Vermögensaufbau Börse: Was tun, wenn das Aktien-Depot im Minus ist?

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Corona brachte einen rasanten Kurseinbruch an den Börsen mit sich. Als sich abzeichnete, dass die Pandemie langsam zur Endemie wurde, stiegen die Kurse fast ebenso schnell. Mit Russlands Krieg gegen die Ukraine folgte der nächste Absturz an den Börsen. Über zwölf Prozent verlor der DAX im Jahr 2022, viele Depots rutschten ins Minus. Derzeit fehlt der Trend: Die Aktienkurse erholen sich ein paar Tage, nur um dann wieder nachzugeben. Viele Investoren stellen sich die Frage: Was tun mit den Negativperformern im Depot?

Depot im Minus – was hilft dem Anleger? - © Jürgen Fälchle - stock.adobe.com

Wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) meldet, besaßen im Jahr 2021 mehr als zwölf Millionen Menschen in Deutschland Aktien. Zum Vergleich: In über 20 Jahren wurde nur zwei Mal eine höhere Zahl registriert. Staatliche Unterstützung und die ohnehin große im Umlauf befindliche Geldmenge sorgten nach dem Corona-Crash für ein Kursfeuerwerk an den Börsen. Mit Russlands Krieg gegen die Ukraine folgte der nächste enorme Absturz der Börsenkurse. Über 12 Prozent verlor der DAX im Jahr 2022, viele Depots rutschten ins Minus. Nun erholen sich die Kurse, doch Experten warnen: Diese Entwicklung ist noch kein stabiler Aufwärtstrend.

Einige Profiteure eines intensiven Aktienhandels – vor allem Banken, Broker und Neo-Broker – trommeln auf ihren Homepages und Anlegerforen intensiv für ein Börseninvestment und das Ausnutzen von Kurschancen. Doch mancher Marktteilnehmer sieht die Entwicklung kritisch. So meint Dr. Gabriele Widmann, Volkswirtin bei der Deka Bank: "2023 wird ökonomisch ein Jahr des Übergangs: Unternehmen, Märkte und private Haushalte müssen Krisen und Inflation verdauen, bevor der nächste Aufschwung an Kraft gewinnen kann." Doch dass der nächste Aufschwung kommt, bezweifelt auch sie nicht: "Bisher kommen die Unternehmen besser durch die Krise als erwartet. Gleichzeitig haben die Börsen Umsatzeinbußen und Verluste bereits eingepreist, so dass hier Kurspotenzial entstanden ist. Und noch einen Faktor sollten Anleger nicht vergessen: Derzeit ist die Bereitschaft der Konsumenten, Preiserhöhungen zu akzeptieren so hoch wie selten zuvor - da steckt erhebliches Gewinnpotenzial für die Unternehmen drin."

Die Krisen 2022: Kursverluste durch globale Risiken

Der Blick zurück auf 2022 macht klar: Rendite gibt es nur gegen Risiko. Und Risikopotenzial gab und gibt es zuhauf: „Es sind vor allem geopolitische Entwicklungen – der Krieg in der Ukraine, der langanhaltende Lockdown in China, der Taiwan-Konflikt zwischen China und den USA – die die Börsenentwicklung bestimmen“, so Widmann. Aber auch die Inflation und die strengere Geldpolitik durch die Notenbanken sorgten für Abwärtspotenzial bei den Aktienkursen - "wir stehen am Anfang einer Rezession, wenn vermutlich auch einer milden", so Widmann.

Anlegerschema: The Trend is your friend

Die Rezession bereitet Privatanlegern Sorge – sie reagieren auf Kursverluste oft mit Aktienverkäufen. "Der Mensch tendiert dazu, dem Trend zu folgen", erklärt Gabriele Widmann. Das führe dazu, dass bei steigenden Kursen immer mehr Anleger einsteigen und bei fallenden Kursen immer mehr Investoren der Börse den Rücken kehren. Damit verstärken sie den jeweiligen Trend. Irgendwann wird dann von einer Kursblase - oder eben einer Bodenbildung gesprochen - und der Trend kehrt sich um. Klug ist ein solches Anlegerverhalten nicht. Denn weder Angst noch Euphorie sind gute Ratgeber. "Besser ist ein strukturierter Prozess mit klaren Investitionszielen", findet Claudia Rankers, Certified Financial Planner und Inhaberin eines Family- und Unternehmer-Offices in Flörsheim. Und Finanzlegende Warren Buffett bemüht folgendes Bild: "Der Aktienmarkt ist wie ein Umzugsunternehmen, wo das Geld von den Aktiven an die Geduldigen weitergereicht wird."

Verkauf als Teil des Risikomanagements

"Die Realisierung von Verlusten durch den Verkauf von Wertpapieren dient der Verlustbegrenzung und ist damit Teil des aktiven Risikomanagements", so die Diplom-Betriebswirtin Rankers. "Es gibt eben verschiedene Anlegertypen - die Risikoaversen gehen später rein und früher raus aus dem Markt. Wichtig sei, dass sich die Investoren ihrer Risikoneigung und ihrer Risikotragfähigkeit bewusst seien. Ihrer Erfahrung nach, ist das nicht immer Deckungsgleich. So neigen Männer tendenziell stärker dazu, risikofreudig zu investieren. Dabei vernachlässigen sie aber oft, dass sie Cash für den laufenden Haushalt, geplante Investitionen, Steuern oder Kreditfinanzierungen benötigen. Grundsätzlich gelte: "Je länger das Kapital investiert werden kann desto risikoreicher kann es angelegt werden", erklärt sie.

Rankers rät, ein Depot strategisch auf- und abzubauen: "Gut ist es, in mehreren Tranchen in eine Aktie einzusteigen. Auch ein monatliches Investieren ist sinnvoll, um vom Cost-Average-Effekt mit einem günstigeren Durchschnittspreis zu profitieren." Denn: Jeder Kauf kostet Gebühren – meist in Prozent der angelegten Summe. Insgesamt sind die Durchschnittskosten der Anteile daher geringer, wenn man sie über einen langen Anlagehorizont hinweg streckt. Gleichzeitig sollten sich Anleger ein Kursziel setzen und bei Erreichen auch tatsächlich Gewinne durch Teilverkäufe mitnehmen." Für Verlustphasen rät sie, Stopp-Loss-Orders zu hinterlegen - und diese bei steigenden Kursen nachzuziehen: "Ich habe meist eine Haltelinie von 10 Prozent Verlust. Dann verkaufe ich eine Tranche und beobachte die Entwicklung", sagt sie. Wenn sie eine Trendwende sieht, ist dann auch der richtige Moment, um nachzukaufen. "Anleger sollten also immer ein bisschen Cash in der Hinterhand haben, um Chancen an der Börse nutzen zu können."

Wer gut wählt, kann gut schlafen

Grundsätzlich sind sich beide Anlageexpertinnen aber einig: "Wer vor einem Aktieninvestment die Titel genau analysiert und von der Erfolgsgeschichte des Unternehmens und/oder der Branche überzeugt ist, sollte zwischenzeitliche Buchverluste aushalten und eher darüber nachdenken, nachzukaufen", so Widmann. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass über einen Zeitraum von acht Jahren mit einem Investment in den DAX immer Kursgewinne erzielt wurden, gleichgültig zu welchem Zeitpunkt der Investor eingestiegen ist", erklärt Rankers. Langfristig in einem gut strukturierten Depot zu bleiben und Kursverluste auszusitzen, kann somit auch eine erfolgreiche Anlagestrategie sein, wenn der Anleger mit dieser Entscheidung noch gut schlafen kann", sagt sie.

Börsentrend 2023: kurzfristig schwierig, langfristig mit viel Potenzial

Außerdem raten die Expertinnen, langfristig zu planen. Die Wirtschaft befinde sich bereits auf dem Weg aus der Krise. Dann sind die Börsenkurse voraussichtlich wieder auf einem neuen Höchststand und es profitiert besonders, wer heute zu günstigen Konditionen eingestiegen ist. Börsenlegende Andre Kostolany hat es einmal so gesagt: „Börsengewinne sind Schmerzensgeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld".

Ein Tipp von Gabriele Widmann: "Unternehmen, die traditionell gute Dividenden zahlen, werden dies auch in der Krise weiterführen. Für Anleger ist ein Investment in Dividendentitel - oder Dividendenfonds - daher ein zusätzlicher Risikopuffer."