten Herausforderungen, um Gebäude klimafreundlich auszustatten, ist der akute Fachkräftemangel im Handwerk. In einem Brief an die Regierung raten Firmen wie Enpal, 1Komma5Grad und Lichtblick zu Maßnahmen.

  1. Schnellqualifikation für Arbeits­kräfte: Um mittelfristig neue Energiewende-Arbeitskräfte auszubilden, sollen in einigen Bereichen, etwa bei der Photovoltaik-Installation, Schnellqualifizierungen helfen, die sich an geringqualifizierte Arbeitnehmer oder Arbeitssuchende richten.
  2. Berufsfeld Energiemanagement: Aktuell bieten nur wenige Handwerks­betriebe die Installation integrierter Energiesysteme aus PV, Speicher, Wallbox, Wärmepumpen und Energiemanagement-Software an. Es mangelt nicht nur an Personal, sondern auch an der passenden Ausbildung. Ein neuer Ausbildungsschwerpunkt Energiemanagement sollte die Kompetenzen für Wärme (SHK-Installateur) und Strom (Elektriker) bündeln. Geschulte Verkaufsberater mit technischem Know-how für das Energiemanagement sind außerdem nötig, um für die Endkunden funktionierende Gesamtsysteme planen zu können.
  3. Image-Kampagne: Eine Image-­Kampagne könnte für die (neuen) Ausbildungsberufe werben. Arbeitstitel: „Ohne Hände keine Wende. Energiewende-Held*innen gesucht.“
  4. Perspektiven für Studien- und Schulabbrecher: Studienabbrecher und Schüler ohne Abschluss sind Zielgruppen für zukunftssichere Perspektiven im Handwerk und der Energiewende.
  5. Bürokratische Hürden: Die Migration von Fachkräften im Bereich Energiewende-Technologien sollte nicht durch Papierkram und Formulare erschwert werden. Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr bereits bürokratische Hürden für den Ausbau erneuerbarer Energien beseitigt, vor allem für kleine Anlagen. Dieser Weg sollte konsequent fortgesetzt werden.