Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Mehr Leistung fordern, fördern und erbringen

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Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Was einst in der Freizeit sowie im Sportunterricht begann, schwappt später ins Arbeitsleben: Wir haben verlernt, uns messen und vergleichen zu wollen. Es stellt sich also die Frage: Wollen wir auch nichts mehr leisten? Eine Entwicklung, die die Zukunftsfähigkeit unseres Landes nachhaltig schädigen wird. So schätzt Kolumnistin Ruth Baumann die aktuelle Lage der Nation ein. Mehr dazu in dieser Folge "Neues von der Werkbank“.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann, Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Irgendwann begannen Schönheitswettbewerbe sich zu ändern: Es wurde nicht die äußere Erscheinung, sondern die innere Schönheit oder aber die Vertretung unterschiedlichster Anliegen bewertet. Obwohl ich kein Freund der Oberflächlichkeit bin, fand ich diese „Umwidmung“ etwas seltsam. Auch die Bahn scheint mittlerweile lediglich noch die Anforderung zu haben, überhaupt irgendwie im Zielbahnhof anzukommen. Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, nutzbare Gastronomie und störungsfreie Fahrten kann es zwar geben, aber der generelle Anspruch darauf scheint begraben. Die Schweiz hat bereits Konsequenzen gezogen: Manche Fahrt zu den Eidgenossen endet bereits im Badischen, weil der Zug nicht pünktlich ist. Man scheut eine konkrete Zielsetzung, will sich nicht mit anderen messen und widmet die Bewertungsgrundlagen einfach um.

Die Schwächen und Stärken eines jeden

Gestatten Sie mir einen Blick in meine Schulzeit. Die Bundesjugendspiele waren für mich eher ein Tag des Leids, denn der Freude. Ich bin schlichtweg unsportlich und dieser Wettbewerb, neben den Erfahrungen aus dem Sportunterricht, bestärkte mich nur in dieser Erkenntnis. Dennoch gelang es mir, ohne psychologische Betreuung, meinen weiteren Lebensweg zu bestreiten. Ich habe akzeptiert, dass nicht nur ich, sondern einfach jeder so seine Schwächen und Stärken hat. Es liegt an uns selbst, ob wir diese hinnehmen oder daran arbeiten wollen. Im Bereich Sport war jedoch Hopfen und Malz verloren, ich habe mich dafür dann auf anderen Gebieten entfalten und messen können. Heutzutage würde ich sicher Urkunden oder Medaillen bekommen, damit auch ich ein Sieger bin. Heute bin ich dankbar, dass ich noch die Gelegenheit hatte, an Dingen zu wachsen und für das Leben zu lernen.

Wenn der Wissbegierige auf der Strecke bleibt …

Wer den Vergleich mit anderen scheut, zeigt meiner Meinung nach keine Bereitschaft zur Leistung. Gelebter Minimalismus senkt an vielen Stellen Niveau und Zukunftschancen. Was man mit bloßem Leistungswillen und Motivation alles schaffen kann, haben die deutschen Basketballer jüngst gezeigt. Andere Mannschaften setzen auf Zeichen statt Leistung und entlassen bei Niederlagen den Trainer. Das ist keine zukunftsfähige Option! Leistung muss sich lohnen. Überall. In der Schule, in der Ausbildung, im Beruf und auch als Unternehmer. In Zeiten zunehmender Belastungen der Leistungserbringer ist das allerdings nicht mehr möglich. Denn in einer Schule ohne Noten droht der Wissbegierige auf der Strecke zu bleiben und zwar vor lauter Angst, den Schwachen eventuell zu düpieren. Auf die Zeit der Ausbildung übertragen, ist die Zukunft des Landes der „Tüftler und Denker“, also der Erfinder schlecht bestellt. Es braucht Rüstzeug und Know-how. Fehlt es an beidem, werden Innovationen und neue Patente künftig ein Traum bleiben.

Lohnt sich die eigene Leistung überhaupt noch?

Woher also soll der Anreiz zu mehr Leistung im Beruf kommen? Beifall (oder Klatschen wie während der Pandemie) allein reicht nicht, das Ganze muss auch im Geldbeutel spürbar sein. Welcher Facharbeiter will bei den aktuellen Rahmenbedingungen (Infrastruktur, Wohnungsknappheit, Steuerbelastung, Vorschriften und Vorgaben etc.) seine Leistungsfähigkeit noch unter Beweis stellen? Da helfen keine guten Worte, sondern nur echte Änderungen. Zurzeit haben viele Betriebsinhaber den Eindruck, dass sich ihre Leistung und die damit verbundene Haftung nicht mehr lohnt. Abmeldungen, Insolvenzen und Verlagerungen der Unternehmen ins Ausland sind ein eindeutiges Alarmsignal. Überall der gleiche Tenor: Leistung muss sich lohnen, honoriert werden und mehr Netto vom Brutto übrigbleiben.

Bloße Worte statt echter Taten

Und was macht die Politik? Sie „leistet“ sich nur Worte, statt spürbarer Taten. In den Schulen etwa kümmert sie sich um die Umstellung der Ernährung. Das ist wichtig, um den zehn Prozent vegan-vegetarisch lebenden Schülern gerecht werden zu können. Die nötige Infrastruktur der Gebäude oder gar der Umgang mit digitalen Lernmitteln führen weiterhin nur ein Schattendasein. Den Forschungsfokus transformiert man von Zukunftsthemen wie Energie, Versorgung oder Gesundheitswesen auf Genderforschung (aktuell gibt es 173 Lehrstühle).

Leistung fordern, um sich mehr leisten zu können

Die woke Gesellschaft nutzt nur zu gern die Errungenschaften der Marktwirtschaft, die von vielen erarbeitet wurden. Wer aber (teure) Zeichen setzen oder Zukunft gestalten will, sollte gelernt haben, dass dies ohne einen eigenen Beitrag nicht geht. Bürgergeld und Fördermittel können nie Wettbewerb und Leistungsbereitschaft ersetzen. Lernen wir also wieder Leistung zu fordern (nicht nur von der Politik), zu fördern und gleichzeitig auch zu erbringen (Eigenverantwortung), damit sich so viele wieder mehr leisten können. Denn die Milchkühe sterben langsam aus ...

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.