Interview mit Dr. Peter Weiss (ZDH) Mitarbeiter aus der Ukraine: "Willkommenslotsen helfen direkt im lokalen Netzwerk vor Ort"

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Arbeitsrecht, Flüchtlinge und Ukraine-Konflikt

Betriebe und ukrainische Mitarbeiter stehen vor einem Konglomerat an Anforderungen, um das Arbeitsverhältnis rechtlich in saubere Bahnen zu lenken. Die Willkommenslotsen, eine Gemeinschaftsinitiative von Bundeswirtschaftsministerium und Verbänden, tragen dazu bei, dass das Ankommen auf dem deutschen Arbeitsmarkt reibungslos verläuft. Dr. Peter Weiss, ZDH-Abteilungsleiter Gewerbeförderung, erläutert im Interview die Vorteile.

Willkommeslotsen
Die Willkommenslotsen, eine Gemeinschaftsinitiative von Bundeswirtschaftsministerium und Verbänden, tragen dazu bei, dass das Ankommen auf dem deutschen Arbeitsmarkt reibungslos verläuft. - © Davizro Photography - stock.adobe.com
Herr Dr. Weiss, welche Vorteile bieten die Willkommenslotsen Handwerksbetrieben?

Dr. Weiss: Wenn Handwerksbetriebe Geflüchtete ausbilden oder beschäftigen möchten, stellen sich zahlreiche Fragen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, zu Fördermöglichkeiten und zu Integrationsangeboten. Die Willkommenslotsen unterstützen als Ansprechpartner bei all diesen Fragen – ganz gleich, ob es um Ausbildung, Praktikum oder Beschäftigung geht. Das Besondere dabei ist, dass die Lotsinnen und Lotsen vor Ort arbeiten: Sie sind Teil des lokalen Netzwerks rund um die Integrationshilfe und sie sind gleichzeitig Schnittstelle zur Verwaltung. So können sie die Betriebe optimal dabei unterstützen, geflüchteten Menschen einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu geben.  

Wie finden interessierte Chefinnen und Chefs einen Lotsen in ihrer Region?

Betriebe, die offene Stellen gern geflüchteten Menschen anbieten möchten, sollten sich an die Willkommenslotsen in ihrer Region wenden, die ihnen Bewerberinnen und Bewerber passgenau vermitteln. Seit 2016 fördert das Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung bundesweit etwa 70 Willkommenslotsen, von denen rund die Hälfte in Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften und Bildungseinrichtungen tätig ist. Eine Liste aller Willkommenslotsen und weitere Informationen finden sich auf unserer Website.

Eine gute zusätzliche Anlaufstelle bietet außerdem das Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge: Das bringt Betriebe zusammen, die Integrationsarbeit leisten, ermöglicht den Austausch untereinander und bietet dadurch eine gute Praxisunterstützung.

Wie erleichtern Willkommenslotsen auch den Betrieben den Einstieg?

Zusammen mit den Betriebsinhaberinnen und -inhabern erstellen die Willkommenslotsen zunächst ein Anforderungsprofil für die offene Ausbildungs- oder Arbeitsstelle. Auf dieser Basis übernehmen sie dann die Bewerbersuche: Mithilfe ihres Netzwerks machen sie geeignete Bewerberinnen und Bewerber ausfindig und prüfen, ob es zusätzlichen Bedarf an Sprachförderung oder Qualifizierungsmaßnahmen gibt. Schließlich stellen sie den Kontakt zwischen Betrieben und möglichen Bewerberinnen und Bewerbern her – die dann im persönlichen Austausch ausloten können, wie gut sie zueinander passen. Und auch nachdem die Stelle erfolgreich besetzt werden konnte, stehen die Willkommenslotsen den Betrieben weiter als Ansprechpartner zur Verfügung, etwa wenn es Weiteres mit der Arbeitsagentur oder der Ausländerbehörde zu klären gilt. 

Wen kann man als Chef darüber hinaus ansprechen, wenn man ukrainische Flüchtlinge beschäftigen möchte? Arbeitsagentur? Jobbörsen?

Handwerkskammern, Fachverbände, Innungen und Kreishandwerkerschaften sind für Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber stets eine gute Anlaufstelle, wenn sie umfassend rund um das Thema beraten werden möchten. Ab sofort und der aktuellen Lage geschuldet bieten die Handwerkskammern einen Erstberatungs-Check für ukrainische Berufsqualifikationen an. Im Rahmen dieser Kurzberatung nehmen die Kammern Informationen zu Berufsabschlüssen, Arbeitserfahrungen und Sprachkompetenzen auf und geben den Geflüchteten eine erste Einschätzung mit Blick auf einen vergleichbaren deutschen Ausbildungsberuf. Das Beratungsergebnis wird in einem Erst-Check-Dokument festgehalten. Dieses soll dann den Betrieben im Einstellungsprozess helfen, den Menschen aus der Ukraine eine gezieltere Stellenbewerbung ermöglichen sowie Arbeitsagenturen und Jobcenter bei der Vermittlung unterstützen.   

Ihre Mitgliedsbetriebe haben ja bereits erste Erfahrungen mit ukrainischen Flüchtlingen. Was hören Sie von Unternehmerinnen und Unternehmern? Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Das Handwerk und seine Betriebe sind auch jetzt hochmotiviert und bereit, einen entscheidenden Beitrag zur Integration Geflüchteter zu leisten. Chancen für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration im Handwerk bieten vor allem die vorhandenen Qualifikationen sowie das große Interesse ukrainischer Geflüchteter an einer schnellen Beschäftigungsaufnahme. Aus der Ukraine kommen in der Regel gut ausgebildete Facharbeiterinnen und Facharbeiter, und es hat sich gezeigt, dass sie gewerkeübergreifend sehr flexibel einsetzbar sind. Aktuell kommen überwiegend Frauen und Kinder, weshalb derzeit vor allem Integrations- und Sprachkurse sowie Kinderbetreuung und Beschulung als Voraussetzung für eine Beschäftigungsaufnahme im Vordergrund stehen. Damit die Integration nicht nur ukrainischer Geflüchteter, sondern ausländischer Fachkräfte allgemein erfolgreich gelingt, ist es gerade für die kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks wichtig, sie in ihrem Engagement strukturell zu unterstützen. Wir brauchen ein bundesweites und dauerhaftes Programm, mit dem Integrationsbegleiterinnen und -begleiter wie Kümmerer-Strukturen insgesamt finanziert werden. Solche Strukturen wären äußerst hilfreich, weil unsere kleinen Betriebe wie aber auch Geflüchtete und Zuwanderer dann die kompetenten Ansprechpartnerinnen und -partner haben, mit denen sie die administrativen und praktischen Herausforderungen, die mit der Ankunft in Deutschland verbunden sind, schnell und unbürokratisch bewältigen können.

Interviewpartner

Dr. Peter Weiss, ZDH-Abteilungsleiter Gewerbeförderung
© ZDH

Dr. Peter Weiss
Zentralverband des Deutschen Handwerks,
Abteilungsleiter Gewerbeförderung.