Müllentsorgung und Baustoff-Recycling Interview mit Anne Antic: Wie Abfall ohne viel Mehraufwand eine neue Qualität erhält

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Um aus Müll mehr zu machen, will Anne Antic ein System etablieren, dass Mitarbeiter einzelner Unternehmen dazu bringt, ohne viel Mehraufwand ihre Abfälle sauber zu sammeln und zu entsorgen. Nicht nur wegen verschärfter Gesetze sollten die Firmen daran Interesse haben: Fachgerechte Trennung und Recycling ist auch wichtig fürs eigene Image.

Auf dem Wertstoffhof Abfälle getrennt entsorgen – das ist ein Beitrag, den jeder leisten sollte. - © Irmela Schwab
Frau Antic, zusammen mit Ihrer Schwester und Co-Geschäftsführerin Nadine Speidel, haben Sie ein detailliertes Nachschlagewerk über Abfallmanagement geschrieben. Gibt es bei der fachgerechten Entsorgung noch so viele Wissenslücken?

Anne Antic: In der Entsorgung von Abfall fehlt unseres Erachtens noch viel Basiswissen. Mit unserem Beratungsunternehmen Global Flow leiten wir Unternehmen an, wie sie ihr eigenes Abfall- und Wertstoffmanagement etablieren können. Im Buch bieten wir einen grundlegenden Überblick und führen den Abfallproduzenten hin zur Entsorgungsbranche. Dabei zeigen wir, worauf im Umgang mit Reststoffen zu achten ist, und klären auf, wie die einzelnen Schritte dahin aussehen. Viele Schulungen und Seminare bilden häufig nicht das gesamte Spektrum in der Praxis ab.

Die meisten Unternehmen entsorgen ihre Abfälle also falsch, weil sie nicht wissen, wie es funktioniert?

Im Unwissen liegt tatsächlich eine große Hürde. Vom unternehmensseitigen Abfallproduzenten bis hin zum Endkonsumenten wissen viele nicht, wo welche Art von Abfall hinkommt und wo alles letztlich landet. Die Annahme, dass am Ende sowieso alles verbrannt wird, hält sich hartnäckig. Das stimmt aber nicht. Wenn der Abfall richtig getrennt und gesammelt wird, bekommt er eine andere Qualität.

Abgesehen von Ihrer Arbeit: Welche Aufklärung gibt es?

Die EU baut derzeit einen extremen Druck auf, indem sie Gesetze und Vorgaben erlässt, wie die Mantelverordnung Ersatzbaustoffe. Ziel ist es, Abfall zu vermeiden, die Recyclingquote und das Produktdesign zu verbessern. Bisher fehlt allerdings die Kontrolle, ob die Unternehmen den Verordnungen tatsächlich nachkommen. Während es bei uns in Baden-Württemberg zum Beispiel im Rahmen der Gewerbeabfallverordnung des Öfteren zu Strafen kommt, weil jede Branche stichprobenartig überprüft wird, ist die Handhabe in anderen Bundesländern etwas laxer. Trotzdem merken heute immer mehr Unternehmen, dass sie sich der Abfallverwertung annehmen müssen. Die einen werden aktiv, weil sie wissen, dass das Thema Kreislaufmanagement heute wichtig fürs Image ist. Viele betreiben es jedoch noch zu vordergründig und kommunizieren, dass sie abfallfrei produzieren. Dann gibt es andere, die das Abfallmanagement schon sehr gewissenhaft umsetzen – es aber leider noch zu selten kommunizieren.

Anne Antic berät Unternehmen in Sachen Abfall- und Wertstoffmanagement. - © Global Flow

Es geht also auch darum, Vorbilder aufzubauen.

Es ist letztlich ein Zusammenspiel von allen Marktteilnehmern – vom Bauherrn bis hin zum Käufer von Immobilien. Jeder sollte sich seiner Verantwortung bewusst werden und seinen jeweiligen Beitrag ernst nehmen. Gesetze allein reichen nicht aus, weil sie am Ende nicht von allen gewissenhaft befolgt werden. Das liegt vor allem daran, dass die Abfallentsorgung im ersten Schritt unwirtschaftlich erscheint, was wiederum auf zu wenig Nachfrage zurückzuführen ist. In diesen Teufelskreislauf wollen wir eingreifen und zeigen, was Unternehmen tun können, was sie langfristig einsparen und wie viel Gutes sie damit tun.

Wo herrscht denn bei den Bauunternehmen das größte Unwissen?

Die Bauunternehmen haben inzwischen verstanden, dass das Recycling von Schrotten und Metallen viel Geld einbringt. Bei kleineren Baubetrieben bestehen die Infrastruktur und Logistik daraus, dass die Handwerker ihre Abfälle selbst sammeln und auf den Wertstoffhof bringen. Dabei geht leider vieles als Mischabfall in den Müll. Benötigt wird unserer Ansicht nach eine neue Denke und ein neues Konzept, wie gesammelt werden kann. Ziel eines solchen Systems soll es sein, Mitarbeiter der einzelnen Unternehmen ohne viel Mehraufwand dazu zu bringen, den Abfall sauber zu sammeln und getrennt zu entsorgen.

Mit ihrem Praxishandbuch wollen die Beraterinnen von Global Flow Unternehmen einen Leitfaden an die Hand geben. - © Haufe

Sie nannten intrinsische Motivation, die dabei ebenfalls nötig ist. Wie lässt sich diese aufbauen?

Am Ende funktioniert die fachgerechte Entsorgung nur, wenn ökonomisch gesehen keine Nachteile entstehen – sondern sogar Vorteile. Dafür müsste das Abfallmanagement unserer Ansicht nach subventioniert werden. Es sollte staatlich gefördert werden, wenn Unternehmen ihre Abfälle gewissenhaft entsorgen. Ebenso sollte diejenigen belohnt werden, die Recycling-Beton einsetzen. Darüber lassen sich nach und nach die Strukturen aufbauen, die dazu führen, dass Abfallentsorgung günstiger wird. Diese Initialkosten zu überwinden, ist aktuell die größte Herausforderung.

Wie können Handwerksbetriebe anstatt abzuwarten, bis die Struktur da ist, ihren Teil schon jetzt beitragen?

In dem sie nicht alles in einen Sack stecken und den am Wertstoffhof abladen, sondern anfangen zuvor akribisch zu trennen.

Zur Person:

Anne Kathrin Antic hat Wirtschaftswissenschaften studiert und ist gemeinsam mit ihrer Schwester Nadine Speidel Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Global Flow Wertstoffmanagement. Mit ihrer Firma helfen Antic und Speidel Unternehmen mit ihren Abfällen richtig zu umzugehen, um Rohstoffe zu schonen und möglichst hochwertig in den Kreislauf zurückzuführen.