Serie Social Media, 1. Folge Social Media im Handwerk: So gelingt digitale Kunden- und Mitarbeitergewinnung

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Digitalisierung, Fachkräftemangel, Kundenbindung, Onlinemarketing und Social Media

Die Auftragsbücher sind aufgrund von Energiekrise und Konsumzurückhaltung nicht mehr ganz so voll: die beste Zeit, sich mit Social Media zu beschäftigen – und mit spannenden Storys Mitarbeiter und Kunden langfristig zu binden.

Wer einen Social- Media-Kanal  betreibt, braucht  regelmäßig frische Inhalte.
Wer einen Social- Media-Kanal betreibt, braucht regelmäßig frische Inhalte. - © handwerk magazin

Wenn im Betrieb die Fachkräfte fehlen, gibt es für Laura Holder nur eine Lösung. „Immer weniger Handwerker und Berufsanfänger sehen sich heute aktiv nach einem Job um, selbst wenn sie mit ihrer aktuellen Situation unzufrieden sind“, sagt die Personalberaterin bei der Handwerkskammer Reutlingen. Die Betriebschefs müssen daher dort hingehen, wo sich die Bewerber befinden – in den sozialen Medien. „Wer auf den Kanälen als Betrieb ebenfalls anzutreffen ist und sich und seine Arbeit präsentiert, zieht die Aufmerksamkeit auf sich“, verspricht Holder. „Von Bewerbern, aber auch von Kunden.“

Die Beraterin, die für die HWK Reutlingen regelmäßig Webinare zum Thema hält, rät auch zu einem Blick ins Social Web, um sich inspirieren zu lassen. Dort machen Handwerker, die längst Kultstatus erreicht haben, vor, wie sich über Social Media ein echter Vorzeigebetrieb gestalten lässt.

Dachdecker hat 82.000 Abonnenten

Selim Fritz ist einer davon: Der Inhaber von Fritz Bedachungen aus Troisdorf hat über seinen YouTube-Kanal schon viele neue Mitarbeiter und Kunden gefunden. Während seiner Lehrjahre hatte er hilfreiche Videos rund ums Dachdecken vergebens gesucht. Das trieb ihn an, es besser zu machen: Als er 2013 seinen Betrieb Fritz Bedachungen gründete, erstellte er einige Jahre später sein erstes Video über die Entstehung eines Carports und veröffentlichte es unter dem Namen „Dach Pro“ auf YouTube.

Das ist nun fünf Jahre her. Der Kanal zählt heute 82.000 Abonnenten. Einige Videos wurden schon über eine halbe Million Mal aufgerufen, insbesondere die Comedy-Serie „Der Praktikant“ kommt bei seiner Social Community, die sich inzwischen auch auf Instagram und TikTok erstreckt, gut an. „Mir als Dachdecker macht es einfach Spaß, euch bei der Arbeit zuzugucken“, schwärmt ein Abonnent im Kommentarfeld. Ein anderer: „Je mehr ich mir das angucke, desto mehr wächst in mir der Wunsch, auch Dach­decker zu werden.“

Mit wenig Aufwand viel erreichen

Auf seine Aktivitäten in den sozialen Medien verwendet Fritz viel Zeit. Während er spontane Clips auf der Baustelle relativ schnell mit dem Handy für TikTok dreht und schneidet, ist Instagram schon aufwendiger: Sein Bild- und Videomaterial sendet er zu einem Kollegen, der den Feinschliff macht. Die meiste Zeit geht für längere Video-Produktionen auf YouTube drauf. Die Folgen seiner Comedy-Serie „Der Praktikant“ dauern schon mal 15 Minuten.

Betriebe können aber auch mit weniger Aufwand viel erreichen. Laura Holder rät Handwerksbetrieben vor allem zu zwei Kanälen: Instagram und Facebook. Der erste, weil er heute der Kanal ist, über den sich junge Zielgruppen am besten erreichen lassen. Der zweite, weil er – wie Instagram – zur gleichen Konzernmutter Meta gehört und sich daher über einen Klick mit wenig Aufwand mit bedienen lässt. Wer mehr machen oder spezielle Zielgruppen bedienen möchte, kann auch TikTok und LinkedIn in Erwägung ziehen.

Interessante Vorhaben sichern

Diese beiden Kanäle bieten den Vorteil, dass sie von vielen Betrieben noch vergleichsweise wenig genutzt werden und dem einzelnen Handwerksunternehmen daher eine höhere Sichtbarkeit bieten. Insbesondere für LinkedIn und das deutsche Pendant Xing, die sich auf beruf­liches Netzwerken spezialisieren, sprechen zwei wichtige Argumente. Über die Portale präsentieren sich Firmen leichter für akademische Fachkräfte, etwa für Positionen wie Bau- oder Projektleiter oder Controller. Zum anderen sind sie dort in Gesellschaft mit größeren Unternehmen, die potenzielle Auftraggeber sind. Darüber können sich Handwerkschefs finanziell sehr interessante Vorhaben sichern. Gleich nach der Website wird die Social-Media-Präsenz somit immer mehr zum Aushängeschild der Betriebe. Aktuelle Zahlen aus dem „Digital 2022“-Report der US-Werbeagentur „We are social“ belegen das: Suchen die meisten deutschen Internetnutzer meist klassisch über Suchmaschinen nach Produkten und Dienstleistern, gefolgt von Preisvergleichs-Plattformen, liegen die sozialen Netzwerke beim Sammeln von Informationen an dritter Stelle. Der Studie zufolge gibt es hierzulande außerdem 72,6 Millionen Social-Media-Nutzer, das sind zehn Prozent mehr als vergangenes Jahr. Durchschnittlich verbringen die User dort anderthalb Stunden pro Tag – auch dieser Wert hat gegenüber 2021 mit fünf Minuten leicht zugenommen.

Medienproduzent Jerg Bengel stellt den Trend zur Suche auf Social Media auch fürs Handwerk fest. „Um sich erste Informationen einzuholen, halten die meisten zunächst über Suchmaschinen im Internet nach geeigneten Betrieben für ihre Bedürfnisse Ausschau. Danach sehen sie sich diese Betriebe auf Social Media noch genauer an“, erklärt Bengel, der gemeinsam mit Holder die Webinare zum Thema Social Media veranstaltet. Wer auf den relevanten Kanälen nicht vertreten ist oder aber dem Besucher mit nichtssagenden Bildern und Texten aufwartet, verliert ihn schnell wieder – und oft für immer – an die Konkurrenz. Ein aussagekräftiger professioneller Auftritt ist daher entscheidend und die beste Visitenkarte der Firma.

Das eigene Team vorstellen

Für einen professionellen Auftritt braucht es gar nicht viel: Teure Kamera-Ausrüstung ist in der Regel nicht nötig. „Mit einem Smartphone lassen sich heute hochqualitative Fotos erstellen“, sagt Bengel. Von der gestalterischen Seite her ist es vor allem wichtig, dass die Bilder gut ausgeleuchtet sind. Inhaltlich gesehen, rät der Medienproduzent dazu, Personen zu zeigen. „Bilder vom Geschäftsführer und seinem Team bieten einen Identifikationspunkt und sie machen sich als verantwortlicher Ansprechpartner erkennbar. Das stellt bei den Nutzern Nähe her“, sagt er.

Zudem fällt es vielen Social-Media-Verantwortlichen leichter, Geschichten zu erzählen, die an Personen geknüpft sind. Doch birgt das Handwerk auch viele weitere spannende Motive. ­Friseure zeigen Haarstylings des Tages oder der Woche, Konditoren ihre neuesten Tortenkreationen und Tischler ihre Türen, Tische und Fenster, die sie derzeit in Arbeit haben. „Von Prestige-Objekten können sie dann ruhig ein paar mehr Bilder machen und diese dann im Lauf der Zeit posten“, schlägt Bengel vor. Das Gleiche gilt übrigens für die Produktion von Kurzvideos, die seit dem Boom von TikTok auf allen Kanälen immer beliebter werden: Die bewegten Bilder lassen sich leicht übers ­Handy aufnehmen und bearbeiten.

Über die sozialen Medien wurde auch aus Nafz Holzhaus schnell ein Vorzeige­betrieb. Als die Brüder Sebastian und Lukas Nafz die Zimmerei in Horb am Neckar vor zwei Jahren von ihrem Vater übernahmen, setzten sie von Anfang an auf LinkedIn, YouTube, Instagram und Facebook. Dort posten sie Ereignisse aus dem Berufsalltag. Zum Beispiel zeigen sie Projekte wie ein frisch fertiggestelltes Holzhaus oder informieren über aktuelle Themen wie die steigenden Rohstoffpreise. Die Suche nach Fachkräften erfolgt ebenfalls über Social Media: Unter dem Motto „Wir suchen #zimmerer mit gewissen Vorzügen“, das sie über ein Hashtag auffindbar machen, zeigen die Brüder ihre Mitarbeiter und stellen Ziele vor: „Jedes nachhaltige Nafz Holzhaus bindet langfristig CO2 und bedeutet weniger Baumüll und Giftstoffe. Gemeinsam mit mutigen Menschen wie Dir haben wir die Durchschlagskraft, den ökologischen Hausbau weiter voranzubringen.“ Solche Botschaften interessieren auch die moderne umweltbewusste Klientel.

Inhalte: Wie Betriebe ihre Nutzer informieren und unterhalten

Für die Social-Media-Kanäle ist keine teure Ausrüstung nötig, ein Handy reicht völlig aus. Gefragt ist dagegen die kreative Inszenierung von Alltagsmotiven – ob als Bild oder als Video.

  1. Mit dem Handy in der Tasche können Handwerkschef und Mitarbeiter tägliche Arbeiten schnell und einfach festhalten. Als Motive eignen sich die jeweils an einem Projekt beteiligten Personen. Diese bieten dem Besucher des Social-Media-Accounts die Möglichkeit, das Team dahinter kennenzulernen und Ansprechpartner zu finden. Zudem fällt es leichter, Geschichten zu erzählen, die an Personen geknüpft sind.
  2. Im Alltag der Handwerksbetriebe finden sich viele spannende Motive. Friseure zeigen Haarstylings des Tages oder der Woche, Konditoren ihre neuesten Tortenkreationen und Tischler ihre Türen, Tische und Fenster, die sie derzeit in Arbeit haben. Von Prestige-Objekten lassen sich gleich mehr Bilder erstellen, die dann nach und nach veröffentlicht werden können. Auch Vorher-nachher-Bild-Collagen ziehen das Interesse der Nutzer auf sich.
  3. Bewegtbild-Inhalte lassen sich ebenfalls leicht übers Handy aufnehmen und bearbeiten. Seit dem Boom des Kurzclip-Kanals TikTok liegen Videos auf allen Social-Media-Plattformen im Trend. Die Inhalte reichen von How-tos bis hin zu unterhaltsamen Episoden aus dem Handwerkeralltag.

Idealer Job für Studenten

Während bei Fritz Bedachungen alias Dach Pro der Chef den Account zusammen mit einem Kollegen managt, sind die Brüder Nafz derzeit auf der Suche nach einem Social-Media-Manager in Vollzeit. Der soziale Auftritt gelingt aber auch mit kleinerem Budget.

Personalberaterin Laura Holder sieht die Aufgabe gut bei Azubis aufgehoben. „Die meisten betreiben ohnehin ihre eigenen Social-Media-Kanäle und kennen sich mit Technik und Inhalten bestens aus“, sagt sie. Gut funktioniert es auch, eine Werkstudentin oder einen Werkstudenten im Bereich Betriebswirtschaft, mit dem Minijob zu betrauen. Die Posts lassen sich schließlich von überall aus erstellen und sind nicht zeitgebunden. Von der Baustelle aus senden die Mitarbeiter ihre Bilder direkt an den externen Social-Media-Kollegen, der sie dann weiter bearbeitet und auf dem betriebseigenen Kanal veröffentlicht. Eine Social-Media-Agentur oder einen beliebten Influencer aus dem Handwerk – so wie zum Beispiel Selim Fritz von Dach Pro – zu­rate zu ziehen, sind ebenso Möglichkeiten, um erste Schritte auf dem sozialen Parkett zu gehen. Für was auch immer sich ein Betrieb entscheidet: „Ein- bis zweimal die Woche sollte ein Kanal mit frischen Inhalten bestückt werden, damit er Aufmerksamkeit bekommt“, er­läutert Holder.

Wer die eigene Sichtbarkeit auf den Kanälen noch verstärken möchte, kann Werbung in den Kanälen schalten. Laut der Studie von „We are social“ fließt heute fast ein Viertel der Werbebudgets in Unternehmen in die sozialen Netzwerke. Doch sieht Holder in diesem Aufmerksamkeits-Katalysator ebenfalls eher die Kür. Zunächst müssen die Inhalte stimmen. „Bis ein Kanal so richtig an Fahrt aufnimmt, dauert es ein bis zwei Jahre“, schätzt die Expertin. Stellen sich dann verlässlich Likes und Follower ein, können Betriebe – immer gekonnter – mit den vielen Facetten der Social-Media-Kanäle spielen.

Kanäle: Die wichtigsten Plattformen fürs Handwerk

Jedes soziale Netzwerk hat seine eigene Ausrichtung. Während sich Facebook eher für Privatpersonen und kleine Betriebe eignet, ist LinkedIn auf die Pflege von Geschäfts­kontakten spezialisiert.

  • TikTok
    Das 2016 gegründete Videoportal für Lippensynchronisation von Musikvideos und Videoclips wurde 2018 in TikTok umbenannt. Eigentümer ist die chinesische Firma ByteDance. Das soziale Netzwerk hat 15 Millionen monatliche User in Deutschland.
  • Facebook
    Das größte soziale Netzwerk zählt wie Instagram zum US-Konzern Meta. Seit seiner Gründung 2004 bietet es private Profile zur Darstellung der eigenen Person und geschäftlichen Präsenz. Dazu gibt es Gruppen für gemeinsame Interessen. Die monatliche Userschar hierzulande beträgt 47 Millionen.
  • Instagram
    2010 gegründet, ist Instagram heute eines der wichtigsten sozialen Netzwerke. Im Fokus der visuellen Plattform stehen Fotos und zunehmend Videos. Monatliche User in Deutschland: 32 Millionen.
  • LinkedIn
    Über das Netzwerk aus den USA knüpfen und pflegen Konto-Inhaber ihre Geschäftskontakte. Seit Ende 2016 gehört die Plattform zu Microsoft und zählt in Deutschland 14 Millionen User je Monat.

Social-Media-Apps: Wie viel Zeit User mit den Kanälen verbringen

Facebook verbucht mit 60 Prozent zwar die meisten Social-Media-User, allerdings beschäftigen sich diese mit derzeit elf Stunden pro Monat zunehmend weniger mit der Plattform. TikTok kommt mit einem Plus von 22 Prozent dagegen immer besser an.

Social-Media-Apps:
© Quelle: Wearesocial.com, Digital 2022 Report