Bauwirtschaft Interview mit Felix Pakleppa: "Energiewende bringt großes Potenzial bei Sanierungen"

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Baustoffe, EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz), Energieeffizienz, Gewerbebau, Nachhaltigkeit und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Die Bauwirtschaft hat es maßgeblich in der Hand, die Energiewende zu meistern – so sieht es Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Bei Nichtwohngebäuden sieht der Verbandschef viel Arbeit auf die Gewerke des Baus und Ausbaus zukommen. Personell sei die Branche dafür gut aufgestellt.

Felix Pakeppa, HGF ZDB
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), sieht die Gewerke des Baus und Ausbaus gut für die Zukunft aufgestellt. - © ZDB
handwerk magazin: Die neue EU-Gebäuderichtlinie sieht vor, dass öffentliche Gebäude bereits ab 2027 emissionsfrei sein sollen. Wie sieht der ZDB diese Vorgaben hinsichtlich der Machbarkeit?

Felix Pakleppa: Die neue Bundesregierung und die EU haben sich in diesem Bereich sehr ambitionierte Ziele und Maßnahmen vorgenommen. Um die Klimaziele zu erreichen, ist es wichtig, dass die öffentliche Hand vorangeht und zeigt, mit welchen Standards energetisches Bauen und Sanieren gelingen kann. Natürlich müssen wir dabei auch die personellen Kapazitäten im Bau- und Ausbaubereich im Blick haben. Da sind wir optimistisch: Im Bauhaupt­gewerbe haben die Betriebe in den vergangenen zehn Jahren mehr als 200.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Kaum eine andere Branche in Deutschland kann das von sich sagen. Damit ist die Anzahl der Arbeitsplätze von knapp 700.000 auf nun 915.000 Arbeitsplätze gestiegen. Bei den Lehrlingen gab es in den vergangenen fünf Jahren einen Zuwachs von über fünf Prozent. Das wird allerdings nicht ausreichen, um die personellen Abgänge, die wir in diesem Jahrzehnt schon sehen, auszu­gleichen. Bis 2030 werden gut 150.000 Fachkräfte altersbedingt das Bauhandwerk verlassen. Uns kommt die Aufgabe zu, diese zu ersetzen, um die an uns gestellten Bauaufgaben erfüllen zu können.

Wie gehen Sie dabei vor?

Die jungen Leute sehen, dass es sich bei der Bauwirtschaft nicht länger um eine Low-Tech-Branche handelt. Robotic, Vorfertigung und digitale Prozesse machen die Betriebe immer attraktiver. Ausbildungsvergütung und Fortbildungsmöglichkeiten sind ebenfalls gut, sodass auch mehr Studienabbrecher die Chance ergreifen, eine Ausbildung zum Meister abzuschließen. Sie erkennen, dass die gesellschaftlich relevanten Zukunftsthemen wie die Energiewende, das energetische Bauen und Sanieren nicht ohne den essenziellen Beitrag der Bauwirtschaft zu lösen sind. Hinzu kommt, dass in vielen anderen Branchen derzeit Arbeitsplätze abgebaut werden und die dort tätigen Arbeitskräfte zu uns wechseln könnten. All diese Entwicklungen stimmen uns optimistisch. Zusätzlich werden wir aber auch Fachkräfte aus dem Ausland brauchen. Dabei hilft uns etwa die West-Balkan-­Regelung, über die Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten wie Bosnien oder Mazedonien in Deutschland tätig werden ­können.

Für Renovierungen gelten neue Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz. Danach sollen 15 Prozent des Bestands an Nichtwohngebäuden mit der schlechtesten Energieeffizienz bis 2027 von Klasse G auf mindestens Klasse F verbessert werden. Wie ist es denn derzeit um den Effizienzstand von Gewerbegebäuden und Hallen bestellt?

Der Stand bei Nichtwohngebäuden ist schlechter als bei Wohngebäuden. Wir haben in Deutschland 21,5 Millionen Nichtwohngebäude, davon sind rund 18 Millionen Gebäude, darunter Ställe, Lagerhallen und Kirchen, die weder Kühlung noch Heizung haben. Nur knapp 3,5 Millionen sind also thermisch relevante Gebäude, die wir uns hier anschauen müssen. Nur 40 Prozent dieser relevanten Nichtwohngebäude haben eine Wärmedämmschicht, 85 Prozent haben eine Zweifachver­glasung, nur sieben Prozent eine Dreifachverglasung. Bei den Außenwänden liegt die Modernisierungsrate bei jährlich nur 0,6 Prozent. Wenn es bei diesem Tempo bliebe, dauert es circa 200 Jahre, damit alles den energetischen Standards entspricht. Daher gibt es vor allem bei den Sanierungen erhebliches Potenzial.

Ist der Zeitrahmen denn überhaupt realistisch?

Um die gesteckten Ziele realistisch zu erreichen, sind auch verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen wichtig. Die ausgelaufene Förderung des KfW-Effizienzhaus 55 sorgt derzeit für Unsicherheiten bei Bauherren und Investoren. Solange nicht klar ist, welche Förderungen es für Bauvorhaben gibt, warten viele Bau- und Sanierungswillige nun erst mal ab. Solche Rahmenbedingungen sind auch für Bauunternehmen von Bedeutung, denn so können sie absehen, was mittelfristig an Aufträgen auf sie zukommt, und können sich darauf einstellen.

Welche Herausforderungen birgt in dem Zusammenhang die anhaltende Material- und Rohstoffknappheit?

Die verminderte Produktion von Holz, Stahl und Beton sowie Kunststoffen aufgrund von Corona und die höhere Nachfrage aus China und den USA haben Preise bis heute in die Höhe getrieben. Bei Holz sehen wir eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr, bei Stahl und Beton gibt es Preissteigerungen in Höhe von plus 80 Prozent, bei Kunststoffen, die ganz wichtig für die Dämmung sind, liegen wir bei plus 60 Prozent. Das macht das Bauen neben den energetischen Anforderungen noch einmal teurer. Wir sehen im Moment auch noch nicht, dass sich dieser Trend im Laufe des Jahres schon deutlich entspannt. Wir hoffen, dass die Produktionen bis zum Jahresende weltweit wieder hochfahren werden, sobald sich das Pandemie-Geschehen beruhigt. Weil es sich bei den Bauprodukten um einen globalen Markt handelt, sind wir von den Entwicklungen in Asien abhängig.

Eine energetische Gebäudehülle, solide Fenster und eine intelligente Anlagentechnik: Das alles muss bei Sanierungen umgesetzt werden. Was gibt es bei Neubauten außerdem zu beachten?

Während wir bei der Sanierung den Gebäudebestand, so wie er ist, in Angriff nehmen müssen, haben wir bei Neubauten mehr Spielraum bei der Materialwahl. Der Trend geht derzeit dahin, hy­brid zu bauen und sowohl Holz als auch mineralische Baustoffe wie zum Beispiel gut gedämmte Ziegel- und Sandsteine zu verwenden. Das hilft natürlich dabei, die energetischen Standards zu erreichen. Mit der Deutschen Energie-Agentur (DENA) haben wir schon einige interessante Projekte umgesetzt.

Über Felix Pakleppa:

Felix Pakleppa ist seit 2010 Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Der studierte Jurist kam 1997 zum Verband, wo er zunächst im Geschäftsbereich Sozial- und Tarifpolitik arbeitete. Nach weiteren Stationen wurde er 2009 in die Geschäftsführung des Zentral­verbands berufen.