Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Welch schöne Bescherung, wenn sich die Transformation selbst den Stecker zieht

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Europapolitik und Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Das klimatische Woodstock fand dieses Jahr in Dubai statt: die UN-Klimakonferenz mit über 90.000 Teilnehmern aus Nah und Fern. Für die An- und Abreise hat der Klimaschutz Pause, aber ansonsten tauscht man sich gern aus. Schöne Bildchen, perfekt gestylte Politiker sowie wohlstandsverwahrloste Aktivisten heben den moralischen Zeigefinger für die Daheimgebliebenen in die Höhe. Ruth Baumann hat so ihre Gedanken zu dem Aufeinandertreffen. Mehr dazu in dieser Folge „Neues von der Werkbank“.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Ehrlich gesagt: Ich komme mir aktuell schon ziemlich verschaukelt vor – und das ist noch die zitierfähige Umschreibung. Während wir einen Einkaufskorb benutzen, auf dem Markt unverpackt einkaufen, den Müll trennen, Plastik vermeiden, Fahrten als auch Wegstrecken optimieren und – nicht zuletzt – reparieren statt konsumieren, ist es den moralischen Jüngern, die gern um die Welt jetten, immer noch zu wenig. Der gemeinsame Verzicht auf fossile Energien scheint in weite Ferne gerückt und die Kernkraft feiert eine Wiederauferstehung.

Planungssicherheit made in Germany

Unsere Vertreter blenden diesen Teil der Gespräche aus und überbieten sich im großzügigen Ablasshandel mit der gesamten restlichen Welt. Neue Fonds, Fördermittel in unübersichtlicher Anzahl sollen nicht nur das Klima retten, sondern auch die Kosten reduzieren, die man selbst ignorant in die Höhe getrieben hat. Wir verstromen aktuell lieber Kohle, damit wir am weltweiten Ausstoß von CO2 endlich einen höheren Anteil haben (vgl. Electricity Maps), mutieren zu belächelten „Falschfahrern“, während unser Bundeshaushalt nicht einmal verfassungskonform und die Stromversorgung eher fragil ist. Die Transformation, mit monatlichen Kosten in Höhe einer Kugel Eis (???) angepriesen, zieht sich gerade selbst den Stecker. Wenn die „Kohle“ nicht für eine verlässliche Stromgrundlast reicht, dann ist es nichts mit E-Mobilität oder den Betrieb von Wärmepumpen. Im Winter ist dies allerdings besonders verlockend. Die einst gezahlten Fördermittel sind vergessen, aktuelle sogar eingefroren. Das ist Planungssicherheit made in Germany.

Sich selbst den Stecker ziehen

Die Mechanismen der Marktwirtschaft werden derzeit ignoriert, Geld gedruckt und schließlich gibt man sich verwundert, wenn Bürger und Betriebe verunsichert darauf reagieren. Man kann die Transformation nicht herbeireden, wenn man ihr selbst den Stecker zieht und in der Bevölkerung der Glaube an die Realisierung hochtrabender Pläne schwindet. Die Bahn sollte die Mobilitätswende eigentlich beflügeln: Doch Unpünktlichkeit, Streiks, komplett ausfallende Züge, begrenzte Toilettennutzung usw. zu sportlichen Preisen setzen Grenzen. Da sind Flüge, auch nach Dubai, wesentlich angenehmer. Und ich gebe zu bedenken, dass auch bei einer Transformation erst einmal etliche (un)nötige bürokratische Vorgaben formuliert werden müssen, bevor es überhaupt um Änderungen geht.

Wenn Lieferketten und Taxonomie dann ausreichend dokumentiert sind, wird man erst bemerken, dass man sich bereits selbst den Stromstecker gezogen hat. Wer will hier noch produzieren oder investieren, wenn die heilige Kuh Bürokratie über allem steht? Die Bereitschaft zum Bauen von Wohnraum stagniert, die Energiewende stottert, Investitionen werden verschoben und in den Innenstädten leiden nicht nur der Einzelhandel sowie die Gastronomie. Über Gerichten und Ämtern schwebt zudem noch die Umgestaltung der Grundsteuer: Für Eigentümer, Vermieter und Mieter auch eine gewisse Transformation – und zwar in Richtung Enteignung.

Der (Irr)Glaube an die Industrie

In wirtschaftlich guten Zeiten legt man für die schlechteren etwas zurück. Das hat man jedoch nicht getan und sucht nun händeringend nach neuen Einnahmen. Am Ende zahlt es aber auf alle Fälle jeder einzelne Verbraucher, sofern er es sich überhaupt noch leisten kann: Die Maut bei den Transporten, die CO2-Abgabe für die Baustellentoilette, die Bürokratiekosten für die Taxonomie, die explodierenden Energiekosten usw. Kostet dann eine Brezel mal 5,00 Euro, braucht der Bäcker diese nicht mehr zu produzieren, denn er könnte sie zu dem Preis ja keineswegs verkaufen. Dieses Risiko geht man aktuell ein, denn man glaubt ja an die Industrie (vgl. Kuebell Liste). Neu ist jetzt, dass der Klimaschutz so wichtig ist, dass man keinen verfassungskonformen Haushalt vorlegen kann.

Beitrag zur Klimarettung oder Ausdruck des Misstrauens

Industrie und Betriebe schließen ab, gehen in Insolvenz oder verlagern sich ins Ausland. Ist dies jetzt deren Beitrag zur Klimarettung oder eher Ausdruck des Misstrauens gegenüber einer Transformation, die sich selbst den Stecker zieht? Fakt ist: Vertrauen kann nicht entstehen, wenn Schulden plötzlich „Sondervermögen“ genannt werden. Nicht nur Zwangssanierungen, die mal eben so losgetreten werden, sind unplanbar und unseriös. Beliebige und vor allem instabile Wirtschaftspolitik, mit dem Verfallsdatum der Zeitung von gestern, gefährden Wohlstand und sozialen Frieden. Plan- und ziellose „Spielereien“ unter dem Decknamen „Transformation“ schrecken immer mehr ab und viele wollen dies entsprechend auch nicht mehr länger finanzieren.

Der Beruhigungsschnuller der Politik

Kohleverstromung ist nicht Ausdruck von Innovation, sondern von Ignoranz. Unabhängig, wann wieder Wohnraum entstehen wird: Die Baustellentoiletten werden in jedem Fall nicht die schlechte CO2-Bilanz der Regierung durch die auferlegten Zwangsabgaben ausgleichen können. Selbst die hohe Belastung der Endverbraucher ist hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Fördermittel setzen mittlerweile keine Anreize mehr, sondern dienen als Beruhigungsschnuller, der nach politischem Gutdünken auch wieder entzogen werden kann.

Wer aber im Stande ist, sich bei den Ausgaben an die vorhandenen Einnahmen zu halten, zeigt wahre Wirtschaftskompetenz als auch Verantwortung. Wer hingegen nur mit dem Scheckbuch überzeugen oder wahrgenommen werden kann, ist definitiv am falschen Platz. Reagieren wir besser auf die Ergebnisse der aktuellen Pisa-Studie, denn sonst droht für viele die Transformation ins Bürgergeld. Zeigen wir also, wie es geht und dass man vieles erreichen kann. Ziele, Konzepte und Leistungsbereitschaft statt Woodstock am Sandstrand von Dubai …

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.