Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Lassen Sie sich von Komfort-Versprechungen nicht täuschen!

Ruth Baumann ist in letzter Zeit wirklich "berührt", wie viele sich um ihren persönlichen Komfort im Leben sorgen. Verschiedenste Dinge sollen ihr unter dem Deckmantel des Komforts "aufgeschwätzt" werden, die sie eigentlich gar nicht braucht. Warum sie für vermeintliche Work-Life-Balance-Versprechungen nicht empfänglich ist, erläutert Ruth Baumann in dieser Folge von "Neues von der Werkbank".

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann, Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg, mahnt bei Komfort-Versprechungen zur Vorsicht. - © privat

Es ehrt mich, dass die Sorge um meinen persönlichen Komfort, gepaart mit dem unterstellten, unbändigen Verlangen, die Umwelt alleine retten zu wollen, geradezu inflationär zunimmt. In Briefen (sofern sie denn ankommen), Mails, Werbung und Social Media müht man sich redlich ab, mir Komfort schmackhaft zu machen. Leider verkennen die Adressaten, dass ich noch aus einer Generation stamme, die nicht mit Work-Life-Balance, sondern dem Streben nach Eigenverantwortung, gepaart mit einem Leistungsgedanken, erzogen worden ist. Der Gedanke an Komfort oder Genuss führte eher ein Schattendasein. Im Nachhinein vielleicht auch ein Fehler, aber dennoch Teil der eigenen Biographie.

Alle scheinen in meinen E-Mail-Verteiler, auf mein Handy oder gar direkt in mein Leben zu wollen, um vermeintlich kostenlos (so viele sozial-caritative Vorhaben kann es gar nicht geben) mir das Leben zu erleichtern. Hierbei stehlen sie mir zugleich das Kostbarste: meine Zeit. Verbunden mit der Hoffnung, dass ich dies nicht durchschaue.

Vermeintlicher Komfort bei der Deutschen Bahn

Durch das Einstellen der haptischen (greifbaren) Bahncard wird nun konkret die Umwelt gerettet und ich steige zugleich zum unbezahlten Mitarbeiter der Deutschen Bahn auf. Der Schaffner wird eingespart, da durch den „Komfort-Check-in“ der Kunde die Kontrolle der Fahrkarten übernimmt. Bei Zugausfällen und Verspätungen wird man per Mail informiert und die Werbung kommt frei Haus. Eine Zugfahrt ohne Handy ist nicht mehr möglich, während zugleich die Speicherkapazität schwindet. Hier endet dann der Komfort, denn bei Zugausfällen wird die nächste Verbindung nicht automatisch mitgeteilt. Es ist die Aufgabe des Kunden, sich schlau zu machen. Der Fortschritt (oder Komfort?) zeigt sich darin, dass immerhin die Zugbindung aufgehoben wurde.

Mein Komfort steigt weiter, da das persönliche Handy zum Tummelplatz unterschiedlichster Apps wird. Zahlungsverkehr und Austausch mit den Banken ist doch bequem von unterwegs mal schnell zu erledigen. Der Speicherplatz und die Nutzung werden vom Kunden gratis zur Verfügung gestellt, die Gebühren bleiben. Als kaufmännischer „Dinosaurier“ habe ich Probleme damit, Löhne und Lieferanten mal schnell zwischen Tür und Angel zu überweisen. Die Segnungen der Technik nutze ich so, wie ich es für sinnvoll und verantwortbar halte. Dies müssen nicht alle zwangsläufig so sehen, wie ein Blick auf die Quote der privaten Verschuldung zeigt. Und AGB oder Geschäftskorrespondenz als “Ameisenkino“ ist nicht so mein Ding.

Komfort im Wettbewerb mit Nutzungsdauer

Nicht jede Krankenkasse unserer Mitarbeiter wird auf meinem Handy „Wohnrecht“ erhalten. Newsletter, Push-up-Nachrichten, Werbung – sind nicht Komfort, sondern Plage. Wer bei Anliegen oder Rückfragen mich in nervenden Warteschleifen am Nasenring durch die Manege führt, bekommt weder Speicherplatz noch Aufmerksamkeit. In der Sorge um den schwindenden Komfort in unserer Gesellschaft sollen nun Strom-, Wasser- und Heizungszähler entweder durch den Kunden oder digital abgelesen werden. Eine Kostenreduzierung durch die Mitarbeit des Verbrauchers bei Selbstablesung gibt es nicht, aber der diskrete Hinweis, dass er sich dadurch einen Tag Urlaub spart. Nun, diese Art der Logik mag einen gewissen Charme aufweisen. Die Entlastung ist nahezu greifbar, die Frage ist nur für wen. Bei der Nutzungsdauer digitaler Geräte geht man von kürzeren Intervallen aus. Komfort im Wettbewerb mit Nutzungsdauer: bleibt dann die Nachhaltigkeit auf der Strecke, während die Kosten weiter steigen?

Seien Sie kritisch und wachsam. Nicht alles, was unter dem Deckmantel „Komfort“ und/oder „kostenlos“ bei Ihnen aufschlägt, ist es auch. Die wenigsten Geschäftsmodelle können es sich leisten, der rein humanitären Ausrichtung zu huldigen. Manche Arbeit wird daher einfach umgewidmet und liegt plötzlich, getarnt, auf Ihrem Schreibtisch und Ihrer To-do-Liste. Kompetenz und Wertschätzung innerhalb einer Geschäftsbeziehung zeigen sich darin, wenn man die direkte Kommunikation nicht scheut und Informationen auf den Punkt abrufbar sind. Die Kunden dem weltweiten Netz oder inhaltslosen Websites zu opfern, ist kein Komfort, sondern ein Zeitfresser.

Sparsamer Umgang mit der eigenen Zeit

Verlässlichkeit, Verfügbarkeit und Langlebigkeit haben einen größeren Charme. Sie sind Komfort. Meine Waschmaschine läuft auch ohne Online-Überwachung von unterwegs.

Müll vermeiden ist nachhaltig. Dies sollte auch für den geistigen Müll gelten. Lassen Sie sich nicht durch vermeintlichen Komfort blenden, der Ihnen etwas Unnützes aufdrängen will oder Ihnen gar die Intelligenz abspricht, dieses Geschäftsmodell zu durchschauen. Pflegen Sie lieber einen sparsamen Umgang mit Ihrer Zeit, denn diese ist kostbar und endlich.

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischem Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.

Zugehörige Themenseiten:
Kundenbindung, Mobiler Kunde, Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann, Onlinemarketing und Social Media