Webshop oder Plattformverkäufe E-Commerce: So erkennen Sie rechtliche Fallstricke im Onlinehandel

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Handwerkerinnen und Handwerker können sich mit einem Webshop oder dem Auftritt auf einer Plattform stattliche Einkünfte sichern. Allerdings bedarf es eines scharfen Blicks auf juristische Details. Wer sie nicht beachtet, riskiert Kosten, die existenzgefährdend sein können.

Vera Maier, Schneiderin aus Ibach in Baden-Württemberg
Vera Maier, Schneiderin aus Ibach in Baden-Württemberg: "Ich war leichte Beute für Leute, die aus den Formfehlern blauäugiger Unternehmer Profit schlagen." - © Wolfgang Armbruster/Blendwerk Freiburg

Vera Maier betreibt ihre „Klamottenwerkstatt“ seit 20 Jahren in Ibach in der Nähe von Sankt Blasien in Baden-Württemberg. Die Schneiderin übernimmt Näharbeiten nach vorheriger Terminabsprache für Kunden vor Ort, ihr Schwerpunkt liegt jedoch auf hochwertigen Arbeiten aus schönen Stoffen für anspruchsvolle Kundinnen. „Früher war ich viel auf Handwerkermärkten unterwegs, inzwischen zeige ich meine Entwürfe lieber ausgewählten Kundinnen an einem Abend, zu dem ich einlade“, erklärt sie ihre Verkaufsstrategie. Ihre Kleidungsstücke sind nichts für den schnellen Konsum: „Ich wünsche mir, dass meine Arbeiten möglichst lange genutzt werden und dass meine Kundinnen Freude daran haben.“

Seit 2015 bietet sie ihre fein genähten, nachhaltigen Stücke auch über das Internet an. „Zunächst startete ich auf DaWanda.“ Doch als die Plattform 2018 schließen musste, überführte sie ihren Shop – wie viele andere – zum US-amerikanischen Anbieter Etsy. „Das läuft seither alles reibungslos“, freut sie sich. Inzwischen bezieht sie zwei Drittel ihres Umsatzes aus diesem Geschäft. „Kundinnen geben ihre Größe an, ich fertige das Kleid dann individuell an.“

Bußgeld für juristische Formfehler

Gleich zu Beginn ihrer Plattformaktivitäten hat sie schlechte Erfahrungen machen müssen. Sie wurde vom IDO Verband zu einer Zahlung verpflichtet, weil sie juristische Formfehler begangen hatte: „Die Telefonnummer stand nicht direkt bei der Widerrufsbelehrung, was mir ein ziemlich aggressiv formuliertes Schreiben des Verbands bescherte“, erzählt sie. Sie musste 230 Euro bezahlen und eine Unterlassungserklärung unterzeichnen. Im Wiederholungsfall würde eine hohe Vertragsstrafe fällig werden. „Ich war leichte Beute für Leute, die aus den Formfehlern blauäugiger Unternehmer Profit schlagen“, meint Vera Maier dazu heute.

Lothar Hempel, Rechtsberater der Handwerkskammer Konstanz, kennt die Machenschaften des abmahnenden Verbands zur Genüge: „Schwerpunkte waren fehlende Angaben zur Online-Streitbeilegung oder zu Versandkosten, Verletzung der Preisangabenverordnung oder fehlerhafte AGB.“ Sogar kleine Ungereimtheiten seien gerügt worden, erinnert sich der HWK-Jurist, um abzukassieren. Damit sei seit geraumer Zeit Schluss, der Gesetzgeber habe interveniert. Rechtsanwalt Sebastian Schulz von der IT-Rechtskanzlei Härting in Berlin erläutert: „Gegen das Instrument der Abmahnung ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Hierdurch können Konflikte regelmäßig schnell, unbürokratisch und zumeist auch kostengünstig beigelegt werden. Wenn Abmahnungen und Vertragsstrafen jedoch allein der Bereicherung dienen, ist das schäbig. Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle zu Recht neue Hürden eingezogen.“ Das Bundesministerium für Justiz führt inzwischen ein Verzeichnis von Verbänden und Institutionen, die derzeit Abmahnungen aussprechen dürfen, um Wettbewerbsverzerrungen aufzu­decken. Der IDO Verband steht nicht auf dieser Liste.

Nach wie vor tummelten sich jedoch Akteure im Netz, die mit Abmahnungen gezielt das schnelle Geld machen wollen. „Beliebte Themen sind etwa Verstöße gegen Kennzeichnungspflichten, unzulässige AGB-Klauseln, fehlerhafte Werbung und zunehmend auch datenschutzrechtliche Versäumnisse“, berichtet IT-Anwalt Schulz aus der Praxis. Hempel fügt weitere hinzu (siehe Checkliste unten): „Das Impressum kann Anlass bieten, die Verwendung von Fotos ohne Lizenzvertrag oder der nicht vorhandene Button für die Widerrufsbelehrung.“

Checkliste: Auf der Hut vor möglichen Abmahnungen

Chefs sollten die gesetzlich vorgegebenen Informationen auf eigenen Seiten des Internetauftritts einbinden, sodass sie über Verlinkungen von allen Unterseiten aus ansteuerbar sind. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nicht Pflicht, stärken aber Ihre Rechtsposition als Verkäufer. Andernfalls greift bei Auseinandersetzungen das BGB. Diese Elemente muss der Webshop enthalten:

  1. Impressum: Bei Einzelunternehmern: Angabe von Name und Vorname, Anschrift; bei juristischen Personen und Personen­gesellschaften (e.K.,OHG, KG sowie Kapitalgesellschaften wie GmbH und AG): die Rechtsform und Name des Vertretungsberechtigten. Firmenname, Kontaktinformation mit E-Mail und Telefon (bei mehreren Niederlassungen jeweils die der Hauptniederlassung). Eventuell sind weitere Angaben erforderlich bei reglementierten Berufen (etwa Gesundheitshandwerke), bei Registereintragungen und bei Vorliegen einer Umsatzsteueridentifikationsnummer.
  2. Widerrufsbelehrung und -formular: Die Widerrufsbelehrung muss verständlich formuliert sein, der Link, der dort hinführt, prominent zu sehen sein. Achtung: Die Widerrufsfrist nach den neuen Formularen beträgt 14 Tage. Für den Verkauf von Waren über das Internet gelten andere gesetzliche Regelungen für das Widerrufsrecht der Verbraucher als für die Erbringung von Dienstleistungen bei einem Vertragsschluss beim Kunden. Verbraucher müssen ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht informiert werden. Es empfiehlt sich, sich an den gesetzlich vorgesehenen Mustern für Widerrufsbelehrung und Widerrufsformular zu orientieren. Die Angabe der Telefonnummer und der E-Mail-Adresse ist in der Widerrufsbelehrung zwingend erforderlich.
  3. Hinweis zur Online-Streitbeilegung: Die Hinweispflicht gilt für alle Unternehmer mit Sitz in der EU, die im B2C-Geschäft online Kaufverträge oder Dienstleistungsverträge schließen. Dies gilt auch für Vertriebsplattformen wie Ebay, Amazon, Etsy (nach EU-Verordnung Nr. 524/2013, Artikel 14, Absatz I). Setzen Sie einen Link auf die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung der Europäischen Kommission: ec.europa.eu/consumers/odr Idealerweise erfolgt die Einbindung in das Impressum, unterhalb der E-Mail-Adresse. Darüber hinaus weisen Sie als Unternehmer mit mehr als zehn Mitarbeitern auf die Möglichkeit der freiwilligen Streitschlichtung hin: verbraucher-schlichter.de
  4. Korrekte Preisangaben: Preise müssen einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile angegeben werden (Bruttopreise), ebenso der Preis je Mengeneinheit, wenn Ware nach Gewicht, Volumen, Länge, Fläche angeboten wird. Bei Fernabsatzverträgen sind Fracht-, Liefer- oder Versandkosten oder sonstige Kosten (Nebenkosten) zu nennen. Versandkosten müssen aufscheinen, bevor die Waren in den Warenkorb gelegt werden. Preisreduzierungen müssen transparent sein.
  5. Datenschutzerklärung: Sie muss unmittelbar auf der Homepage abrufbar sein und darüber Auskunft geben, welche personenbezogenen Daten der Webshop-Anbieter erhebt, speichert und verarbeitet. Auch enthält sie Angaben zu den Verantwortlichen und dem Datenschutzbeauftragten (sofern das Unternehmen verpflichtet ist, einen zu benennen, oder freiwillig einen benannt hat), zur Verwendung von Cookies, Tracking-Tools oder Social Media Plugins. Werden Trackingtools eingesetzt, muss der User über ein Consent-Tool in die Datenverarbeitung einwilligen können. Daneben sind die User über ihre Rechte zu informieren.
  6. Lizenznachweise: Vermeiden Sie es, Bilder, Karten für Anfahrtsskizzen oder AGB von anderen Homepages ungefragt zu übernehmen. Das Urheberrecht beinhaltet auch das ausschließliche Recht, die von fremder Hand angefertigten Fotos, Karten und Texte zu veröffentlichen. Lizenzen gibt es nur gegen Entgelt und entsprechende Kennzeichnung.

Kündigung, Kündigungsgrund, Zeitpunkt, ab wann die Kündigung gelten soll, auf welchen Vertrag sich die Kündigung bezieht, wohin die Kündigungsbestätigung übermittelt werden soll. Die Bestätigungsseite muss ebenfalls einen Button „Jetzt kündigen“ enthalten. Die Kündigungserklärung des Users muss als PDF-Datei speicherbar sein. Findet der User keine Kündigungsschaltfläche vor, kann er jederzeit und mit sofortiger Wirkung kündigen.

Fahrlässigkeit kann teuer werden

Als Beispiel für die Verletzung von Urheberrechten nennt der HWK-Jurist die Nutzung fremder Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB). Er erinnert sich an einen Unternehmer, der sich die AGB beim Wettbewerber kopiert hatte. Es kam zu einer Forderung von 2.000 Euro. Hempel: „Auch bei vermeintlicher ‚Freeware‘ sollten Chefs genau hinsehen, ob die definierten Nutzungsbedingungen für eine kostenlose Einbindung auf der Website tatsächlich auf ihren Betrieb zutreffen.“ Rechtsanwalt Schulz ergänzt: „Es ist im Sinne des Wettbewerbs, wenn selbst gestaltete Testsiegel, verschleierte Testergebnisse oder fehlende Bezüge zu den Rahmenbedingungen von Tests angegriffen werden.“ Ebenso dürfe man nicht erstaunt sein, wenn man wegen gekaufter Kundenbewertungen in die Bredouille gerate. Hempel appelliert an Handwerkschefs: „Finger weg von gekauften Likes!“

Ärgernis Google Fonts

Im vergangenen Jahr waren Abmahnungen wegen Datenschutz-Verstößen im Zusammenhang mit Google Fonts in den Schlagzeilen. Google Fonts ist ein Verzeichnis von Schriftarten, die Unternehmer etwa über WordPress in ihre Internet-Auftritte und Shops einbinden, und über die Google Zugriff auf IP-Adressen von Usern erhält. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aber untersagt den unregulierten Datentransfer in die USA, weil personenbezogene Daten dort nicht in dem Maß geschützt werden wie in Europa. Sogenannte Webcrawler durchkämmten daraufhin das Internet systematisch nach Verstößen und spülten findigen Anwälten ahnungslose Unternehmer in die Netze. Abmahnungen und Schadenersatzforderungen waren die Folge. Hempel: „Der Rechtsstaat ist auch hier dabei, diesen gewerbsmäßigen Betrug zu unterbinden.“ Handwerker, die Post bekommen, sollten den Sachverhalt erst einmal prüfen lassen. Denn das Persönlichkeitsrecht eines Webcrawlers könne nicht verletzt werden, da es sich um ein Computerprogramm handele. Entsprechende Schadenersatzforderungen wertet etwa die Staatsanwaltschaft Berlin als Betrug und Erpressung. Auch hat etwa das Amtsgericht Ludwigsburg Massenabmahnungen wegen Google Fonts als rechtsmissbräuchlichen Massenversand verurteilt (Urteil vom 28.02.2023, Aktenzeichen 8 C 1361/22).

Know-how: Wer darf abmahnen und mit welchen Folgen

Chefs sollten im Auge haben, dass sie bei Fehlern abgemahnt werden können. Das ist nicht nur lästig, weil es bürokratischen Aufwand verursacht, es kann unter Umständen richtig teuer werden.

Wer darf abmahnen?

  • Mitbewerber
  • Verbraucherzentralen
  • Vereine zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs
  • Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern
  • Markeninhaber und Urheber

Folgen eines Verstoßes:

  • kostenpflichtige Abmahnung
  • sofortige Unterlassung und Beseitigung des Verstoßes
  • Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung (Vertragsstrafeversprechen)
  • Fälligkeit der Vertragsstrafe im Wiederholungsfall
  • Entgangene Lizenzgebühren bzw. Schadensersatz bei Marken- und Urheberrechtsverstößen
  • Gerichtliche Klärung am Landgericht bzw. der Kammer für Handelssachen am Landgericht, gegebenenfalls einstweilige Verfügung

Datenschutz im Webshop

Was ist im Webshop datenschutzrechtlich zu beachten? Lena Ludwig, Datenschutz-Expertin bei der PSW-Group in Fulda sagt: „Datenschutzerklärungen sollten möglichst in einfacher Sprache formuliert werden und transparent darlegen, wie mit den Daten umgegangen wird.“ Und: „Google Fonts, jene Schriften, die zu Abmahnungen führten, binden Chefs besser lokal ein, statt den Google-Zugriff zu ermöglichen“, sagt sie. Auch solle man überlegen, ob und welche Tracking-Tools zum Einsatz kommen. IT-Anwalt Schulz weist darauf hin, dass auch Verbraucher inzwischen das scharfe Schwert des Datenschutzes für sich entdeckt hätten. „Berechtigten Anliegen sollten Unternehmen umfassend nachkommen. Wenn aber – wie aktuell erneut – Betroffenenrechten missbraucht werden, um Abmahnungen oder Schadenersatzforderungen vorzubereiten, sollte man den Konflikt mit der Gegen­seite nicht scheuen.“

Chefs mit Webshop-Aktivitäten nehmen dennoch gewisse Unsicherheiten in Kauf. Eben noch geltende Rechtsauffassungen sind rasch überholt. Wer aber mehreren Anwälten mit Spezialgebiet E-Commerce auf Social Media folgt, sich Newsletter zum Thema abonniert, bleibt auf dem aktuellen Stand. Schneiderin Vera Maier hat ein Abo bei einer IT-Kanzlei abgeschlossen, die ihr durchgibt, wenn sie an ihrem Shop Änderungen durchführen muss.

Maier übrigens entschied sich aus guten Gründen gegen den eigenen Webshop und gab der Plattform den Vorzug: „Der Aufwand ist enorm, um eine Bestellstruktur aufzusetzen. Zudem müssen Sie mit Ihrem Auftritt ja auch sichtbar werden“, erklärt sie ihre Entscheidung. Webshops böten Bäckern und Metzgern, Friseuren für den Produktverkauf und Schneidern durchaus gute Absatzmärkte, ist Hempel überzeugt. Er ergänzt: „Wenn Chefs sich für einen eigenen Shop entscheiden, sollten sie Energie und Geld in die Hand nehmen.“ Datenschutz-Expertin Ludwig ermutigt Unternehmer: „Wenn der Aufbau rechtssicher steht, ist der Wartungsaufwand gar nicht so hoch.“ Noch ein Aspekt spricht für den eigenen Auftritt: Fällt der Shop auf der Plattform wegen Rechtsstreitigkeiten über mehrere Wochen aus, bleiben zumindest die Einnahmen aus dem eigenen Webgeschäft.“