Bodenaushub Mantelverordnung: Warum Bauaushub teurer wird

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Die Mantelverordnung, die 2023 in Kraft treten wird, stellt künftig auch für Bodenaushub strengere Regeln auf, was Kritiker auf die Palme bringt. Denn Stoffverschiebungen Richtung Deponie sind die Folge – und damit auch erhöhter CO2-Ausstoß durch längere Transportwege.

Bodenaushub
Sorgen der Branche: Wieder mehr Bodenmaterial auf Deponien? - © HermannJoachim - stock.adobe.com

Ende Juni passierte das Verordnungspaket den Bundesrat, die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgte im Juli. Die neue Mantelverordnung wird am 1. August 2023 in Kraft treten. Von da an zwei Jahre lang, bis August 2025, will die Bundesregierung die Praxistauglichkeit prüfen. Vier Jahre nach Inkrafttreten sollen Ergebnisse eines wissenschaftlich begleiteten Monitorings vorliegen und weitere Nachbesserungen ermöglichen. Als gänzlich neue Regelung unter dem Dach der Mantelverordnung soll die Ersatzbaustoffverordnung greifen – neben der Neufassung der bestehenden Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, die ebenfalls an vielen Stellen nachgeschärft wurde, und Anpassungen der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung.

Kritischer Punkt: Bodenaushub

Die Bauwirtschaft hat immer wieder versucht Klarheit auch für das Thema Bodenaushub – ein Teil des mineralischen Abfalls – herbeizuführen, dessen Verwertungsquote mit 86,2 Prozent beziffert wird (laut 2021 vorgelegtem Monitoring-Bericht 2018 der Kreislaufwirtschaft Bau). Sie fällt damit etwas niedriger aus als die für Bauschutt, Straßenaufbruch oder Baustellenabfälle. Dort liegen die Verwertungsquoten mit über 90 Prozent deutlich höher.

Letztendlich ist die Bau- und Abbruchwirtschaft mit ihren Forderungen nur teilweise erfolgreich gewesen. So zumindest sieht es Rechtsanwalt Holger Seit vom Landesverband Bayerischer Bauinnungen (LBB). Zwar sei es gelungen, in die neue Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung eine sogenannte Länderöffnungsklausel einzufügen. Vorteil: Einzelne Bundesländer können ihre Länderregelungen zur Verfüllung von hochwertigem Bodenaushub aus Baustellen in Rekultivierungsmaßnahmen von Tagebauen beibehalten. Seit kommentiert: „Damit konnte die Branche verhindern, dass künftig deutlich mehr Bodenmaterial in Deponien entsorgt werden muss.“ Und er ergänzt: „Könnten wir unsere Länderregelungen nicht beibehalten, müssten wir aufgrund der strengeren Anforderungen in der neuen Bodenschutzverordnung allein in Bayern Millionen Tonnen hochwertiges Bodenmaterial auf Deponien fahren, statt es in Sand- und Kiesgruben einzubauen“, so Seit.

Aber es wurde zugleich eine große Chance für die Stärkung der Kreislaufwirtschaft am Bau nicht genutzt. Holger Seit: „Mit der Mantelverordnung sollte ein umweltpolitischer Zielkonflikt gelöst werden. Deren zu begrüßende Ziele sind nämlich zum einen die Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen (Einsparung von Primärrohstoffen wie Boden, Vermeidung von Landschaftsverbrauch durch Deponien und neue Tagebaue für Kies und Sand) und zum anderen dem Schutz von Mensch und Umwelt, besonders des Schutzes von Grundwasser und Boden. Leider ist es mit der Ersatzbaustoffverordnung nicht gelungen, klare, wirtschaftlich tragbare und in der Praxis sowohl für Bauherren und Bauunternehmen und Vollzugsbehörden gut und unbürokratisch umsetzbare Regelungen zu schaffen.“

Die Mantelverordnung sei keine Bauabfallrecyclingverordnung geworden. Der Fokus auf die Verwertung der größten und wichtigsten Fraktion der mineralischen Bauabfälle, Boden und Steine, fehle völlig. Ob Probenahme, Zwischenlagerung, Einstufung des Bodenmaterials, Einbaumöglichkeiten, fehlende Regelungen zum Abfallende, neue Anzeige- und Katasterpflichten – alles werde komplizierter und teurer. Dadurch werde die Akzeptanz von Bodenaushub als Ersatzbaustoff bei den Bauherren sinken statt steigen. Auch der Umgang mit Boden und die Verwendung von Böden bei Baumaßnahmen werde massiv erschwert. Damit sei vorprogrammiert, dass der CO2-Ausstoß durch ein erhöhtes Lkw-Verkehrsaufkommen in der Baubranche wegen längerer Entsorgungsfahrten zunehmen werde.

Bodenaushub: Der Status Quo

Aber zunächst zum aktuellen Umgang mit Boden in Deutschland: Von den 218,8 Millionen Tonnen mineralischer Bau- und Abbruchabfälle waren laut dem aktuellen Monitoring-Bericht 2021 der Kreislaufwirtschaft Bau im Jahr 2018 130,3 Millionen Tonnen (56,6 Prozent) Bodenaushub, Baggergut und Gleisschotter. Davon wurden 13,3 Millionen Tonnen (10,2 Prozent) als Recycling-Baustoffe wiederverwendet, 99 Millionen Tonnen (76 Prozent) kamen im übertägigen Bergbau oder etwa im Deponiebau zum Einsatz. Die Beseitigung auf Deponien lag bei 18 Millionen Tonnen (13,2 Prozent).

Sorgen der Branche: Wieder mehr Bodenmaterial auf Deponien?

Die Sorge ist nun, dass der Wiedereinsatz von Bodenmaterial, statt zu steigen, durch die neue Mantelverordnung weiter sinken könnte, dass künftig wieder mehr Bodenmaterial auf Deponien landet. Dabei waren die Forderungen der Bauwirtschaft eindeutig:

  1. Schadstoffuntersuchungen müssen einheitlich und transparent erfolgen
  2. Die Gütesicherung muss für alle Recycling (RC)-Baustoffe ein Ende ihrer Abfalleigenschaft bedeuten
  3. Bodenmaterial und Baggergut gehören nicht in die Ersatzbaustoffverordnung
  4. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung infolge des geforderten Wegfalls der wasserrechtlichen Erlaubnis bei Einbau gütegesicherter RC-Baustoffe in technische Bauwerke
  5. Beibehaltung der bisherigen Praxis, Erdaushub, der bei Bauarbeiten anfällt, möglichst auf der Baustelle im Wege einer Haufwerksbeprobung zu untersuchen
  6. Keine Verschärfung der Material- (Schadstoff-) werte für die Einstufung des Bodenmaterials
  7. keine zusätzlichen bürokratischen Auflagen, wie etwa Anzeige- und Katasterpflichten
  8. Übersichtlichkeit der Einbautabellen für den zulässigen Einbau der RC-Baustoffe in technische Bauwerke

Nur so könnten RC-Baustoffe mehr Akzeptanz bei den Bauherren finden, gleichzeitig die Baukosten stabil gehalten werden, war man sich einig. „Alle diese Forderungen der Bauwirtschaft wurden nicht erfüllt. Mit der neuen Verordnung wird der Aufwand für den Umgang mit Bodenaushub immens“, so Seit. Er fügt hinzu: „Man muss sich vorstellen, das betrifft auch Kleinbaustellen. Bauherr und Unternehmer tragen auch da die volle Verantwortung und sind im Zweifel in der Haftung.“ In der Konsequenz heiße dies: Alles müsse dokumentiert werden, denn die Behörden könnten Jahre später Dokumentationen anfordern. „Wer dann nicht vorlegen kann, was er eingebaut hat, oder Grenzwerte überschreitet, haftet gesamtschuldnerisch und ohne Verjährung“, erklärt Seit.

Auch Michael Weiß, Geschäftsführer der Ettengruber GmbH in München und Vorsitzender des Fachausschusses Recycling und Entsorgung im Deutschen Abbruchverband, sorgt sich aufgrund der künftigen Regeln für Bodenaushub: „Technisch ist es bislang oft nicht oder nur mit aufwändigen Verfahren möglich, die Schad- und Störstoffe zu filtern“, sagt der Recycling-Fachmann. Seit empört sich: „Nach der neuen Ersatzbaustoffverordnung müssen Bauherr und Bauunternehmer einen komplexen Analyse- und Dokumentationsaufwand betreiben, ehe sie Material wieder einbauen können.“ Ohne vorherige Probenahme und Laboranalyse könnte Bodenaushub gar nicht mehr vernünftig wiederverwertet werden – und das verursache hohe Kosten, auch Transportkosten. Schon in der Planungsphase werde es flächendeckend eine bodenkundliche Begleitung geben müssen, wie sie etwa in Baden-Württemberg bereits praktiziert werde, auch müsse es in der Fläche Labore für Analyseverfahren geben.

Problem: Lagerung von belastetem Material

Franz-Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer München-Oberbayern (HWK), als Bauunternehmer selbst von den künftigen Regeln betroffen, ergänzt: „Wir brauchen dringend geogene Bodenkarten, damit wir wissen, wo Schadstoffe wie etwa Arsen enthalten sind, wo nicht“. Dann könnte man bereits belastete Flächen für eine unproblematische Lagerung viel einfacher ausmachen. Aus seiner Sicht wäre dies Aufgabe von Bundesumweltministerium und Bundesbauministerium. Er kritisiert, dass Abbaumaterial im angrenzenden Ausland als Produkt deklariert und nach Deutschland wiederimportiert wird. „Die Veredlung eines Abbauproduktes können wir in Deutschland auch selbst, wenn man uns ließe“, betont Peteranderl.

Fehlende Lager- und Umschlagflächen

Weiß, dessen Unternehmen in München und Umland aktiv ist, führt auch die Problematik fehlender Lager- und Umschlagflächen aus, die auch für andere mineralische Bau- und Abbruchabfälle von Bedeutung wären: „Vor allem in Städten, aber auch in ländlichen Regionen sind Flächen – selbst, wenn sie nur für den Umschlag oder die Zwischenlagerung gebraucht werden – knapp.“ Das macht die vernünftige Selektion vor Ort logistisch schwierig und forciert geradezu den Abtransport in die oft viele Kilometer entfernte Deponie – auch wenn es teuer ist. 

Bodenmaßnahmen steigen im Preis

LBB-Rechtsanwalt Seit hat die Folgen bereits im Blick: „Die Bodenmaßnahmen bzw. die Entsorgung des Bodenaushubs machen bereits heute bei einigen Baumaßnahmen die Hälfte der Baukosten aus.“ Die Mantelverordnung – im Besonderen die Ersatzbaustoffverordnung – werde die Bodenentsorgung weiter verteuern. Auch seien steigende Anforderungen der Wasserschutzbehörden verantwortlich, dass immer weniger in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden könne. „Dabei würde der CO2-Ausstoß durch kleine Transportwege reduziert, wenn Bodenaushub etwa auf der Baustelle in der Nähe als Baumaterial verwendet oder in der nahgelegenen Kiesgrube verfüllt werde, um diese zu renaturieren“, schildert Seit die Situation.