Serie New Work, 7. Folge Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM): Stress reduzieren und smart arbeiten

Zugehörige Themenseiten:
Arbeitsschutz und Gesundheit, Berufskrankheiten, Burnout, Fachkräftemangel, Mitarbeitermotivation, New Work und SHK-Handwerk

Gesundheit geht alle an, das hat die Corona-Pandemie Chefs und Mitarbeitern gezeigt. Entsprechend guten Zuspruch findet inzwischen das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM), das längst mehr zu bieten hat als die viel zitierten Obstkörbe. Wie Chefs die richtigen Maßnahmen für ihr Team finden und damit die Attraktivität ihrer Arbeitsplätze steigern.

Alexander Sachsenmaier und Tanja Bleicher, lnhaber und Personalverantwortliche der Sachsenmaier GmbH in Göggingen
Alexander Sachsenmaier und Tanja Bleicher, lnhaber und Personalverantwortliche der Sachsenmaier GmbH in Göggingen, legen großen Wert auf gesunde Arbeitsbedingungen. - © Annette Cardinale

Ein bisschen Bauchweh, wie die neuen Angebote ankommen, hatten Alexander Sachsenmaier und Tanja Bleicher schon: „Doch wir wollten, dass die Mitarbeiter Spaß haben und sich wohlfühlen, deshalb haben wir uns bereits 2016 für die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements entschieden“, erklärt der Geschäftsführer der Sachsenmaier GmbH im schwäbischen Göggingen.

Impulsvortrag als Startschuss

Tanja Bleicher, die im Sanitär- und Heizungsbetrieb mit 29 Mitarbeitern die Buchhaltung und das Personal verantwortet, erinnert sich noch gut an die ersten Reaktionen im Team: „Anfangs gibt es immer ein wenig Gemaule, doch als die Mitarbeiter gemerkt haben, dass jeder was für sich mitnehmen kann, haben sie mitgezogen.“

Zum Start des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) gab es in Zusammenarbeit mit der Barmer Ersatzkasse einen Impulsvortrag „Gutes für den Rücken“ sowie einen Workshop mit Blutdruck- und Körperfettmessung, Lungenfunktions-Screening und Bestimmung des Body-Mass-Index. Danach folgten in regelmäßigen Abständen Vorträge zu den Themen Stressbewältigung, gesunder Schlaf, Ernährung am Arbeitsplatz sowie Resilienz. 2020 wechselte der Betrieb dann zur BGM-Betreuung der IKK Classic, weil es dort nach Einschätzung von Tanja Bleicher ein noch besseres, weil handwerksspezifischeres Angebot gibt.

Erst die Risiken aufspüren

Nach ausführlicher Analyse der Arbeitsplatzsituation im Betrieb sowie einer Mitarbeiterbefragung wurden gemeinsam mit den IKK-Experten konkrete Ziele für das BGM definiert und ein Maßnahmenplan festgelegt. Zum Start mit dem neuen Dienstleister gab es 2021 einen Workshop zu den „Körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz“, auch die Schulungen zu den Themen Stressvermeidung sowie Körperfitness werden nach Aussage von Firmenchef Sachsenmaier sehr gut angenommen. „Für die Azubis ist das besonders wichtig, heute haben ja auch schon die jungen Leute Rückenschmerzen.“

Um die körperlichen Belastungen beim Transport großer Heizungsanlagen über mehrere Stockwerke zu reduzieren, hat der Betrieb etwa einen Treppenlifter angeschafft, der rückenschonenderes Transportieren ermöglicht. Für die Arbeit im Lager und auf den Baustellen gibt es elektrische Steighilfen und Hubwagen, die die Arbeit erleichtern und die Arbeitssicherheit erhöhen. Frisches Obst und Getränke gehören bei Sachsenmaier zudem genauso dazu wie höhenverstellbare Schreibtische im Büro. „Eigentlich“, so der Unternehmer, „sind das rudimentäre Dinge, die aber längst noch nicht überall selbstverständlich sind.“

Auszeichnung mit dem Corporate Health Award - als Vorbild im Handwerk

Das sah die Jury beim Corporate Health Award genauso und zeichnete den Sanitärbetrieb von der Ostalb Ende 2021 mit dem Sonderpreis „Gesundes Handwerk“ aus. Um das BGM-Engagement einordnen zu können, hat die IKK Classic gemeinsam mit den Marktforschern von EuPD-Research ein spezielles Bewertungssystem entwickelt. Betriebe mit einem besonders guten Benchmark, zu denen auch Sachsenmaier zählt, dürfen öffentlichkeitswirksam mit dem Siegel „Gesundes Handwerk – excellentes Betriebliches Gesundheitsmanagement“ werben.

Tanja Bleicher und Alexander Sachsenmaier sind stolz auf die Auszeichnung, schließlich ist sie ein wichtiges Indiz dafür, wie attraktiv die Arbeitsplätze beim SHK-Betrieb tatsächlich sind. Dass manche Handwerkskollegen das Bemühen um gesunde Arbeitsbedingungen, zu denen auch Teamgeist und eine vertrauensvolle Unternehmenskultur gehören, manchmal noch belächeln, stört den Firmenchef dagegen gar nicht. Denn er weiß: „Themen wie das Gehalt sind heute nicht mehr so zentral, wichtiger ist es, den Mitarbeitern zu zeigen, dass der Betrieb etwas für sie tut.“

Arbeitgeberbefragung: die Vorteile des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Wie die Arbeitgeberbefragung der IKK Classic zeigt, verbessert sich durch BGM nicht nur die Arbeitsorganisation, sondern auch das Betriebsklima und den Teamgeist.
© handwerk magazin/ikk classic

Wie die jährlich durchgeführte Arbeitgeberbefragung der IKK Classic zu den betrieblichen Auswirkungen (siehe Grafiklinks) zeigt, sind die BGM-Maßnahmen keine Einbahnstraße. Im Gegenteil: Ein knappes Viertel der teilnehmenden Arbeitgeber aus dem Handwerk konnte in der Befragung 2020 von großen Erfolgen bei Betriebsklima und Wir-Gefühl berichten, Mitarbeiterführung und -bindung sowie die Arbeitsorganisation haben sich nahezu bei jedem fünften Betrieb stark verbessert. Frank Klinger, Leiter des Referats betriebliche Gesundheitsförderung bei der IKK Classic, registriert inzwischen ein zunehmendes Interesse der Betriebe, das vor allem mit dem Wunsch zu tun hat, von potenziellen Mitarbeitern als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. „Während BGM in größeren Betrieben inzwischen üblich ist, können sich Arbeitgeber im Handwerk damit noch gut von der ihren Konkurrenten abheben.“

Bonus für Betrieb und Mitarbeiter

Apropos Motivation: Arbeitgeber aus dem Handwerk, die sich für eine Teilnahme am BGM der IKK Classic entscheiden und bei der IKK Classic versicherte Mitarbeiter beschäftigen, erhalten dafür einen Bonus von 500 Euro. Jeder teilnehmende, bei der IKK versicherte Mitarbeiter erhält zusätzlich einen Gesundheitsbonus von 150 Euro. „Die Prämie“, weiß Tanja Bleicher aus Erfahrung, „ist für viele Mitarbeiter schon ein großer Anreiz zum Mitmachen.“ Aus Sicht der Arbeitgeber geht es nach Einschätzung des IKK-Experten Frank Klinger natürlich auch darum, krankheitsbedingte Ausfälle der Mitarbeiter zu reduzieren. Laut aktueller IKK-Statistik für 2021 waren Muskel- und Skeletterkrankungen mit 35,6 Prozent für den größten Anteil an krankheitsbedingten Fehlzeiten verantwortlich. Dabei dauerte eine durchschnittliche Erkrankung am Bewegungsapparat stolze 24,8 Tage.

Handwerker haben viele stressige Phasen im Alltag

Leider, räumt IKK-Experte Klinger ein, lässt sich der Erfolg der BGM-Maßnahmen nur schwer in harten Zahlen messen. Wer eben durch vorbeugendes Training erst gar keine Rückenschmerzen bekommt, wird zwar vielleicht weniger Fehltage haben, doch der Einfluss auf Wohlbefinden und Motivation sei oft nur subjektiv zu spüren.

Stressbelastung der Mitarbeiter
© ikk classic

So zeigt etwa die von der IKK Classic in Zusammenarbeit mit der Sporthochschule Köln durchgeführte Befragung, dass das Handwerk im Vergleich zur Gesamtbevölkerung häufiger Stress hat. Während laut Report der Deutschen Krankenversicherung (DKV) 18 Prozent der Deutschen nie unter Stress leiden, beträgt der Anteil im Handwerk nur neun Prozent. Da eine hohe Stressbelastung im Handwerk mit 23 Prozent jedoch auf dem Niveau der Gesamtbevölkerung liegt, scheint die Branche laut Studienautor Ingo Froböse phasenweise vermehrt gestresst zu sein, etwa durch den häufigen Zeitdruck bei Aufträgen.

Nachdem dieser sich auch bei der Sachsenmaier GmbH nicht immer vermeiden lässt, haben Firmenchef Alexander Sachsenmaier und BGM-Chefin Tanja Bleicher für 2022 unter anderem einen Schwerpunkt beim Handlungsfeld „Stress“ mit den IKK-Experten vereinbart. Obwohl sich das BGM-Engagement des Sanitär- und Heizungsbetriebs aktuell weder in der Fehlzeitenstatistik noch in der Fluktuationsrate niederschlägt, sind beide überzeugt davon, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. „Unser Team ist komplett, wir haben viele langjährige Mitarbeiter und aktuell keinen Bedarf an Neueinstellungen.“ Wer das in diesen Zeiten in einer der Branchen mit dem höchsten Fachkräftemangel von sich behaupten darf, hat sicher sehr vieles richtig gemacht.

Fahrplan: So schaffen Sie gesunde Arbeitsbedingungen

Wo genau die Gefahren für die Gesundheit der Mitarbeiter in einem Betrieb lauern, hängt nicht nur von der Art der Arbeit und der betrieblichen Ausstattung ab, sondern wird auch von der Altersstruktur des Teams beeinflusst. Um Risiken schnell und effizient reduzieren zu können, muss jedes Team für sich geeignete Maßnahmen finden. Das funktioniert am besten mit dem folgenden 7-Schritte-Fahrplan.

  1. Schwachstellen aufdecken: Klären Sie mithilfe von Experten der Krankenkasse oder auch der Berufsgenossenschaft, wo genau die Schwachstellen in Ihrem Betrieb liegen. Um möglichst passgenaue Maßnahmen für das Team und seine Bedürfnisse anbieten zu können, haben sich Mitarbeiterbefragungen sowie Gesundheitschecks für jeden Mitarbeiter und Arbeitsplatz bewährt.

  2. Prioritäten festlegen: Beginnen Sie zunächst dort, wo die dringlichsten Schwachstellen mit dem höchsten Gefährdungspotenzial für die Gesundheit liegen, und arbeiten Sie systematisch und mit kleinen Schritten an Verbesserungen. Wichtig: Beziehen Sie bei den Maßnahmen die betroffenen Mitarbeiter ein, etwa in Arbeitsgruppen oder Gesprächskreisen.

  3. Maßnahmen zuordnen: Legen Sie mit Unterstützung des externen Beraters konkrete Maßnahmen fest und beziehen Sie auch hier die Mitarbeiter ein. Sie wissen in der Regel am besten, was sie belastet und welche Änderungen sinnvoll sein könnten.

  4. Finanzierung klären: Einige Kassen wie die IKK Classic bieten Betriebliches Gesundheitsmanagement zur Prävention an und unterstützen die Teilnahme durch ein Bonussystem. Wer als Betrieb Maßnahmen mit mindestens drei bonusberechtigten, bei der IKK Classic versicherten Mitarbeitern durchführt und erfolgreich abschließt, erhält einen Bonus von 500 Euro. Dazu gibt es für jeden teilnehmenden, bei der IKK versicherten Mitarbeiter noch einen individuellen Bonus von 150 Euro.

  5. Vorbild sein: Machen Sie deutlich, wie wichtig die Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sowohl für den einzelnen Mitarbeiter als auch für den Betrieb sind. Lassen Sie möglichst keine Ausnahmen zu und gehen Sie als Chef mit gutem Beispiel voran, indem Sie sich vor allem zum Maßnahmenstart die Zeit zum Mitmachen nehmen.

  6. Erfolg prüfen: Bis die Maßnahmen greifen und sich etwa in stärkerem Wohlbefinden oder geringeren Fehlzeiten niederschlagen, kann es oft länger dauern. Trotzdem sollten Sie nach einigen Wochen bei den Mitarbeitern nachfragen. Eventuell sind Verbesserungen sinnvoll oder es ist schon an der Zeit, die nächsten Schritte zu gehen.

  7. Nachhaltigkeit sichern: Fordern Sie Ihr Team dazu auf, das gesundheitsgerechte Arbeiten jeden Tag auch tatsächlich zu leben. Etwa indem untereinander falsche Haltungen korrigiert werden. Besprechen Sie aktuelle Probleme regelmäßig und suchen Sie im Team nach Lösungen.