Mitarbeitergewinnung Ghosting: Diese rechtlichen Optionen haben Chefs bei Kontaktabbruch nach dem Bewerbungsgespräch

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Arbeitsrecht, Ausbildung und Fachkräftemangel

Ein gutes Gespräch – und dann hören Chefs einfach nichts mehr: Bewerber-Ghosting kommt im Handwerk häufiger vor. Die Unternehmen kostet dieses Verhalten Zeit und Geld. Welche rechtlichen Möglichkeiten Handwerkschefs noch bleiben, wenn Job­interessenten oder neue Mitarbeiter kommentarlos abtauchen.

Manuela Nemela führt gemeinsam mit ihrem Mann den Heizungsbaubetrieb Nemela im niederbayerischen Landshut.
Manuela Nemela führt gemeinsam mit ihrem Mann den Heizungsbaubetrieb Nemela im niederbayerischen Landshut: "In unserer Branche spüren wir den Fachkräftemangel massiv." - © Benjamin Schmidt

Manuela Nemela freut sich über jeden Bewerber und jede Bewerberin: „In unserer Branche spüren wir den Fachkräftemangel massiv. Wir würden unser Team gerne erweitern, aber das ist nicht einfach.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard Nemela führt sie den Heizungsbaubetrieb Nemela in Landshut, sie beschäftigen momentan vier Mitarbeitende. Zuletzt erhielt sie per Mail ein Angebot, auf das sie reagierte. „Mich interessierte, wer dahintersteckt“, sagt Nemela. Die Bewerbung kam aus Marokko. „Es handelte sich um einen jungen Mann mit sehr guten Zeugnissen und einer extrem guten Qualifikation“, erläutert die Unternehmerin. Also schrieb sie zurück. Doch es stellte sich schnell heraus, dass es weniger um einen Job als um eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland ging. „Die Bewerbung war eher ein Fake. Im Mailverkehr wurde schnell klar, dass wir einen Ausbildungsvertrag zusenden sollten“, sagt Nemela.

Personalverantwortliche kommen aktuell immer wieder in die unangenehme Situation, dass Jobinteressenten nach einem Mailkontakt, nach dem ersten Vorstellungsgespräch oder sogar vor dem ersten Arbeitstag kommentarlos untertauchen. So wie sie es beim Online-Dating praktizieren, wenn der potenzielle Partner nicht gefällt. Wird eine Partei von der anderen ignoriert, ohne dass es eine Zu- oder Absage gegeben hat, nennt sich dies neudeutsch Ghosting.

Um Produktive Arbeitszeit gebracht

Auch Manuela Nemela begegnete diesem Phänomen bereits. „Wir haben so wenige qualifizierte Bewerber, dass wir mit jedem ein Vorstellungsgespräch vereinbaren. Die meisten kommen pünktlich. Aber ich habe es auch schon oft erlebt, dass ich vergeblich gewartet habe“, so die Unternehmerfrau. Ein solches Verhalten ärgert sie. „Natürlich gehört sich das nicht, jemanden sitzen zu lassen. Aber abgesehen davon, habe ich zum vereinbarten Termin mehr oder weniger Leerlauf. Mir geht produktive Arbeitszeit verloren“, erklärt Nemela. Einmal sagte ein Aspirant eine Stunde vorher ab mit der Begründung, „er würde es nicht schaffen“. Sie machten einen neuen Termin aus. „Beim zweiten Versuch hat er sich schon gar nicht mehr die Mühe gemacht, sich zu melden.“ Andere Bewerber vereinbarten mit ihr ein Praktikum oder einen Tag Probearbeiten ohne sich je wieder zu melden.

Die Jobplattform Indeed befragte in Kooperation mit dem Marktforschungsunternehmen Appinio rund 400 Recruiter in Deutschland. Mehr als die Hälfte von ihnen gab zu Protokoll, dass Bewerber-Ghosting im vergangenen Jahr häufiger geworden ist. Wenn es vor einem Bewerbungsgespräch zu einem Kontaktabbruch durch die Kandidaten kommt (36 Prozent), findet Indeed dies noch nicht unbedingt bemerkenswert – schließlich hätte es bis dato oftmals noch keinen persönlichen Austausch gegeben. Aber Personalverantwortliche hören häufiger nach einem Vis-à-vis-Gespräch nichts mehr von den Bewerbern (53 Prozent). Selbst nach einer Zusage haben 18 Prozent der Befragten Ghosting-Erfahrung machen müssen. „Bewerber und Bewerberinnen haben häufig die Wahl zwischen mehreren guten Optionen, genauso wie umgekehrt Unternehmen früher. Sie verfolgen nicht jeden Bewerbungsprozess konsequent bis zum Ende“, beobachtet Tim Verhoeven, Recrui­ting-Experte bei Indeed.

Wird ein Unternehmen Opfer von Ghosting, stellt sich für die Entscheidungsträger die Frage, ob sie rechtlich etwas erreichen können. „Platzt das Vorstellungsgespräch, haben Arbeitgeber keine Chance auf eine Entschädigung. Eine schuldrechtliche Beziehung besteht nicht, weshalb keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen möglich sind“, sagt Pascal Verma, Fachanwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei nbs partners in Hamburg.

Pflichtverletzung ab wann?

Etwas differenzierter sieht das aus, falls Aspiranten auf ein konkretes Angebot nicht reagieren. „Bewerber haften grundsätzlich nicht, wenn sie Vertragsverhandlungen abbrechen. Selbst wenn sie für den Abbruch keinen Grund angeben“, kommentiert Verma. Ein Schadensersatzanspruch kann aber bestehen, wenn Interessenten dem potenziellen neuen Arbeitgeber bereits zu verstehen gegeben haben, dass sie das Angebot annehmen wollen. „Aber auch dann sind die Erfolgsaussichten für Unternehmer nicht so rosig“, so Verma. Der Chef müsste darlegen, dass er durch den pflichtwidrigen Abbruch geschädigt wurde.

Dieses Problem haben Chefs auch, wenn ein neuer Mitarbeiter an seinem ersten Tag nicht erscheint. „Der Arbeitnehmer verletzt in einem solchen Fall seine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag. Diese Pflicht lässt sich allerdings nicht mit Zwangsmitteln vollstrecken“, so Verma. Der Unternehmer könnte alternativ einen Schadensersatzanspruch geltend machen. „Dazu müsste er klar einen Schaden nachweisen, der allein durch die pflichtwidrige Nichtaufnahme der vereinbarten Leistung entstanden ist. Das ist in der Praxis häufig nicht einfach“, so Verma.

Wie aber reagieren? Zuerst einmal muss dafür Sorge getragen werden, dass der Arbeitsvertrag beendet wird – durch eine fristlose Kündigung oder durch eine Probezeitkündigung. Im Weiteren sollte die Firma zur Vorbereitung eines Schadenersatzverlangens Schadenpositionen sammeln – und etwa auf die mit der erneuten Stellenausschreibung verbundenen Kosten verweisen. Wichtig: Die durch den neuen Bewerbungsprozess entstandenen Aufwendungen sind hier nicht relevant. Unterm Strich dürfte es trotz allem recht schwierig werden, Geld vom Arbeitnehmer zu bekommen.

Kontaktabbruch: So reagieren Unternehmer richtig

Mitarbeiter können ihren Arbeitgeber heute auswählen, anders als noch vor ein paar Jahren. Nicht immer halten sie sich dabei an die Regeln oder brechen gar den Kontakt vollständig ab. Wie Chefs am besten agieren, um sich Stress und Ärger zu ersparen:

  • Problem Hauptleistungspflicht:
    Der Arbeitnehmer wirft von einem auf den anderen Tag den Job hin, ohne zu kündigen. „Der Mitarbeiter verletzt seine Hauptleistungspflicht, die der Arbeitgeber allerdings nicht zwangsvollstrecken kann“, sagt Pascal Verma, Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Der Arbeitnehmer kann schadenersatzpflichtig sein, wobei auch hier der Nachweis eines Schadens schwierig ist. Allenfalls wenn ein Auftrag platzt, an dem der Mitarbeitende beteiligt gewesen wäre, kann der Unternehmer einen Schaden geltend machen – aber es müsste sehr klar sein, dass die Nicht-Erfüllung wesentlich am Mitarbeitenden hängt.
  • Kündigung nicht vergessen:
    Der Arbeitgeber kann und sollte eine Kündigung aussprechen, falls er geghostet wurde. Wichtig ist, hierfür die Schriftform zu wahren. Der Zugang der Kündigung ist nachzuweisen. Eine Abmahnung ist in der Regel nicht notwendig, wenn der Mitarbeiter noch in der Probezeit ist. Was noch wichtig ist: Soweit Arbeitnehmer schuldhaft nicht zur Arbeit kommen, wenn sie also unentschuldigt fehlen, haben sie keinen Anspruch auf Vergütung.
  • Vertragsstrafe im Vorfeld:
    Vorsorge ist besser als Nachsorge. Daher raten Experten dazu, eine Vertragsstrafe mit in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Die Strafe darf aber nicht unverhältnismäßig hoch ausfallen, sonst wäre sie unwirksam. Das heißt: Ein Monatsgehalt ist nicht immer angemessen. Die Vertragsstrafe muss im Vertrag präzise formuliert sein, etwa mit Bezug auf den Fall des Ghosting bei Nichtaufnahme der Arbeit. Bei Auszubildenden sind Vertragsstrafen nicht zulässig.

Vertragsstrafe vereinbaren

Arbeitsrechtsexperte Verma rät dazu, im Arbeitsvertrag eine Vertragsstrafen-Regelung aufzunehmen, die bei Vertragsbruch greift. „Aufgrund der Vorgaben der Rechtsprechung ist eine Vertragsstrafe in der Regel auf die Bruttovergütung des Mitarbeitenden begrenzt, die er für die Zeit bis zum Ende der Kündigungsfrist in der Probezeit erhalten hätte“, so Verma. Häufig wird für die Probezeit eine Kündigungsfrist von zwei Wochen vereinbart. „Dann beläuft sich die Vertragsstrafe auf ein halbes Monatsgehalt“, so der Rechtsanwalt. Den Betrag können Unternehmer dann zumeist durchsetzen.

Arbeitnehmer mit unterschriebenem Vertrag sagen in der Regel ab, wenn sie die Stelle nicht antreten wollen. Eine Mail oder ein Anruf genügen rechtlich allerdings nicht. Denn vom Vertrag zurücktreten können die Parteien normalerweise nicht. „Dies ist bei Arbeitsverhältnissen zumeist nicht vereinbart. Eine Kündigung vor Vertragsbeginn ist aber möglich, wenn auch die festgelegte Kündigungsfrist zu beachten ist“, sagt Tobias Törnig, Rechtsanwalt mit Spezialgebiet Arbeitsrecht der Kanzlei FPS in Düsseldorf. Er erläutert weiter: „Relevant ist der Zugang der Kündigung, ab dann startet die Frist“, so Törnig. Das heißt: Haben die Parteien eine Kündigungsfrist von zwei Wochen vereinbart und erreicht das Schreiben zwei Wochen vor dem ersten Arbeitstag den Betrieb, muss der Mitarbeiter die Tätigkeit nicht mehr aufnehmen. „Geht dem Arbeitgeber die schrift­liche Kündigung erst eine Woche vor dem ersten Arbeitstag zu, muss er zum vereinbarten Termin noch für eine Woche in den Betrieb kommen“, so Törnig.