Keine Angst vor Secondhand! Recycling: So kommen Sie über Rohstoffplattformen an Baumaterial aus zweiter Hand

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Baumaterialien aus zweiter Hand und recycelbaren Stoffen gefällig? Plattformen wie Restado, Materialrest24 und Leroma bieten Handwerksbetrieben eine günstige und nachhaltige Alternative, um knapp gewordene Rohstoffe zu beschaffen.

Sandro Plonka, Inhaber der Manodera Möbelmanufaktur in Freiburg
Sandro Plonka, Inhaber der Manodera Möbelmanufaktur in Freiburg, stellt aus Materialresten Möbel her und vertreibt sie unter der Marke Plonka_Möbeldesign. - © Markus J. Feger

Aus wirtschaftlicher Sicht wäre es für Sandro Plonka am günstigsten, immer neues Holz zu kaufen, wenn er eines seiner Möbelstücke anfertigen will. Statt­dessen setzt der Schreinermeister aber auf Recycling: Wenn er in seiner Freiburger Schreinerei, der Manodera Möbelmanufaktur, einen Tisch oder einen Schrank auf konventionelle Art produziert, sammelt er das übrig gebliebene Material. Später baut er aus den gesammelten Resten unzähliger Aufträge ein neues Möbelstück und vertreibt dies unter der Marke Plonka_Möbeldesign. „Das ist wie ein Hobby neben der Auftragsschreinerei“, sagt Plonka. Seine recycelten Tische und Möbel sind nicht teurer als die ursprünglichen Möbel, denn das, was an Arbeitszeit mehr aufgewendet werden muss, wird durch das Recycling eingespart.

Ziel: Holz nicht wegschmeißen

Plonka wurde der Sinn für Nachhaltigkeit in die Wiege gelegt. Sein Vater hat sich früher beruflich mit Wasserkraft beschäftigt, seine Mutter war Parteimitglied der Grünen. „Mein Ziel ist es, kaum Holz wegzuschmeißen“, erklärt Plonka. „Alles, was wir nicht recyceln können, dient uns als Heizmaterial.“ Seine Kunden sind von diesem Ansatz begeistert, auch Plonka selbst hat seine Wohnung großteils mit Recycling-Möbeln ausgestattet. „Natürlich ist der Stil nicht für jeden etwas, denn kein Möbelstück passt perfekt zum anderen“, sagt der Schreinermeister. „Aber dafür ist jedes Teil ein Einzelstück.“

Knappe Rohstoffe, hohe Preise

Damit schont Plonka nicht nur die Umwelt, sondern auch seinen Geldbeutel. Denn: Viele Baustoffe sind seit Monaten oder Jahren knapp, die Preise explodieren. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) sind die Baustoffpreise im Jahresdurchschnitt 2021 so stark gestiegen wie seit rund 70 Jahren nicht mehr. So verteuerten sich zum Beispiel Konstruktionsvollholz im Vergleich zum Vorjahr um 77,3 Prozent, Dachlatten um 65,1 Prozent, Bauholz um 61,4 Prozent. Bei den Stahlpreisen sieht es nicht besser aus: Betonstahl in Stäben war im Jahresdurchschnitt um 53,2 Prozent teurer als im Vorjahr, Betonstahlmatten kosteten 52,8 Prozent mehr. Das kann sich nicht jeder Handwerker, geschweige denn Kunde leisten. Eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht.

Ursachen für den Mangel

Es gibt mehrere Gründe für die Knappheit und die damit einhergehenden hohen Rohstoffpreise. Daniel Briesemann, Rohstoff-Analyst bei der Commerzbank, spricht vor allem von zwei treibenden Faktoren des Ressourcenmangels. Erstens: „Die Rohstoffnachfrage ist mit Beginn der Pandemie aufgrund des weitreichenden Lockdowns zwar zunächst gesunken“, erklärt Briesemann. „Später ist sie allerdings schnell und deutlich stärker als erwartet wieder angestiegen.“ Die Nachfrage nach Metallen und Holz ist mittlerweile höher als vor der Pandemie, auch wenn deren Dynamik nach dem sprunghaften Anstieg zuletzt etwas nachgelassen hat.

Zweitens, erklärt Briesemann, hat besonders die Angebotsseite immer noch mit coronabedingten Problemen zu kämpfen. „Container sind zum Beispiel weiterhin knapp, und in China werden wegen Corona nach wie vor regelmäßig Häfen und Fabriken geschlossen“, sagt der Analyst. „Diese Logistikprobleme werden uns wohl noch eine Zeit lang begleiten.“

Deutsches Holz als Lückenbüsser

Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs hat die Situation noch weiter verschärft. Doch sind Umstände wie die Coronapandemie und die Krise im Osten nicht allein dafür verantwortlich, dass wichtige Ressourcen knapp geworden sind und es womöglich auch weiterhin bleiben. Einen großen Einfluss auf die Holzknappheit übte auch eine Käferplage im Frühjahr 2021 in Kanada aus, die rund 180.000 Quadratkilometer Wald zerstörte. Für die USA ist damit der wichtigste Holzimporteur fast komplett weggebrochen. Die Lücke wurde mit deutschem Holz geschlossen. Der Holzexport Deutschlands in die USA ist im Jahr 2021 um rund 55 Prozent gestiegen. Das ließ die Preise hierzulande in die Höhe schnellen. Der Bauboom hat dann sein Übriges getan.

Ob Käferplage, geschlossene Häfen oder eine pandemiebedingt erhöhte Nachfrage: Die Rohstoffkrise birgt auch positive Seiten, wie Rohstoff-Analyst Briesemann beobachtet: „Die Knappheit befeuert Innovationen“, sagt er. „Viele Branchen versuchen, Substitute zu finden, und setzen stärker auf Recycling.“ Das zeigt sich auch im Handwerk. Hier gibt es schon seit einigen Jahren eine Bandbreite an Recycling-Plattformen. Seit Beginn der aktuellen Rohstoffkrise boomt der Andrang für Secondhand-Ressourcen. Über Plattformen wie Restado, Leroma und Materialrest24 können Handwerker Rohstoffe beziehen, die ein anderer abgegeben hat. handwerk magazin analysiert: Wie genau funktionieren diese Plattformen? Und für welches Gewerk eignet sich welcher Anbieter?

Restado: Von Holz bis hin zu Türen

Marc Haines hatte als Ingenieur und Architekt eines der großen Probleme des Baumanagements jahrelang direkt vor den eigenen Augen: Beim Neubau wird zu viel weggeschmissen, nämlich 15 Prozent des bestellten Materials. Er schloss sich deshalb mit Dominik Campanella, Ulrike Schock und Julius Schäufele zusammen und gründete Restado, mittlerweile der größte Marktplatz für wiedergewonnene Baustoffe in Europa. Im Angebot sind zum Beispiel Holz, Beton, Ziegel und Fliesen, aber auch ganze Fenster und Türen. Die Materialien stammen aus Rückbau, Überangebot oder aus Restbeständen von Bauprojekten, angeboten werden sie von Baufirmen und Handwerkern selbst. Mittels Kontaktformular können Anbieter und Kaufinteressierte miteinander in Kontakt treten.

Der Marktplatz, der in Deutschland, Österreich und der Schweiz verfügbar ist, verzeichnet bislang rund eine Million Nutzer. „Schon vor der Pandemie haben wir großes Potenzial darin gesehen, den Handel mit recycelbaren Materialien im Handwerk zu digitalisieren“, sagt Co-Gründer Dominik Campanella. Besonders gefragt sind gerade Holzbalken und Kabeltrassen. Kein Zufall: Holz und Metall, aus denen die Kabeltrassen bestehen, sind derzeit knapp und teuer.

Leroma: Nüsse, Mehl und Reis

Nicht nur die Preise für Baumaterialien, sondern auch für Lebensmittelrohstoffe sind in den vergangenen Jahren ordentlich in die Höhe geschnellt. Weizen, der ja an der Börse gehandelt wird, kostete im Februar 2022 etwa 17 Prozent mehr als im Vergleichsmonat im Vorjahr, in den ­vergangenen drei Jahren ist der Preis um satte 48 Prozent gestiegen. Grund dafür sind vor allem Ernteausfälle. In der Praxis bedeutet das: Die Getreidemühlen müssen hohe Preise für den Rohstoff zahlen. ­Bislang geben sie den Preis noch nicht an den Verbraucher weiter, doch in Zukunft könnten Mehl, aber auch entsprechende Produkte wie Nudeln und Brot teurer ­werden.

Schon allein aus Kostengründen lohnt es sich also zum Beispiel für Bäcker und Metzgereien, achtsam mit ihren Lebensmitteln umzugehen. Möglich macht das etwa Leroma, eine Online-Suchmaschine, die den Rohstoff-Einkauf für Unternehmen vereinfachen soll. Rund 8.000 Lebensmittelrohstoffe verzeichnet die Datenbank bisher, darunter etwa Back­aromen, Nüsse, Mehl und Reis. „Wir wollen die Prozesse für die Beschaffung im Lebensmittelbereich beschleunigen und dafür sorgen, dass es weniger Verschwendung gibt“, erklärt Gründerin Marina Billinger. Laut Prognosen werden die Lebensmittelressourcen immer knapper, Corona habe nur einen Vorgeschmack darauf gegeben, was in Zukunft auf die Branche zukommt. „Während der Pandemie haben viele Hersteller einen Vorrat angelegt, die Überschüsse wurden dann nicht verwendet – also weggeschmissen“, sagt Billinger. „Diese Verschwendung wollen wir stoppen.“ Bisher nutzen etwa 600 Unternehmen Leroma. Für Suchende ist die Plattform derzeit noch kostenlos, nur die Anbieter zahlen. „Wir wollen ja das Haus füllen, das ist in der Plattformökonomie entscheidend“, meint Betriebswirtin Billinger.

Materialrest24: Holz und Elektro

Materialrest24 erinnert ein wenig an Ebay-Kleinanzeigen oder Markt.de: In einer Suchleiste kann man die gewünschten Materialien und Maschinen ein­tippen, es lässt sich eine Kategorie und ein Ort wählen, in dem oder in dessen Nähe der potenzielle Käufer die Ware abholen möchte, außerdem lassen sich die Materialien nach Gewerk aufteilen. Mehr als 1.500 Handwerksbetriebe inserieren mittlerweile Baumaterial auf der Plattform, das sie selbst nicht mehr brauchen. Andere Handwerker können sich das ­Material dann online anschauen und per Nachricht ihr Interesse bekunden. Das schont den Geldbeutel – und die teils knappen Ressourcen.

Die Website ist das Werk von Simon Schlögl. Er ist selbst gelernter Dach­decker mit 18 Jahren Berufserfahrung, Materialrest24 hat er im März 2017 gegründet. „Die Materialien, die im Handwerk genutzt werden, sind mit den Jahren immer vielfältiger geworden“, sagt er. „Das sorgt dafür, dass bei Handwerkern oft Baumaterial übrig bleibt, das sie selbst nicht mehr brauchen – aber ein anderer Handwerker sucht vielleicht genau danach.“ Auch Schlögl verzeichnet stets steigende Nutzerzahlen, vor allem bei Holz- und Elektroartikeln. Gerade startet der Gründer und Handwerker eine Zusammenarbeit mit einem großen Fachhandel, der in Zukunft den Handel von ungenutzten Materialien unter seinen Kunden anregen soll.