Serie New Work, 6. Folge Weiterbildung im Betrieb: Mit Lernhäppchen täglich das Team aufschlauen

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Digitalisierung, Fachkräftemangel, Mitarbeitermotivation, New Work und Weiterbildung

Ohne regelmäßige Weiterbildung lassen sich heute keine guten Fachkräfte mehr finden und halten. Das ist fast allen Chefs klar, doch oft fehlen Zeit und Geld. Dabei sind digitale, in den Alltag integrierte Lernhäppchen sowieso oft die bessere Alternative.

Christian Gröbner (Mitte), Stuckateurmeister und Chef der Christian Gröbner GmbH in Stuttgart.
Christian Gröbner (Mitte), Stuckateurmeister und Chef der Christian Gröbner GmbH in Stuttgart, bietet seinem Team die ganze Palette an analogen und digitalen Schulungen. - © Annette Cardinale

Vom Gipser zum Renovierungsmanager, vom Verputzen zur energetischen Sanierung: Im Ausbaubetrieb von Hermann Blattner, Stuckateurmeister, Diplom-Betriebswirt und Chef der Christian Gröber GmbH in Stuttgart-Untertürkheim, hat sich in den vergangenen 20 Jahren sehr viel verändert. Der Handwerksbetrieb mit 65 Mitarbeitern ist spezialisiert auf die Sanierung von Altbauten und kann im Netzwerk mit Partnerbetrieben sogar Komplettsanierungen stemmen.

Mit komplexeren Arbeitsabläufen braucht es aber auch mehr Wissen. Brandschutz, Akustik, Gesundes Wohnen oder Gebäudeenergieberatung – mit alldem müssen sich Stuckateure heute auch auskennen. Hermann Blattners Ziel ist deshalb klar: „Unsere Mitarbeiter so gut wie möglich weiterzubilden.“ Etwa durch Inhouse-Schulungen mit Industriepartnern oder anderen Referenten, die der Betrieb rund fünfmal im Jahr anbietet. Dazu kommen Veranstaltungen von Innung oder Fachverband. „Die Mitarbeiter sind motiviert daran teilzunehmen“, erklärt Blattner. „Natürlich auch, weil wir die Zeit bezahlen und das eine gute Abwechslung zur Baustelle ist.“

Seine Azubis nutzen zudem Video-Tutorials. Ein großer Lack- und Farbenhersteller habe etwa eine gute Plattform, über die sich fünf- bis zehnminütige Clips auf Smartphone oder Tablet – je nach Wunsch aufs eigene oder ein vom Betrieb gestelltes – streamen lassen. „Da haben sie ein bisschen Input für zwischendurch“, erklärt Blattner. „Wer Interesse hat, nutzt das gerne. Wer keines hat, da wird’s sowieso schwierig.“

Wichtig: Den Mitarbeitern Perspektiven aufzeigen

Als Angebot für engagierte Nachwuchskräfte bietet der Betrieb auch die Ausbildung zum Ausbaumanager an. In dem vom Fachverband der Stuckateure in Baden-Württemberg initiierten, komprimierten Ausbildungsberuf können sich etwa Schulabsolventen mit einer Fachhochschulreife in dreieinhalb Jahren zum Gesellen, Meister und Gebäudeenergieberater ausbilden lassen. „Für Abiturienten oder Studienaussteiger ist das ein interessanter Weg ins Handwerk“, sagt Blattner. Auch sonst gilt nach seiner Erfahrung heutzutage immer mehr, dass man Fachkräften etwas bieten muss. „Mitarbeiter wissen inzwischen, dass sie begehrt sind“, sagt Blattner. Handwerkschefs sollten daher Chancen und Perspektiven bieten – im eigenen Interesse.

Wie wichtig der Wissenserwerb ist, erkennen selbst die kleinen Betriebe. In der vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln durchgeführten Weiterbildungserhebung meldeten 87,4 Prozent der befragten Unternehmen bis 49 Mitarbeiter, dass sie Weiterbildung anbieten. Sie tun dies laut Studie, um die Position des Betriebs im Wettbewerb um Fachkräfte zu stärken, die beruflichen Kompetenzen des Teams auf dem neuesten Stand zu halten, Mitarbeiter im Unternehmen zu halten oder die Motivation und Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Dennoch können nicht alle Unternehmen Weiterbildung im gewünschten Umfang anbieten. Als größten Hinderungsgrund für regelmäßige Maßnahmen nannten die Betriebe zu wenig Zeit, gefolgt von mangelnden organisatorischen Kapazitäten und zu wenig Budget.

Expertentipp: Auf kurze Formate setzen

Kathrin Post-Isenberg kennt diese „allseits beliebten Totschlagargumente“. Die frühere Unternehmerin im Steinmetzhandwerk und heutige Referentin beim Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) in Köln weiß aber auch sie zu entkräften: „Fachliche und persönliche ­Fähigkeiten brauchen Betriebe nicht nur dann, wenn es ruhig ist, sondern immer“, sagt Post-Isenberg. „Natürlich fehlt dann jemand für eine gewisse Zeit, aber mög­licherweise werden in der Weiterbildung auch Inhalte gelernt, die die Arbeit optimieren und beschleunigen.“ Oder etwa eine Arbeitstechnik, die bislang nur einer beherrschte und nun durch andere übernommen werden kann.

Um Kosten und Zeit im Bereich des Machbaren zu halten, empfiehlt Post-Isenberg eine genaue Vorbereitung:

  • Welche Fähigkeiten fehlen?

  • Wer möchte sich fortbilden?

  • Welche Schulungen sind zielführend?

Ihr Tipp: Statt wochenlanger Maßnahmen auch an kurze Formate zu denken. „Schulungen von Lieferanten, Online-Kurse in theoretischem Wissen oder Angebote von Kammern sind meist gar nicht so zeitintensiv“, erklärt Post-Isenberg. „Die Handwerkskammern oder Arbeitsagenturen können bei der Suche unterstützen und auch über Förder­möglichkeiten informieren.“

Post-Isenberg rät zudem, den Begriff Weiterbildung nicht zu eng auf konkrete arbeitsplatzbezogene Fertigkeiten zu denken. Etwa beim Thema Digitalisierung, das auch für Handwerksbetriebe immer wichtiger wird: „Viele unserer Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Digitalisierung nicht nur Weiterbildungen zu digitalen Technologien benötigt, sondern auch Soft Skills wie etwa Teamfähigkeit oder Verantwortungsbewusstsein, vermehrt gefragt sind.“

Beispiel Gießerei: Schritt-für-Schritt Lernen im Arbeitsalltag

Im Betrieb von Ursula Kilburg, Inhaberin der Martin Luck Metallgießerei in Saarbrücken, verknüpft Weiterbildung Produktion und Büro enger miteinander. „Wir brauchen im Büro Leute, die wissen wollen, was wir hier verkaufen“, sagt Kilburg. So ist die aktuelle Büroleiterin schon Schichten mitgefahren oder schaut den Arbeitern über die Schulter, wenn an einem besonderen Gußstück gewerkelt wird. „Ich kann das nur jedem empfehlen, weil man so ein viel größeres Verständnis für unsere Produkte entwickelt“, sagt Kilburg.

Wer in der Gießerei oder Dreherei anfange, müsse sowieso erst einmal lernen. „Das Einarbeiten dauert im Schnitt ein halbes bis dreiviertel Jahr. Unsere Produkte sind alles Unikate und es dauert einfach, bis alles mal drankommt.“ Weitergeben könne man Tipps und Wissen daher auch nur während der praktischen Arbeit. Ein Glücksfall sei ein älterer Mitarbeiter, der, mit inzwischen 83 Jahren, immer noch in den Betrieb komme und Spezialaufträge übernehme – und ein geduldiger Lehrmeister für die Jüngeren sei. Wiederkehrende Arbeitsschritte hält der Betrieb zudem in Form- und Abguss­protokollen sowie einer „Gießereifiebel“ fest. „Die ist insofern digital, als dass wir dafür ein Worddokument erstellt haben“, sagt Kilburg. Mehr smarte Technik sei in der Gießerei schwierig: „Am Schmelzofen ist es heiß, ziemlich dreckig und es muss konzentriert angepackt werden. Da tippt niemand auf dem Computer rum.“

Praktisch und zeitgemäß: Lernen per Smartphone

Digitale Lernformate seien im Handwerk noch selten zu finden, bestätigt KOFA-Referentin Kathrin Post-Isenberg. „Trotzdem werden sie Einzug halten, denn Arbeitsabläufe, die sich immer auf die gleiche Weise wiederholen, sind fürs digitale Abbilden perfekt geeignet – ob als Video, digitale Arbeitsanweisung, QR-Code oder bebilderte Checkliste zum Abhaken.“ Wesentlicher Vorteil der E-Learnings: Sie können unabhängig von Ort und Zeit beliebig oft abgerufen werden und lassen sich in sogenannte Nuggets – kleine Lernhäppchen – aufteilen, sind also ideal für knappe Zeitbudgets. Zudem hängt die Qualität der Vorführung nicht von der Tagesform des Ausbilders ab – ­vorausgesetzt das Video wurde einmal „sauber“ aufgenommen.

„Im Idealfall ergänzen Online-Tutorials die Face-to-Face-Schulung“, erklärt Johannes Nies, Geschäftsführer von Craftguide, einer Online-Plattform für interaktive Schritt-für-Schritt-Kurse aus Handwerk und Industrie. „Das Video oder eine Augmented- oder Virtual-Reality Anwendung erklärt die jeweiligen Arbeitsschritte, während der Betreuer auf Verständnisfragen eingehen kann.“ Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten, die zudem auf individuelle Bedürfnisse eingeht. „Jeder kann in seiner eigenen Geschwindigkeit lernen“, sagt Nies.

Auch Inklusion werde erleichtert, etwa von Hörgeschädigten, die mithilfe von Texteinblendungen in den Videos barrierefrei lernen könnten. „Außerdem sind unsere Inhalte in bis zu 42 Sprachen verfügbar“, ergänzt Nies – ein Riesen­vorteil in gemischtsprachigen Teams. Mit Craftguide können Betriebe auch eigenständig Schritt-für-Schritt-Anleitungen für Arbeitsvorgänge erstellen und ohne Umwege ihr Praxiswissen weitergeben. Digitale Schulungen kommen zudem der Lernmentalität der Beschäftigten entgegen. „Smartphones stecken heute in jeder Hosentasche und die Leute schauen lieber ein Video als gedruckte Anleitungen zu lesen“, weiß Nies. Das hilft nach Einschätzung des Experten auch im schwierigen Wettbewerb ums Personal: „Der Berufsalltag wird immer komplexer, wer die nötigen Lernprozesse so einfach und angenehm wie möglich gestaltet kann bei Fachkräften punkten.“

E-Learning: Das richtige Lernformat finden

Mit E-Learning können Ihre Mitarbeiter zeit- und ortsunabhängig und in ihrem eigenen Tempo lernen. Je nach Lerninhalt und individuellen Vorlieben gibt es dazu inzwischen viele unterschiedliche Formate aus denen Sie und Ihr Team wählen können.

  • Lernprogramme: Mit entsprechender Software können Betriebe eigene Lernstrecken mit Wissensvermittlung, Aufgaben und Tests erstellen. Tipp: Kurze Lernmodule erhöhen die Lernbereitschaft. Kleine Lektionen lassen sich zudem einfacher in den Arbeitstag integrieren.
  • Online-Kurse (MOOCS): Viel Wissen ist im Netz bereits abrufbar. Sogenannte MOOCs (Massive Open Online Courses) sind Videokurse, mit denen sich online, und meist auch kostenlos, unterschiedlichste Themenbereiche erlernen lassen. Sie eignen sich für Standardlernstoff wie Sprach- oder EDV-Kurse.
  • Erklärvideos: Erklären einen Arbeitsvorgang visuell, ergänzt durch Ton oder Texteinblendung. Die Clips sollten nicht länger als zehn Minuten sein und können auch in Eigenregie mit dem Smartphone aufgenommen werden. Tipp: Machen Sie die Videoaufzeichnung zum Azubi-Projekt und lassen Sie den Nachwuchs Lernvideos zu bestimmten Arbeitstechniken oder Abläufen aufnehmen. Geeignet sind auch ganz kurze Lerneinheiten, von den Experten auch Nuggets genannt, die sich etwa über einen QR-Code am jeweiligen Arbeitsort (Maschine, Lager usw.) abspielen lassen.

  • Wikis: Wissensdatenbanken eignen sich zum Erhalt und der Weitergabe von betriebsinternen Wissen. Zum Einsatz kommen sie etwa beim Einarbeiten neuer Mitarbeiter oder Azubis oder beim Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern.
  • Communities: Fördern den Austausch zwischen Lernenden oder den Mitarbeitern generell. In Gruppenchats lassen sich Fragen schnell klären und Ideen diskutieren.
  • Podcasts: Die Audiobeiträge eignen sich besonders zum Lernen unterwegs, etwa auf der Fahrt zum Kunden. Sie lassen sich aber auch in anderen Lernsituationen einsetzen. Geeignet sind alle Inhalte, die übers Wort gut erklärt werden können.
  • Virtuelle Klassenräume: Das Webinar verlegt die Schulung ins Netz und ist so auch von Mitarbeitern an verschiedenen Standorten nutzbar. Wer Webinare zusätzlich aufzeichnet, macht sie beliebig oft abrufbar. Beachten Sie dabei jedoch unbedingt die geltenden Datenschutzbestimmungen, insbesondere wenn Teilnehmer mit Bild und Ton aufgezeichnet werden.