Drei RiH im Porträt Restauratoren im Handwerk: Ein Holzbauer, eine Kirchenmalerin und ein Buchbinder zum Anfassen

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Konjunktur, Restaurierung, Weiterbildung und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Zusammen mit anderen Fachleuten kümmern sich ­Restauratorinnen und Restauratoren im Handwerk (RiH) um die Pflege und Erhaltung des kulturellen Erbes. Die Geschäftsaussichten sind gut – wie drei Profis bestätigen.

Sebastian Schmäh, Unternehmer, Zimmermeister und staatlich geprüfter Restaurator aus Meersburg am Bodensee.
Sebastian Schmäh, Unternehmer, Zimmermeister und staatlich geprüfter Restaurator aus Meersburg am Bodensee. - © Ilja Mess

Sie restaurieren sakrale Jesuskindlein, retten historische Akten, denen die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal ziemlich zugesetzt hat, oder halten in Meersburg die älteste bewohnte Burg Deutschlands in Schuss. Mit ihren Betrieben haben sich Agnes Hümmer, Norbert Schempp und Sebastian Schmäh der Restaurierung und Denkmalpflege verschrieben – und dabei einen Traumjob ge­funden. Noch dazu einen, der auf Neudeutsch viel Purpose, also Sinnhaftigkeit, und Chancen für ­lukrative Geschäfte verspricht.

„Das ist eine wunderbare, tolle Arbeit“, schwärmt Zimmermeister Schmäh in seinem Meersburger Büro. Er mache sein Handwerk immer noch mit Begeisterung. Und dieses Handwerk hat in Schmähs Familie Tradition: Er ist Generation Nummer sechs – mit Stolz und viel unternehmerischem Geschick, so der Eindruck vor Ort, führt er eigenen Angaben zufolge die größte Zimmerei im ­Bodenseekreis. Selbst die landauf, landab geführten Diskussionen über den Fachkräftemangel, die teilweise heftigen Preissteigerungen oder die merklich gestiegene Komplexität für Firmenlenker scheinen den Chef, Inhaber und Restaurator nicht aus der Ruhe zu bringen. Kein Wunder: Unternehmer Schmäh stimmt die wirtschaftliche Perspektive mehr als zuversichtlich. „Historische Bestände sind die Zukunft schlechthin“, betont der staatlich geprüfte Restaurator und zweite Vorsitzende des Dachverbandes der Restauratoren im Handwerk (DRH).

Mit der Geschäftslage zufrieden

Ähnlich positiv wie Schmäh schätzen viele Restauratorinnen und Restauratoren im Handwerk (RiH), zu denen sich in den vergangenen vier Jahrzehnten gut 5.000 Handwerksmeisterinnen und -meister fortgebildet haben, die Situation ein. Das zeigt eine Befragung unter ihnen, die die Beratungsstelle für Handwerk und Denkmalpflege in Fulda alle zwei Jahre bundesweit bei den Restaurierungsprofis durchführt. Mit spannenden Erkenntnissen. Insgesamt füllten 265 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Sommer 2022 bei der jüngsten Befragungswelle den Online-Fragebogen aus. Um es gleich vorwegzunehmen: Sie berichteten von stabilen Auftrags­eingängen und zeigten sich mit der Geschäfts­lage zufrieden. 78,4 Prozent meldeten diesbezüglich ein „gut“ nach Fulda, 19,7 Prozent ein „befriedigend“, lediglich zwei Prozent schlugen sich mit einer schlechten Geschäftslage herum. Allerdings gingen nicht alle Umfrageteil­nehmer gleich zuversichtlich in ihre Zwölf-Monate-Zukunft: Die Geschäftslage bleibt gleich, sagten 62,5 Prozent; sie wird besser, erwarteten 9,1 Prozent; sie wird schlechter, prognostizierten 28,5 Prozent.

Weitere Hürden im Tagesgeschäft der RiH: Die allgemeinen Preissteigerungen im Handwerk machten sich laut der aktuellen Befragung auch in der ­Denkmalpflege und der Altbausanierung bemerkbar. Zudem kämpften etliche Betriebe mit einer verschärften Mitarbeitersituation oder der Suche nach dem passenden Azubi. Ob das auch für die drei eingangs erwähnten Protagonisten unserer Story gilt? Welche Tipps haben sie wohl für potenzielle RiH parat, die gerade darüber nachdenken, diese Qualifizierung zu absolvieren?

Fortbildung: 19 Mal dem kulturellen Erbe verpflichtet

Seit diesem Jahr gibt es für Restauratorinnen und Restauratoren im Handwerk (RiH) eine neue Regelung: Wer die Fortbildung erfolgreich absolviert, kann sich „Geprüfter Restaurator im Handwerk oder Geprüfte Restauratorin im Handwerk – Master Professional für Restaurierung im Handwerk“ nennen – gleichwertig mit dem Hochschulabschluss Master. Prüfungsvoraussetzung: der Meisterbrief. Die umfangreiche, mit Aufstiegs-BAföG förderfähige Qualifizierung existiert für folgende Handwerksberufe (Quelle: ZDH):

  • Buchbinder
  • Gold- und Silberschmied
  • Graveur
  • Holzbildhauer
  • Karosserie- und Fahrzeugbauer
  • Kraftfahrzeugtechniker
  • Maler und Lackierer/
  • Kirchenmaler
  • Maurer und Betonbauer
  • Metallbauer
  • Metallbildner
  • Orgel- und Harmoniumbauer
  • Parkettleger
  • Raumausstatter
  • Steinmetz und Steinbildhauer
  • Stuckateur
  • Tischler
  • Uhrmacher
  • Vergolder
  • Zimmerer

1. Kommunikator Sebastian Schmäh

Sebastian Schmäh, der den heute 48 Mitarbeiter großen Betrieb 2003 von den Eltern übernommen hatte, schüttelt den Kopf. Diesen Trend kann er für sein Handwerksunternehmen nicht bestätigen. „Wir werden von potenziellen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie Azubis überrannt“, bringt es der Unternehmer auf den Punkt. Sein Erfolgsrezept? „Man muss das Handwerk neu denken, andere Schwerpunkte setzen und besser kommunizieren.“ Diesen neuen Wind spüren auch seine derzeit 15 Auszubildenden tagtäglich. 80 Prozent seiner Zeit verbringt Handwerkschef Schmäh mittlerweile mit Kommunika­tion – ein beachtlicher Wert. Und er sagt zwei Sätze, die zum Nachdenken anregen: „Wirtschaftlich ist das eine goldene Zukunft. Der Schlüssel sind aber nicht die Auf­träge, sondern die Mitarbeitenden.“

Demnach verwundert es kaum, dass der Zimmermeister derzeit einen neuen Firmenstandort, natürlich im modernen Holzbau, aus der Taufe hebt, der über zwölf Mitarbeiter-Wohnungen verfügt. Da das Gros des Firmenwachstums über eigene Kräfte kommen soll, muss er diesen schon etwas bieten. Einen Hebel, der nach innen und außen wirkt, möchte der vielfach prämierte Unternehmer zusätzlich promoten: Auszeichnungen und Awards. „Sie schaffen Sichtbarkeit“, sagt Schmäh. So erhielt er selbst unter anderem 2018 die Wirtschafts­medaille Baden-Württemberg, fünfmal den Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg, aber auch renommierte Spezialauszeichnungen für Effizienz, Motivation und Zukunftsfähigkeit.

2. One-Woman-Show Agnes Hümmer

Ein Sprung vom Bodensee nach Franken, konkret nach Zapfendorf: „Die Putz­restaurierung ist mein Spezialgebiet. Das können nicht so viele“, freut sich Agnes Hümmer, Kirchenmalerin und RiH, über ihr Alleinstellungsmerkmal. Aber auch die Bauforschung zähle zu ihren Lieblingsthemen, erzählt sie am Telefon. 2016 machte sie ihren Meister im Maler- und Lackiererhandwerk und setzte noch den RiH drauf. Im Juli 2017 startete sie dann als One-Woman-Show in die Selbstständigkeit. „Das wollte ich schon immer.“ Keine Frage: Sie brennt für ihren Beruf. Ihr Tipp: „Man muss zu 100 Prozent dahinterstehen und Lust haben.“ In der Regel ist die Kirchenmalerin von Montag bis Donnerstag in Süddeutschland unterwegs. Mal restauriert sie ein filigranes, hölzernes Jesuskindlein, mal schlägt sie 200 Quadratmeter Putz ab. Das eine oder andere denkmalgeschützte Objekt findet sich auf ihrem Instagram-Kanal wieder – mit Vorher-nachher-Bildern. Hümmer: „Man muss sehr flexibel sein und eine hohe Reisebereitschaft mitbringen.“ Dass der Job manchmal kräftezehrend ist, macht ihr nichts aus.

Eher irritierte die Soloselbstständige anfangs, dass es keine Planungssicherheit gibt. „Was ist, wenn kein Auftraggeber anruft?“, fragte sie sich damals. Ja, und was ist dann? Wenn Diözesen, Kommunen, Bundesländer, Stiftungen oder private Auftraggeber sich zurückhalten? Hümmer lacht: „Arbeit gibt es immer! Der Bedarf ist grundsätzlich da.“ Besonders schätzt sie es, wenn die Auf­träge direkt vom Architekten kommen. Auch Arbeitsgemeinschaften für spezielle Themen seien in ihrem Metier nicht unüblich. Ein Trend, der auch für viele andere Gewerke gilt, ist die Zunahme an öffent­lichen Ausschreibungen über digitale Portale. „Die Kalkulationen sind hier schwierig“, lässt Hümmer hinter die Kulissen blicken. Oftmals gehe es hier nur um „günstig“.

3. Stratege Norbert Schempp

Buchbindermeister Norbert Schempp aus Kornwestheim, der wie Hümmer und Schmäh in einer ZDH-Datenbank zu finden ist, setzt schon lange auf ­Digitalisierung – und hat sie zu einer von vier Abteilungen seines 30 Mitarbeiter ­großen Betriebes gemacht. Neben der ­„Digitalisierung und Ver­filmung“ gibt es die Sparten „Bestandserhaltung/Schaden­sanierung“, „Buch- und Grafikrestaurierung“ sowie „Schutzverpackung für Kulturgüter“. Bereits 1989, als Schempp den Betrieb von den Eltern übernahm, investierte er in die ­Restaurierung, klassische Buchbinderaufträge gab er an Kollegen weiter. „Wir sind konsequent den Weg in Richtung Bestandserhaltung gegangen“, ­berichtet der Restaurator im Buchbinderhandwerk im ­Videocall. Die Entwicklung spezieller Kartonagen, der Kauf der ersten Trocknungsanlage wegen der 2002er-Flutkatastrophe oder der heute 3.000 Quadratmeter große Firmen­standort – Schempp richtete seinen Betrieb stets an den aktuellen Herausforderungen aus.

„Ich bin sehr zuversichtlich für die Zukunft“, sagt der Handwerkschef. „Wir finden auch relativ leicht Leute, die zu uns passen.“ Seine Erklärung: Erstens sei die Tätigkeit für sie interessant, zweitens sei ihm ein gutes Arbeitsklima wichtig. So schaltet er gerne mal eine Anzeige mit dem Slogan: „Wollen Sie mal in einer guten Firma arbeiten?“ Allein vier neue Mitarbeiter konnte er dieses Jahr schon mit dem Mitarbeiter-zentrierten Ansatz überzeugen. Zudem ist ihm wichtig, dass er für sein Team immer ansprechbar ist: per Telefon, E-Mail oder MS Teams. Denn Schempp ist viel und bundesweit im Auto unterwegs, legt das Restaurierungsziel individuell mit den Auftraggebern fest. Seine Erfahrung: „Wenn ich beim Kunden austauschbar bin, habe ich ein Problem!“ Die aktuelle Größe der Schempp Bestandserhaltung GmbH erlaubt es ihm, an den zunehmenden Ausschreibungen über Portale teilzunehmen. Drei-Mann-Betriebe seien da außen vor. Doch Wachstum ist für ihn nicht alles: „Möchte ich noch weiter wachsen?“ – diese Frage treibt Schempp gerade um.

ZDH-Datenbank: Den Profi aus der Region finden

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat 2022 seiner qualitätsgesicherten Datenbank für Restaurierungsbetriebe einen Relaunch verpasst. Die modernisierte Datenbank schaffe Transparenz für Eigentümerinnen und Eigentümer und sie verschaffe den spezialisierten Betrieben mehr Sichtbarkeit, hieß es dazu aus Berlin. Wer nun beispielsweise den passenden Denkmalpflege- oder Restaurierungs-Spezialisten für Arbeiten im Bestand sucht, kann sich via Smartphone & Co. über fachliche Schwerpunkte, Qualifikationen oder Auszeichnungen schlau machen.

  • Website: restaurierung-handwerk.de
  • Kosten: Nutzung kostenlos
  • Registrierung: 50 Euro pro Jahr für qualifizierte Handwerksbetriebe
  • Kriterienkatalog: derzeit 13 besondere Zulassungskriterien oberhalb der handwerksrechtlichen Zulassung

Auf Augenhöhe kooperieren

Mit der Fortbildung zum RiH sind die Handwerksmeisterinnen und -meister offensichtlich bestens fürs Arbeiten an unwiederbring­lichen Zeugnissen der Geschichte gerüstet. Auf Augenhöhe können sie so mit den akademischen Restauratoren das kulturelle Erbe schützen und erhalten sowie sich auf den Baustellen ergänzen. „Handwerk kann Restaurierung“, weiß Dr. Titus Kockel vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Aus Sicht des Referatsleiters sollte man die Experten frühzeitig einbinden. Gehen beide Seiten dabei dann offen aufeinander zu, lassen sich Projekte professionell vorantreiben. Das Handwerk hat dabei viel zu bieten, gerade für den Nachwuchs.
„Wer restaurieren will, möchte ran ans Objekt – gerade jungen Leuten gefällt die Praxisnähe im Handwerk“, sagt Kockel. „Wenn sich die jungen Leute damit unternehmerisch verwirklichen können, sind wir auf einem guten Weg“, betont der Referats­leiter.