Chefin und Mutter Selbstständige Handwerkerinnen: "Darum mache ich mich für Mutterschutz und faire Bedingungen stark"

Zugehörige Themenseiten:
Elternzeit, Entscheidungsfindung, Frauen im Handwerk, New Work und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Meisterinnen im Handwerk müssen sich häufig entscheiden: Wollen sie als Chefin ihren eigenen Betrieb führen oder ein Baby bekommen und Mutter sein. Vier Handwerkerinnen erzählen von ihrem Balanceakt, ihre Arbeit zu erledigen und gleichzeitig für ihre Familie da sein zu können. Eine solide Selbstorganisation hilft dabei schon viel, doch lassen die gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch zu wünschen übrig.

Vier Frauen, vier unterschiedliche Positionen.
Vier Handwerkerinnen erzählen von ihren Herausforderungen, Arbeit und Alltag unter einen Hut zu bekommen. - © Wegner; Nieth; Zapatka; Henke

Am 28. Februar sperrte Maxime Krämer zum letzten Mal ihre Werkstatt in Heidelberg auf. Ein schwarzer Tag für die Schreinermeisterin. „Ich habe keine andere Wahl, als meinen Betrieb zu schließen“, bedauert die 31-Jährige. Vor zwei Jahren erwartete sie ihr erstes Kind und arbeitete während der gesamten 40 Schwangerschafts­wochen nonstop, um mit ihrer Firma MK Möbel nicht pleitezugehen. Für ihre nächste Schwangerschaft wünscht sie sich bessere Umstände. Als sie darüber auf einem Podium während der Internationalen Handwerksmesse 2023 in München spricht, ist spürbar, wie hart sie die Entscheidung trifft.

Maxime Krämer: "Ich habe keine andere Wahl, als meinen Betrieb zu schließen."

Den Traumberuf opfern oder auf Kinder verzichten? Wie Maxime Krämer zermartern sich viele selbstständige Frauen im Handwerk darüber den Kopf. Im Gegensatz zu Schwangeren im Angestelltenverhältnis besteht für Selbstständige keine Regelung. Für sie gibt es kein gesetzliches Beschäftigungsverbot von mindestens 14 Wochen, das sie und ihr Baby schützt. Angestellte haben es da besser: Für sie beginnt die bezahlte Auszeit laut Mutterschutzgesetz (MuSchG) in der Regel sechs Wochen vor der Entbindung und endet acht Wochen danach. Dabei bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen bis zu 13 Euro pro Tag, und der Arbeit­geber stockt die Zahlung zum bisherigen Nettogehalt auf.

Maxime Krämer, ehemalige Inhaberin von MK Möbel in Heidelberg, wünscht sich ein zweites Kind.
Tischlermeisterin Maxime Krämer musste ihren Betrieb MK Möbel in Heidelberg schließen. - © Tim Wegner

Keine Sicherheit für Selbstständige

Werdende Mütter im Handwerk, die im Handwerksbetrieb viel mit Staub, Lärm, Erschütterungen oder auch mit Strahlen, Gasen, Dämpfen und hohen Temperaturen zu tun haben, müssen sogar schon ab Tag eins der Schwangerschaft von diesen gesundheitsschädigenden Tätigkeiten entbunden sein. Schweres Tragen von mehr als fünf Kilogramm ist auch tabu. Vorausgesetzt, sie sind angestellt. Für Selbstständige wie Maxime Krämer greifen solche sozialen Gesetze nicht.

Als die Handwerkschefin vor sieben Jahren MK Möbel gründete, dachte sie noch nicht daran, was bei einer Schwangerschaft auf sie zukommen könnte. Vier Jahre später war es so weit: Mit ihrem Partner erwartete sie ihr erstes Kind. In die große Freude mischten sich nach und nach Ängste. „Es war sehr schwer, an Informationen zu kommen, was ich als Betriebschefin tun kann, um meine Schwangerschaft abzusichern“, schildert Krämer.

Für die Betriebsinhaberin begann eine emotionale und finanzielle Zerreißprobe. Ihr erspartes Geld brauchte sie während der Schwangerschaft und in den Wochen danach komplett auf. Ihr einziger Angestellter nahm ihr die körperlich schwereren Aufgaben ab, doch stand sie selbst jeden Tag der Woche hochschwanger in ihrer Werkstatt. Vor dem Staub schützte sie sich mit einer FFP2-Maske. Kurz vor der Entbindung montierte sie sogar noch einen Waschtischunterschrank. Als das Baby im Juli 2021 zur Welt kam, schloss Krämer ihren Betrieb für drei Monate. „Ich wollte mein Baby kennenlernen und stillen“, sagt sie.

Suche nach einem Ansprechpartner

Krämers Tochter, die bald ihren zweijährigen Geburtstag feiert, ist ein knappes Jahr älter als die Tochter von Johanna Röh. Die beiden Möbelmacherinnen lernten sich über einen Instagram-Post kennen, in dem Röh die Schwierigkeiten während ihrer eigenen Schwangerschaft schilderte. „Wie stellst du dein Einkommen sicher? Bekommst du Krankentagegeld? Mutterschaftsgeld? Kredit aufnehmen? Vorher Rücklagen gebildet haben? Was ist mit den Fixkosten des Betriebes? Soll dein Partner dich gefälligst mit durchfüttern? Ist das realistisch möglich? Oder schlicht dein privates und kein gesellschaftliches Problem?“, fragte Röh ihre Instagram-­Follower im November 2021. „Wer ist deine Lobby? Was sagen die Krankenkassen, die BG, die Handwerkskammern, der ZDH, die Gesetzgeber, die Banken?“

Fragen über Fragen. Krämer hat sich dieselben einige Monate zuvor gestellt. Egal, wo sie anrief – die Antwort lautete immer, dass sie ein Einzelfall sei und man ihr nicht helfen könne. „Kaum zu glauben, dass ich die einzige schwangere selbst­ständige Schreinerin im ganzen Land sein sollte“, antwortete sie Röh auf Instagram.

Petition trifft ins Schwarze

Die beiden Frauen wurden aktiv. Im Mai 2022 reichten sie im Bundestag eine Petition ein. Selbstständige sollen den gleichen gesetzlichen Mutterschutz wie Angestellte erhalten. Ihr Anliegen spricht viele an: „Innerhalb von vier Wochen und einem Tag konnten wir 50.000 Unterstützerinnen und Unterstützer für unsere Petition finden“, freut sich Röh. Um die Reform voranzubringen, ermuntert sie Frauen in ihrer Branche unter dem Motto #meinewerkstattbleibt, ihre Geschichten erzählen.

Maxime Krämers Werkstatt bleibt nicht – für sie kommt der Kampf um finanzielle Sicherheit zu spät. „Meine erste Schwangerschaft verlief zum Glück unkompliziert“, sagt sie. Was, wenn es beim zweiten Mal nicht so wäre? Das Risiko will die junge Handwerkschefin nicht erneut eingehen. Weiter arbeiten will sie trotzdemals Angestellte. Die Kreissäge und die Hobelmaschine aus ihrer Werkstatt hat sie behalten. „Vielleicht gibt es für mich irgendwann einen Weg zurück in meinen eigenen Betrieb.“

Petition: Mutterschutz für alle

Im Mai 2022 reichte Tischlermeisterin Johanna Röh* eine Petition im Bundestag ein, über die derzeit entschieden wird. In einem Instagram-Post listet sie ihre Forderungen auf.

  • Voll bezahlten Mutterschutz (jetzt gibts maximal 13 Euro/Tag – ein Witz)
  • Bei Arbeitsplatzbeschreibungen der Selbstständigen, die unter das Beschäftigungsverbot für Angestellte fallen, eine entsprechende Ausgleichszahlung auch an schwangere Selbstständige.
  • Im Falle einer Krankschreibung aufgrund von Schwangerschaftsbeschwerden die Zahlung von Krankentagegeld ab Tag eins der Krankschreibung.
  • Einrichten von Notfalltöpfen, um die Betriebe selbstständiger Schwangerer vor Insolvenz zu schützen und ein finanzielles Auskommen der Schwangeren zu gewährleisten und eine Insolvenz zu verhindern.
  • Einrichtung eines Systems aus Betriebshelfern nach Vorbild der Landwirtschaft, um Betrieben, denen die Arbeitskraft der schwangeren Unternehmerin fehlt, unbürokratisch und vor allem kostenfrei zu helfen.
  • Reform des Elterngeldes, die die Situation von selbstständigen Müttern gesondert bewertet. Vorherige schwangerschaftsbedingte finanzielle Einbußen müssen abzugsfrei hinzuverdient werden können.

Myriam Baumgart: "Selbstständig zu arbeiten ist für mich viel besser."

Myriam Baumgart
Myriam Baumgart, Inhaberin von KzfWerk-Baumgart in Rüthen, ist allein­erziehende Mutter zweier Söhne. - © Jens Nieth

Für Myriam Baumgart war der Sprung in die Selbstständigkeit ein purer Glücksfall. Als die 40-jährige alleinerziehende Mutter im Frühjahr 2022 ihre Meisterprüfung als Kraftfahrzeugtechnikerin abgelegt hat, ging alles Schlag auf Schlag. In ihrem Nachbarort Rüthen in Nordrhein-Westfalen entdeckte sie ein Firmengebäude und pachtete es gemeinsam mit der ansässigen Kfz-Prüfstelle. Wenig später eröffnete sie ihren eigenen Betrieb, das KfzWerk-Baumgart.

Seitdem läuft es für die Gründerin wie am Schnürchen. Ihre beiden Söhne, neun und 13 Jahre alt, besuchen eine Schule mit Nachmittagsbetreuung. Ihr Team aus zwei Angestellten und zwei Mini-Jobbern kümmert sich um die anfallenden Arbeiten in der Werkstatt. Obendrein hat Myriam Baumgart eine Unterstützung, die in vielen Handwerksbetrieben üblich, aber längst nicht selbstverständlich ist: die Groß­mutter. „Wenn ich länger arbeite, springt meine Mutter ein und kümmert sich um die Kinder“, freut sich Baumgart. Wenn die Oma nicht kann, guckt niemand die Chefin schief an, wenn sie sich ins Homeoffice zurückzieht. „Meine Arbeit besteht vor allem aus Büroarbeit, die lässt sich von überall aus erledigen“, erklärt sie.

Arbeiten von überall aus

Als Angestellte in einer Kfz-Werkstatt hatte sie vor ihrer Betriebsgründung dagegen weniger Freiraum. „Um mich um meine Söhne zu kümmern, musste ich auf das Verständnis meines Arbeitgebers hoffen“, erinnert sich Baumgart an ihre damalige berufliche Abhängigkeit. Das gab es nicht immer: Weil sie wegen der Kinder häufig nicht flexibel genug war, wurde sie eines Tages sogar gekündigt. Baumgart sah es als Chance – und machte ihren Meister.

Myriam Baumgart weiß, dass sie mit der Nachmittagsbetreuung der Kinder und ihrer Mutter als Stütze ideale Rahmenbedingungen für ihre Selbstständigkeit genießt. Sie ist aber auch davon überzeugt, dass sich immer ein Weg findet, wenn man etwas wirklich will. Selbst wenn sie ihre Kinder erst jetzt während ihrer Betriebsgründung bekommen hätte, glaubt sie. „Ich bin täglich rund eine Stunde in der Werkstatt, danach schreibe ich Rechnungen und bestelle Material, was ich auch im Homeoffice machen kann.“ ­Kurzum: Schwere und für werdende Mütter gefährliche Arbeiten fielen für Baumgart im Fall einer Schwangerschaft gar nicht an.

Weniger Frauen gründen

Viele Dinge sind eine Frage der Organisation. Zu diesem Schluss kommt auch Professorin Birgit Ester. Beim Institut für Betriebsführung (itb) im DHI geht sie als Institutsleiterin den Ursachen auf den Grund, warum sich deutschlandweit vergleichsweise wenig Chefinnen im Handwerk finden. Laut Zahlen des Zentralverbands Deutsches Handwerk (ZDH) sind zwar über 75 Prozent der Handwerksbetriebe Familienbetriebe, die von einem Paar gemeinsam geleitet werden. Doch geht gerade einmal jede vierte Gründung im Handwerk auf eine Frau allein zurück, und jeder fünfte Handwerksbetrieb hat eine Chefin (s. Grafik unten).

Dieses Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Chefs führt Ester auf die klassische Frauenrolle zurück. „Frauen tragen häufig die Verantwortung für die Familie“, erklärt sie. Daher würden sie es als riskant empfinden, daneben noch eine Firma zu leiten – insbesondere dann, wenn sie noch ein Kind bekommen möchten. Damit sich Frauen als Chefin sicher fühlen können, sieht die Wissenschaftlerin im Mutterschutz allerdings nur einen Baustein. „Wer einen Betrieb managt, hält sich ja nicht für einen längeren Zeitraum aus allem heraus, sondern möchte nach dem Rechten sehen, insbesondere dann, wenn der Betrieb noch im Aufbau ist“, begründet sie.

Delegieren als Lösungsweg

Als zwei mögliche Lösungswege schlägt sie den Handwerkschefinnen vor, sich mit anderen Frauen in der gleichen Branche zusammenzutun und gemeinsam zu gründen. Oder aber sich mit einem breiten Netzwerk für Notfälle zu wappnen. Brenzlige Situationen können ja schließlich auch auftreten, wenn die Unternehmerin erkrankt, meint Ester: „Dann ist es gut, wenn eine Vertretung im Betrieb ist, die alles am Laufen hält.“

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist es, delegieren zu können – so wie es Myriam Baumgart macht. Für die Kfz-Meisterin steht ein Jahr, nachdem sie ihren Betrieb gegründet hat, fest: „Selbstständig zu arbeiten ist für mich viel besser als angestellt zu sein.“

Betriebe mit weiblichen Chefs nach Gewerbegruppen

Friseursalons und Kosmetikstudios werden als typische Dienstleistungsberufe im Handwerk oft von Frauen geführt. Weniger Unternehmerinnen gibt es dagegen in den Bau- und Ausbau-Gewerken sowie im Kfz-Gewerbe.

Quelle: Zentralverband Deutsches Handwerk (ZDH), 2021 - © Quelle: Zentralverband Deutsches Handwerk (ZDH), 2021

Lena Kirstein: "Ich überlege, wie ich Beruf und Kinder später vereinen kann."

Lena Kirstein, designierte Nachfolgerin der Landbäckerei Kirstein in Kloster Lehnin.
Lena Kirstein, designierte Nachfolgerin der Landbäckerei Kirstein in Kloster Lehnin. - © Fabian Zapatka

Arbeitspläne erstellen und Angestellte betreuen – an manchen Tagen ist Lena Kirstein mit solchen Aufgaben vollauf beschäftigt. Die Bäckermeister-Tochter muss für die knapp 70 Mitarbeiter Urlaubszeiten einplanen, für kranke Arbeitskräfte Ersatz besorgen. Daneben arbeitet sie in der Backstube und sorgt dafür, dass es in allen sieben Filialen der Bäckerei genug Ware gibt. Das erfordert volle Konzentration. „Wenn ich dann zwischen drei Telefonaten noch Arzttermine wahrnehmen müsste, wäre das ganz schön eng.“

Die Zukunft der 22-Jährigen könnte durchaus so anstrengend aussehen. Zum einen will sie in einigen Jahren den Familienbetrieb, die Landbäckerei Kirstein im brandenburgischen Kloster Lehnin, übernehmen. So wie ihr Vater, der jetzt 58 ist, damals ihren Großvater abgelöst hatte. Zum anderen wünscht sie sich später eigene Kinder. Das könnte ihrer geplanten Betriebsnachfolge einen Strich durch die Rechnung machen – oder sie zumindest ziemlich erschweren.

Schwangerschaft ist oft ungeplant

Als designierte Bäckereichefin will Lena Kirstein im Sommer mit der Meisterausbildung beginnen. „Ich finde es sinnvoll, jetzt schon darüber nachzudenken, wie ich später Beruf und Kinder vereinen kann“, erklärt sie. Deswegen unterstützt sie die Petition „Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere“, die Tischlermeisterin Johanna Röh im Mai vergangenen Jahres eingereicht hat, mit ihrer Unterschrift. „Ich unterschreibe, weil ich vorhabe, die Bäckerei meines Vaters zu übernehmen“, fügte sie in der Unterschriftensammlung als Erklärung hinzu. „So eine Schwangerschaft kann man meistens schlecht planen und sollte es hart auf hart kommen und ich habe in den nächsten zehn Jahren keinen passenden Partner für Kinder, dann werde ich eventuell meine Kinder als Selbstständige bekommen.“

Die künftige Betriebsnachfolgerin glaubt, dass ihr eine Hilfskraft im Büro oder eine Haushaltshilfe den Spagat ermöglichen könnte, auch als Mutter den Betrieb zu leiten. So lange zumindest, wie es auch angestellten Müttern gesetzlich gestattet ist, eine Auszeit zu nehmen, um für ihr Baby da zu sein, sagt Kirstein: „Ich will mir nicht ständig Sorgen um die Existenz der Bäckerei machen müssen.“

Keine Versicherung greift ein

Tatjana Lanvermann kann die Gedanken der angehenden Bäckereichefin gut nachvollziehen. Die Bundesvorsitzende der ­UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) engagiert sich ebenfalls dafür, dass Frauen im Handwerk faire Bedingungen vorfinden. „Insbesondere dann, wenn die Schwangerschaft problematisch verläuft, benötigen Mütter eine finanzielle Absicherung“, erläutert die UFH-Vorsitzende, die neben ihrem Ehrenamt den SHK-Betrieb Ludwig Lanvermann im nordrhein-westfälischen Borken-Marbeck gemeinsam mit ihrem Mann führt. „Aber auch dann, wenn sie mit gesundheitsgefährdenden Stoffen arbeiten, müssen schwangere selbstständige Frauen die Arbeit niederlegen können.“ Bisher gibt es hierzulande allerdings keine Sozialversicherung, die Handwerkerinnen in der Lebensphase, in der sie sich maximal schonen sollten, unter die Arme greift. Schwangerschaft sei schließlich keine Krankheit, habe ihr eine Versicherung geantwortet, als sich die UFH-Vorsitzende nach Lösungen erkundigte. Was also nun?

Landwirtschaft liefert ein Vorbild

Als Lösung schwebt Lanvermann ein Modell vor, in das gesamtgesellschaftlich oder nach Branche einbezahlt wird, um die Zeit des Mutterwerdens für selbstständig Tätige abzusichern. „So gibt es das bereits in der Landwirtschaft, wo Frauen über ihre Sozialversicherung während der Zeit des Mutterschutzes bei Bedarf eine Haushalts- oder Betriebshilfe erhalten.“ Ein weiterer Bestandteil, um arbeitenden Müttern die Existenz zu sichern, ist das Elterngeld. Bei Selbstständigen richtet sich die Höhe der Zahlungen nach dem letzten Kalenderjahr vor der Geburt. Was ist aber, wenn die Schwangerschaft kompliziert verläuft und es im Berechnungszeitraum zu Ausfällen der Mutter kommt? Gerade für Neugründerinnen ist das ein Problem.

Die UFH-Vorsitzende freut sich, dass derzeit viele Initiativen entstehen, um Frauen im Handwerk zu stärken, wie im vergangenen Februar der Frauenbeirat der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. „Über solche Aktivitäten erhalten Frauen und ihre Belange mehr Sichtbarkeit“, ist sich Lanvermann sicher. Missstände sichtbar zu machen ist der erste Schritt, sie zu beheben. Wenn Lena Kirstein voraussichtlich im Jahr 2026 ihren Meisterabschluss im Bäckerhandwerk in den Händen hält, um einige Jahre später wie geplant den Betrieb ihres Vaters zu übernehmen, könnte sich schon einiges geändert haben.

Maria Koblhirt: "Frauen können manchmal nur eingeschränkte Visionen haben."

Maria Koblhirt, Inhaberin von Koblhirt-Handwerk in Wien, stellt ihren Kinderwunsch hintenan.
Maria Koblhirt, Inhaberin von Koblhirt-Handwerk in Wien, stellte ihren Kinderwunsch hintenan. - © Heidrun Henke

Maria Koblhirt hat ihre Leidenschaft zum Gestalten früh entdeckt. Mit 16 Jahren begann sie eine Lehre als Tapeziererin, Polsterin und Dekorateurin, später eröffnete sie den Ein-Personen-Betrieb Koblhirt-Handwerk in Wien. „Wenn ich kreativ und sehr konzentriert bin, komme ich oft in einen Flow, in eine Art schöpferische Meditation“, schwärmt die Österreicherin über ihren Beruf. Kinder hat die 39-Jährige nicht.

Die Stolpersteine liegen für Koblhirt nicht im finanziellen Kraftakt. In Österreich gibt es als Mutterschaftsleistung eine Betriebshilfe und zuweilen sogar Wochengeld. Diese Unterstützung geht nicht auf Mutterschutz für Selbstständige zurück, den gibt es auch im Nachbarland nicht. Stattdessen greift der Versicherungsfall für Mutterschutz, der im Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) verankert ist. Dass diese Regelung für Deutschland als Vorbild dienen könnte, darauf verweist auch die Petition „Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere“ von Tischlermeisterin Johanna Röh. Für Handwerkerin Koblhirt ist die Regelung während der Wochen vor und nach der Schwangerschaft allerdings nebensächlich. Ihre Gedanken kreisen um die Lebensphase, die sich dann anschließt: Wie geht es nach dem Wochenbett weiter?

Raus aus alten Rollenmustern

Wenn die Betriebsinhaberin abends nach Hause kommt, fühlt sie sich erschöpft. Wie anstrengend wäre es, sich dann noch um Familie und Haushalt zu kümmern. Denn so sieht es die Gesellschaft zumeist vor: „Wenn ein Mann nach Hause kommt, hat seine Frau in der klassischen Rollenverteilung eingekauft, gekocht und geputzt“, beschreibt Professorin Birgit Ester, Institutsleiterin beim Institut für Betriebsführung (itb) im DHI, die Herausforderungen für Gründerinnen im Handwerk. Dass Männer zu Hause bleiben oder in Teilzeit arbeiten, um sich um den Haushalt und die Familie zu kümmern, sei dagegen die Ausnahme. Genauso, wenn die Kinder krank sind: „In der Regel übernehmen die Mütter die ­Kinderkrankentage – nicht die Väter“, sagt die itb-Leiterin. Um ausgewogene Arbeits- und Familienmodelle zu leben, müsse sich im Denken von beiden, Frauen und Männern, noch einiges verändern.

Bei der Erziehung fängt es an

Für Koblhirt kommt dieses traditionelle Rollenmodell nicht infrage. „Es ist schade, dass man als Frau in einigen Bereichen nur eingeschränkte Visionen haben kann“, bedauert sie. Als die Handwerkerin noch einen aktiven Kinderwunsch hatte, hielt sie nach einem Partner Ausschau, der sie in ihrem Beruf fördert. „Meine beiden Brüder teilen sich die Arbeit zu Hause mit ihren Frauen. Da hat unsere Mutter in der Erziehung vieles richtig gemacht“, findet sie.

Den Mann, der zu ihren Lebensträumen passt, hat sie nicht gefunden – den Traumberuf schon. „Jahrelang habe ich überlegt, ob ich gründen soll, bis ich es vor fünf Jahren endlich gemacht habe“, sagt Koblhirt. „Ich bin froh, dass ich mein Ziel erreicht habe.“ Alles andere kann ja noch kommen.