Kriterien für Berufswahl Digitalisierungsbarometer: Problem fürs Handwerk? Jugendliche wollen später gut verdienen

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Sehen, was sie tagsüber geleistet haben – das schätzen junge Schüler und Studenten am Handwerk. Wenn es um ihre Berufswahl geht, stehen jedoch noch andere Bedürfnisse im Fokus. Auf diese sollten Handwerksbetriebe stärker eingehen.

Jugendliche wollen später gut verdienen
Wenn es um ihre Berufswahl geht, stehen bei Jugendlichen ganz unterschiedliche Bedürfnisse im Fokus. - © Maridav - stock.adobe.com

Facebook ist out, Twitter sowieso. Bei den sozialen Plattformen bevorzugen Jugendliche heute vor allem YouTube und Instagram: Mindestens einmal täglich rufen laut der Studie Digitalisierungsbarometer 76 Prozent den Bewegtbildkanal und 72 Prozent die Bilderplattform auf. Das sollten Handwerks­chefs wissen, wenn sie sich auf die Suche nach Nachwuchs begeben. Denn Azubis sind schwer zu finden – oftmals auch, weil die Gewerke an den Jugendlichen vorbeikommunizieren. Das beobachtet Wolfgang Plöger, Direktor bei Lab4Innovations. Im Digitalisierungsbarometer hat er in Zusammenarbeit mit der Empfehlungs- und Bewertungsplattform „Wirsindhandwerk.de“ das Bau- und Ausbauhandwerk unter die Lupe genommen und dabei auch Jugendliche zu ihren Präferenzen befragt.

Jugendliche Erwartungen an ihren späteren Beruf

Schüler und Studenten haben viele Wünsche, die ein Beruf erfüllen muss. Befragt nach den wichtigsten drei Erwartungen, rangieren das Einkommen, die Vereinbarkeit von Beruf mit dem Privatleben und der Familie sowie die Selbstverwirklichung ganz oben.

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Schüler und Studenten haben viele Wünsche, die ein Beruf erfüllen muss. - © Quelle: Digibarometer-handwerk.de/handwerk magazin

Das Fazit lautet: „Das Handwerk sollte sich bei den Jungen noch attraktiver positionieren und sie entsprechend ihren Bedürfnissen und Wünschen ansprechen“, rät Plöger. Die erhobenen Zahlen zeigen, dass Jugendliche bei ihrer Berufswahl insbesondere auf zwei Dinge großen Wert legen: 54 Prozent möchten ein sehr gutes Einkommen erzielen, 45 Prozent geht es darum, ihren Beruf gut mit Privatleben und Familie in Einklang zu bringen. Oben auf der Wunschliste stehen auch Selbstverwirklichung, eine abwechslungsreiche Tätigkeit sowie gute Aufstiegschancen und geregelte Arbeitszeiten. All das gibt es im Handwerk – in unterschiedlichen Abstufungen.

Pluspunkt: Die verrichtete Arbeit ist sichtbar

Besonders gut erfüllt sehen die befragten Jugendlichen dabei mit 85 Prozent die Möglichkeit, die Ergebnisse ihrer Arbeit sofort zu sehen. Dass sie mit den Händen arbeiten (82 Prozent) und in einem Team arbeiten (81 Prozent) können, wird dem Handwerk ebenso gutgeschrieben. Ein wichtiges Resultat ist außerdem, dass die Vereinbarkeit von Beruf mit Privatleben (77 Prozent) und Familie sowie einer abwechslungsreichen Tätigkeit (76 Prozent), die auf der Wunschliste oben stehen, bei einer handwerklichen Arbeit gut erfüllt werden. Plöger rät den Betrieben daher, diese Bonuspunkte in ihrer Kommunikation für Ausbildungsplätze stärker herauszustellen. „Indem sie mit diesen Themen in den sozialen Medien spielen, könnten sich die Handwerksbetriebe noch deutlicher von anderen Berufsfeldern abheben und das Interesse der Jugendlichen auf sich ziehen.“

Wenn es allerdings darum geht, gut zu verdienen, denken mit 51 Prozent nur die Hälfte, dass sie dies als Fliesenleger, Maler, Stuckateur, Dachdecker, Zimmerer, Schreiner, Elektriker oder als Handwerker der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK) können. Die Realität sieht dagegen häufig besser aus: „Das Handwerk hat im Vergleich zu anderen Industrien goldenen Boden“, urteilt Plöger. „Wer fleißig, innovativ sowie kundenorientiert ist und seinen Betrieb nach vorne bringt, hat gute Aussichten auf einen überdurchschnittlich guten Verdienst.“

Digitalisierung ist kein „Game Changer“

Dafür sorgt auch die fortschreitende Digitalisierung in den Gewerken. Über den Einsatz von Software und Technologien im Büro und auf der Baustelle lässt sich viel Zeit und Geld einsparen, was wiede­rum fürs Wachstum des Betriebs eingesetzt werden kann.

Interessant ist allerdings, dass der Umgang mit digitalen Tools und Software bei der Berufswahl eine ziemlich untergeordnete Rolle spielt: Gerade mal elf Prozent der befragten Jugendlichen ist es wichtig, dass sie im Beruf mit modernen Technologien zu tun haben. Bei Jugendlichen mit einem höheren Bildungshintergrund sind es 27 Prozent. „Die Digitalisierung ist nicht der primäre Treiber, einen Handwerksberuf zu ergreifen, aber eine mehr als sinnvolle und attraktive Abrundung“, schlussfolgert Plöger.

Eine wichtige Rolle bei der Berufswahl spielt das Ansehen. Einen Job im Bau- und Ausbauhandwerk halten im Schnitt 20 Prozent der Jugendlichen für attraktiv. Das verhält sich nicht über alle Bildungsgrade hinweg gleich: 37 Prozent der Befragten haben einen Hauptschulabschluss, jeweils 23 Prozent haben mittlere Reife oder Abitur und 13 Prozent absolvieren ein Studium. 27 Prozent der Jugendlichen, die den Handwerksberuf als einen ansehnlichen Beruf anerkennen, sind männlich, zwölf Prozent weiblich.
Diese Diskrepanz zwischen den Geschlechtern findet sich auch in den einzelnen Berufen wieder. Befragt nach der Attraktivität, die eine Tätigkeit im Baugewerbe für sie persönlich ausübt, nennen mit 28 Prozent die meisten Elektriker, gefolgt von Maler (21 Prozent) und Schreiner (20 Prozent). Betrachtet man diese Beliebtheitsskala nach Männern und Frauen, zeigt sich insbesondere beim Elektrikerberuf ein großer Unterschied: 40 Prozent der männlichen Jugendlichen halten den Beruf als eine gute Wahl für sich selbst, während es nur 14 Prozent bei den weiblichen Jugendlichen sind.

Der Malerberuf stößt dagegen einhellig auf Anklang: Jugendliche beider Geschlechter werten diese Tätigkeit als attraktiv.

Der Steckbrief zur Studie

Das Digitalisierungsbarometer ist ein empirisch-fundiertes Forschungskonzept, um ein ganzheitliches Bild der Digitalisierung im Handwerk in ausgewählten Gewerken des Baus und Ausbaus zu zeichnen. Initiator der Studie ist die Empfehlungs- und Bewertungsplattform „Wirsindhandwerk.de“ in Zusammenarbeit mit Lab4Innovations und mit Unterstützung des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT) und des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie der Deutschen Bank und Signal Iduna. Im Zeitraum November 2019 bis Oktober 2020 wurden 1.800 Handwerker, 1.000 Endkunden, 900 Jugendliche und 44 Experten befragt. Hinzu kamen 24 offene Interviews mit Handwerkern und Betriebsinhabern sowie drei Gruppendiskussionen mit Endkunden.
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