Dokumentationspflichten Gewerbeabfallverordnung: So müssen Handwerksbetriebe ihren Müll entsorgen

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Am 1. August 2017 trat die neue Gewerbeabfallverordnung in Kraft. Ein gravierender Einschnitt – Bauhandwerker müssen jetzt im Extremfall bis zu zehn Container aufstellen. Besonders tückisch ist vor allem die von vielen Unklarheiten begleitete, neu eingeführte ­Dokumentationspflicht. Das gilt für Sie in der Praxis.

Arnold Rückert, SHK-Meister und Heizungstechniker aus Hamburg: »Es ist schlichtweg unökonomisch, die Arbeitszeit von Facharbeitern für die Abfallsortierung einzusetzen.« - © Gunnar Geller

Die neue Gewerbeabfallverordnung ist in Kraft und Bauhandwerker müssen jetzt im Extremfall bis zu zehn Container aufstellen.

Arnold Rückert ist ein alter Hase. Der Hamburger Heizungstechniker hat erst kürzlich den Betrieb Lengemann & Eggers an seinen 31-jährigen Enkel übergeben – den in der Hansestadt bekannten Handwerksbetrieb Arnold Rückert betreibt sein Sohn schon seit etlichen Jahren in zweiter Generation. Rückert selbst war jahrelang Obermeister seiner Innung in Hamburg. Der 71-Jährige erinnert sich noch genau an Zeiten, in denen Umweltschutz und Abfallentsorgung keine große Rolle spielten; Öle zum Beispiel einfach in den Ausguss gekippt wurden. "Im Jahr 2017 natürlich völlig undenkbar", sagt Rückert.

Neue Gewerbeabfallverordnung: Mehraufwand und Mehrkosten

Heute sorgt sich der Handwerksmeister um andere Dinge; vor allem um den deutlichen Mehraufwand und die Mehrkosten auf der Baustelle. Der Grund: die neue Gewerbeabfallverordnung, die ab 1. August 2017 gilt. Diese konkretisiert das geltende Kreislaufwirtschaftsgesetz. Priorität hat die Abfallvermeidung, gefolgt von einer möglichen Wiederverwertung. Und wenn das nicht möglich ist, soll wenigstens recycelt werden. Die "energetische Verwertung" oder gar die Deponielagerung sind demnach die schlechtesten aller Möglichkeiten.

Abfalltrennung in zehn Fraktionen (Container)

Umgesetzt wird das mit der Novelle der Gewerbeabfallverordnung, die am 1. August 2017 in Kraft tritt. Bestimmte Bauabfälle müssen ab diesem Zeitpunkt getrennt gesammelt werden – insgesamt in zehn "Fraktionen", wie die Experten sagen. Sprich: Im Extremfall muss jeder Handwerker auf jeder Baustelle bis zu zehn Container für die getrennte Müllsammlung aufstellen. Nur in wenigen Ausnahmefällen greift die Verordnung nicht; etwa, wenn die Mindestmenge an Abfällen pro Baustelle zehn Kubikmeter unterschreitet – das entspricht circa zwei kleinen Containern.

Entsorgungskosten können erheblich steigen

Eine wahrscheinliche Auswirkung der Verordnung: Die Entsorgungskosten können erheblich steigen. Schon einmal ist das passiert, als im Oktober letzten Jahres HBCD-haltige Dämmstoffe als gefährlicher Abfall eingestuft wurden. Georg Taxhet, Abteilungsleiter Technische Unternehmensberatung bei der Handwerkskammer zu Köln, beobachtete danach immense Kostenexplosionen – teilweise wurden über 5.000 Euro pro Tonne für die Entsorgung verlangt, Handwerker mussten 100 Kilometer und mehr zu einer geeigneten Entsorgungseinrichtung fahren. Der Entsorgungsengpass wird zwar nun von der Politik durch die POP-Abfall-Überwachungs-Verordnung entschärft, die hohen Kosten werden aber aufgrund der getrennten Sammlung bleiben.

"Ähnliche Auswirkungen könnten auch bei anderen Abfällen drohen", so Taxhet. Dabei galt in der Vergangenheit und auch nach dem 1. August 2017: Bei manchen Materialien gäbe es auch Marktbedarf, könnten Erlöse erzielt werden. "Die Trennung von Papier, Metallen und Kunststoffen lohnt sich finanziell heute schon", sagt die Sprecherin des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), der auch viele städtische Entsorgungsunternehmen als Mitglied hat. Stahl, Eisen und andere Edelmetalle bringen sogar richtig viel Geld. "Schon heute trennen wir Abfälle, wo es möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist§, sagt auch Handwerksmeister Rückert.

Am anderen Ende der Kostenskala rangieren dagegen gefährliche Dämmmaterialien, deren Entsorgung auch unter normalen Bedingungen schon mal 550 Euro pro Tonne kosten kann. Die Kosten für die verschiedenen Abfallsorten variieren ansonsten zwischen etwa 30 und 300 Euro pro Tonne. Aber: "Auch für sonstige Siedlungsabfälle; wie etwa Alttextilien oder Holz steigt der Aufwand", so die VKU-Sprecherin. "Das hat dann Bedeutung für alle Handwerksbetriebe, nicht nur für die Baugewerke."

Miet-, Transport- und Personalkosten schlagen zu Buche

Die reinen Entsorgungskosten sind sowieso nur einer von vielen Posten in der Kostenliste. Stark zu Buche schlagen auch die Miet- und Transportkosten der Abfallcontainer oder die damit verbundenen Mehr-Arbeitskosten für die Mitarbeiter. Handwerksmeister Rückert kalkuliert die Stunde seiner Fachgesellen mit etwa 53 Euro. "Fachmonteure sind rar und teuer", so Rückert. "Deshalb ist es schlichtweg unökonomisch, ihre Arbeitszeit für die Abfallsortierung einzusetzen." Selbst wenn die reine Abfallentsorgung kostenneutral ausfallen würde, müsste so ein Handwerker mit Kosten von etwa 80 Euro pro Tonne kalkulieren – oder eben pro Fünf-Kubikmeter-Container mit etwa 400 Euro. Multipliziert mit zehn Abfallfraktionen würden das im Extremfall 4.000 Euro an Kosten ergeben.

Das Baugewerbe sortiert den Abfall direkt auf der Baustelle

Dass gesammelte Abfälle auf der Baustelle abgeholt und an externer Stelle sortiert werden, ist im Baugewerbe nicht üblich. "Eine Zwischensortierung zwischen Baustelle und Entsorger kommt in der Praxis nur sehr selten vor, weil diese Sortierung auch eine Genehmigung als Vorbehandlungsanlage voraussetzt, welche mit einem enormen Aufwand verbunden ist", erklärt Jochen Stepp, beim Entsorgungsverband des Norddeutschen Handwerks (ENH) für den Bereich Politik & Strategie zuständig. "Daher ist eine solche Lösung aus kaufmännischer Sicht so gut wie nie sinnvoll." Entsorgungsunternehmen bieten aber immerhin eine Abholung von Baumischabfällen an – Grundlage hierfür ist Kategorie "AVV 17 09 04" der Abfallverzeichnis-Verordnung. Allerdings zu einem hohen Preis: Die Kosten steigen dann auf schätzungsweise 238 Euro je Tonne an. Weiterer Nachteil: Auch hier darf nicht jeder Müll einfach in einen Container geschmissen werden; diverse Altlasten und Sondermüllabfälle müssen dennoch separat gesammelt werden.

Bei den Kosten sind die Dokumentationskosten noch gar nicht eingerechnet. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) schätzt diese alleine für die Bundesrepublik Deutschland auf insgesamt rund 100 Millionen Euro ein. "Das kann nicht im Interesse des kostengünstigen Bauens sein", ärgert sich ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa in einer Stellungnahme.

Taxhet von der Handwerkskammer zu Köln sieht noch ein ganz anderes Problem bei der Auftragskalkulation: "Die Abfallmengen einer Baustelle zu kalkulieren ist sehr schwierig. Das ist wie ein schwarzes Loch, denn im Vorfeld findet keine Sondierung statt." Zusammengefasst: Wer als Handwerker Haus-Abbruchabfälle entsorgen muss, könnte auf höheren Kosten sitzenbleiben, als zunächst befürchtet.

Aufwendige Dokumentationspflichten für Handwerksbetriebe

Noch viel mehr als über die reinen Kosten ärgern sich viele Handwerker aber vor allem über den erhöhten bürokratischen Aufwand. Wo wird der Abfall gesammelt? Wohin wird er transportiert? Was geschieht mit ihm? "Das alles muss schriftlich festgehalten werden – für jede Baustelle", beschreibt ENH-Experte Stepp. Der ENH hat jahrzehntelang Erfahrungen mit dem Thema Abfallentsorgung. In ihm haben sich die norddeutschen Handwerker zusammengeschlossen, um gute Handelspreise zu erzielen und die Thematik gemeinsam anzugehen – der Verband ist damit ein Unikat in der deutschen Handwerkslandschaft. Ein weiteres Problem: "Die Behörden wissen selbst noch nicht, wie sie das Thema handhaben sollen“, so Stepp. "Was eine ordnungsgemäße Dokumentation überhaupt ist, muss sich erst noch herausstellen."

Zwar gibt hier wiederum der VKU zumindest ein Stück weit Entwarnung: "Es ist damit zu rechnen, dass die Dokumentationspflichten, etwa über die Landesarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), im laufenden Jahr präzisiert werden", so die Sprecherin des Verbandes. Aber es steht eben immer noch nichts konkret fest. Taxhet beschreibt das in seinen Worten an einem Beispiel: "Kleinstmengen müssen 'sicher' nicht dokumentiert werden, sagt das Bundesumweltministerium. Das heißt aber de facto: 'wahrscheinlich' nicht. Für die Handwerksbetriebe bleibt also auch hier ein Unsicherheitsfaktor", so der Unternehmensberater der Kölner Handwerkskammer.

Anerkannte Entsorgungsbescheinigung ist schwer zu bekommen

Vermutlich muss der Handwerker künftig auch gut begründen und dokumentieren, wenn er von anderen Ausnahmefällen wie dem fehlenden Platz auf der Baustelle oder einer getrennten Entsorgung, die unökonomisch ist, Gebrauch machen möchte. Mindestens das Anlegen von Lageplänen, Fotografien und das Aufbewahren von Rechnungen hält ENH-Experte Stepp generell an Dokumentationsaufwand für notwendig. Die Verordnung spricht in Paragraf 8 von "Lageplänen, Lichtbildern, Praxisbelegen wie Liefer- oder Wiegescheinen sowie ähnlichen ­Dokumenten" .

Hohe Bußgelder drohen bei Ignorierung der Gewerbeabfallverordnung

Eine anerkannte Bescheinigung über die ordnungsgemäße Entsorgung von einem Sachverständigen zu erhalten hält Taxhet dabei rein zahlenmäßig für unrealistisch: Er schätzt, dass es dafür nur 100 bis 120 Sachverständige in Deutschland gibt, gleichzeitig aber 30.000 Annahmestellen für Müll. Viel ist also schlichtweg ungeklärt. Niemand weiß so recht, wie die Dokumentation nun ganz konkret ablaufen soll. Sollten Handwerker die neue Verordnung also vorerst einfach ignorieren? Das hält ENH-Experte Jochen Stepp für eine denkbar schlechte Idee: "Das ist höchst gefährlich, denn es drohen hohe Bußgelder. Bis zu 100.000 Euro kann die Behörde verhängen." Eine äußerst schmerzhafte und für den einen oder anderen Handwerksbetrieb auch existenzvernichtende Summe.

Gute Dokumentation senkt Bußgeld-Risiko

Stepp sieht zudem auch eine ganz konkrete andere Gefahr, nämlich, "dass Behörden nur überprüfen, ob eine schlüssige Dokumentation vorgelegt werden kann. Und, wenn dies nicht der Fall ist, aus diesem Grund die Bußgelder ausgesprochen werden". Im Klartext: Entscheidungen werden nach Aktenlage gefällt. Die tatsächliche Verwertung und Beseitigung der Abfälle interessiert nur noch am Rande. Oder umgekehrt ausgedrückt: "Wer schlüssig und gründlich dokumentiert, senkt das Risiko von empfindlichen Bußgeldern und ständigen Kontrollen durch die Behörden", so Taxhet.

Kosten müssen letztlich an Kunden weitergegeben werden

Es kommen also in diesem Sommer gravierende Änderungen für die Baustellenplanung auf die Handwerksbetriebe zu. Handwerksmeister Arnold Rückert setzt darauf, dass die Betriebe den generellen Aufwand kalkuliert bekommen. " Die Kosten müssen letztlich an den Kunden weitergegeben werden", prognostiziert er. Es stelle sich noch heraus, wie gut das alles klappt. Bei allem Ärger sieht der 71-Jährige die Entwicklung aber genauso wie viele seiner Handwerkskollegen generell eher positiv: "Das Prinzip der Wiederverwertung ist sinnvoll – und eine ganz große Verpflichtung für die Zukunft." Zu den Zeiten, als Asbest ohne Schutz entsorgt und Öl einfach in den Ausguss gekippt wurde, wolle schließlich wirklich niemand zurück.

Überblick: Alle Abfallkategorien und ihre Kosten

Für folgende Abfallkategorien (Fraktionen genannt) der Bau- und Abbruchabfälle sieht die Gewerbeabfallverordnung eine Getrennthaltung und Zuführung zum Recycling vor. Neu sind die Fraktionen Beton, Ziegel sowie Fliesen und Keramik (Preisschätzung für den Raum Köln):

FraktionenPreisschätzung
MetalleBezahlung nach Tagespreis
Dämmmaterialungefährlich ~ 300€/t
gefährlich ~500€/t
Kunststoffe~150 €/t
Baustoffe/Gips~100 €/t
Holz~70 €/t
Glas~50 €/t
Beton~30 €/t
Bitumen~30 €/t
Fliesen & Keramik~30 €/t
Ziegel~30 €/t

So machen Sie Ihren Betrieb fit für die neue Gewerbeabfallverordnung

Die verschärften Anforderungen der Gewerbeabfallverordnung sind seit 1. August 2017 Realität – Sie müssen also sich und Ihren Betrieb umstellen. Hier sieben praktische Tipps, wie Sie Ihren Betrieb auf die neue Gewerbeabfallverordnung hin ändern können.

  1. Analyse des Firmengeländes
    Lagepläne, Fotos, Abholverträge, Zeitpläne und sonstige Unterlagen für das eigene Firmengelände sollten elektronisch gebündelt zusammengestellt werden. Die Dokumente können dann für die konkrete Baustelle immer als Anhang mitgeführt werden.
  2. Örtliches Entsorgungsunternehmen ansprechen
    Natürlich machen sich auch die Entsorgungsunternehmen Gedanken über die neuen Anforderungen – und stellen gegebenenfalls Infomaterial bereit.
  3. Baustellen vorbereiten
    Sie sollten Ihre Baustellen bestmöglich vorbereiten. Das heißt: Lagepläne kopieren und Standplätze für Container vermerken, vor Ort fotografieren, Rechnungen und Vereinbarungen mit Entsorgungsunternehmen zusammenstellen sowie Bescheinigungen über die Entsorgungswege und -formen beim Entsorgungsunternehmen einfordern.
  4. Bauherren informieren
    Die Gewerbeabfallverordnung ist ein Thema, welches höhere Baukosten verursachen kann und auch den logistischen Aufwand erhöht: Mehr Fahrzeuge kommen zur Baustelle. Informieren Sie den Bauherrn im Vorfeld über diese Veränderungen.
  5. Kosten recherchieren
    Für die einzelnen Abfallfraktionen fallen unterschiedliche Kosten an. Regional können sich diese stark unterscheiden – holen Sie von den Entsorgungsunternehmen entsprechende Angebote ein.
  6. Besser mehr dokumentieren
    Je mehr Sie dokumentieren, desto besser sind Sie nach derzeitiger Lage auf etwaige Überprüfungen vorbereitet.
  7. Schlüssig dokumentieren
    Je übersichtlicher und schlüssiger Sie eine Baustelle dokumentieren, desto weniger Nachfragen werden entstehen.

Drei Ausnahmen von der Vorbehandlungspflicht

Diese drei Ausnahmetatbestände können Handwerksunternehmer theoretisch geltend machen, um die neue Gewerbe­abfallverordnung zu umgehen (Die Umsetzbarkeit der Ausnahmen in der Praxis ist allerdings noch umstritten.):

  1. eine getrennte Erfassung ist technisch nicht möglich,
  2. eine getrennte Erfassung ist wirtschaftlich nicht zumutbar,
  3. die Mindestmenge von 10 Kubikmetern Abfall/Baustelle wird unterschritten.