UFH-Bundesvorsitzende im Interview Tatjana Lanvermann zu 'Handwerk ist hier auch Frauensache': "Ein Siegel für Betriebe, die für Frauen attraktiv sein möchten"

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Fachkräftemangel und Frauen im Handwerk

Frauen sind ein bedeutender Faktor im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Seit Januar 2022 vergeben die UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) ein Siegel, das die Frauenfreundlichkeit eines Betriebes sichtbar macht. Ein Interview mit Tatjana Lanvermann, Bundesvorsitzende der UFH über Erfolge und Perspektiven des Siegels.

Tatjana Lanvermann, Bundesvorsitzende der  UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) .
Tatjana Lanvermann, Bundesvorsitzende der UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) wirbt für ein neues Bewusstsein im Handwerk. - © Christian Hüller

Das Siegel der UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) heißt „Handwerk ist hier auch Frauensache“. Die Mitglieder der UFH können sich mittels Fragebogen auf der Homepage des Verbands bewerben. Ein Gespräch mit Tatjana Lanvermann, Bundesvorsitzende der UFH, über die Entstehung, den Sinn und die Perspektiven des Siegels.

handwerk magazin: Ein Siegel für einen frauenfreundlichen Betrieb. Brauchen wir das noch im 21. Jahrhundert?

Tatjana Lanvermann: Unbedingt. Das Handwerk ist ja traditionell mit vielen Vorurteilen behaftet. Dazu gehört etwa, dass die körperliche Arbeit zu schwer für Frauen ist oder dass die Kollegen ausschließlich Männer sind, was zu einem rauen Umgangston führe, den Frauen nicht vertragen. Das sind natürlich überholte Vorstellungen. Und unser Siegel signalisiert potenziellen Mitarbeiterinnen: Hier werdet ihr gesehen und wertgeschätzt.

Die Vorurteile sind also falsch?

Die meisten, ja. Denn die körperlichen Arbeiten werden heute oftmals durch technische Hilfsmittel erleichtert. Und es gibt kleinere Liefereinheiten, die Frauen gut tragen können. Meine Erfahrung ist: Auch Männer haben erkannt, dass es gut für ihren Rücken ist, wenn sie schwere Pakete zu zweit tragen.

Und der Umgangston im Handwerk?

Im Handwerk wird oft klar und direkt kommuniziert. Damit müssen Männer und Frauen gleichermaßen klarkommen. Wer beispielsweise im Ausbauhandwerk arbeiten möchte, muss eine gewisse Robustheit mitbringen. Grundsätzlich ist aber allen Handwerkern klar, dass sie fair und anständig mit Kolleginnen umgehen müssen, wenn sie sie behalten wollen. Wird etwa eine weibliche Auszubildende verheizt, kommt so schnell niemand nach. Und da gerade jede Hand eine willkommene Hilfe ist und das Team stärkt, ist eine wertschätzende Kommunikation in vielen Betrieben ein wichtiges Thema.

Warum tun sich manche Betriebe schwer, eine Frau einzustellen?

Das ist unterschiedlich. Nehmen Sie beispielsweise einen Malerbetrieb mit vier Angestellten. Wenn zwei davon Frauen sind und diese schwanger werden, muss der Betrieb sie vom ersten Tag an freistellen – und sechs Wochen lang bezahlen. Das kann einen kleinen Betrieb in große Schwierigkeiten bringen. Andere fürchten, dass sie große Investitionen, etwa in Toiletten für Frauen, tätigen müssen. Das ist übrigens einer der hartnäckigsten Irrtümer von Unternehmern. Es gibt keine Extra-Toilettenpflicht. Wieder andere haben einfach keine Frau als Ansprechpartnerin im Betrieb und trauen sich selbst die Betreuung von weiblichen Azubis oder Mitarbeiterinnen nicht zu.

Was also zeichnet Betriebe aus, die ihr Siegel tragen?

Das Siegel ist keine Auszeichnung. Es ist ein Signal. Denn wer es trägt, der hat unseren Fragebogen ausgefüllt und so beantwortet, dass wir sagen können: Hier hat sich ein Betrieb mit dem Thema Frauen und was sie im Job benötigen befasst. Darüber hinaus steht in diesen Betrieben immer eine Frau als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Das ist wichtig, denn die Kommunikation von Frauen ist oft anders als die von Männern, und nicht jedes Thema eignet sich zum geschlechter-übergreifenden Austausch.

Müssen die Betriebe, die das Siegel haben möchten, ihre Frauenfreundlichkeit nachweisen?

Nein, das können wir ohnehin nicht kontrollieren. Die Betriebe beantworten den Fragebogen, der die Willkommenskultur für Frauen im Betrieb erfasst. Bei drei Antragstellern haben wir bisher nachfragen müssen, weil die Antworten nicht eindeutig waren. Alle anderen haben das Siegel nach der Auswertung der Fragebögen durch eine Jury direkt erhalten.

Was können die Betriebe mit dem Siegel anfangen?

Sie können es werblich nutzen. Beispielsweise als Aufkleber auf ihren Autos oder auf der Eingangstür. Sie können es auf ihrer Homepage veröffentlichen und sich so als attraktiver Arbeitgeber darstellen. Und – ganz neu – sie können eine Art Postkarte mit dem Siegel und eigenen Fotos und eigener Signatur nutzen, um sie im Geschäft oder auf Veransaltungen, Messen oder Schulbesuchen auszulegen.

Immerhin 78 Betriebe nutzen das Siegel bisher. Sind Sie zufrieden?

Es ist ein guter Anfang. Aber richtig zufrieden bin ich erst, wenn mindestens 2.000 Betriebe das Siegel tragen.

Warum ist die Resonanz zwar gut, aber noch nicht sehr gut?

Das hat wohl mehrere Gründe. Einerseits haben wir es noch nicht bekannt genug gemacht. Andererseits hat das Handwerk viel zu tun. Zwar dauert das Ausfüllen des Fragebogens kaum mehr als 15 Minuten, aber das weiß ja nicht jeder Betrieb. Diese Extraarbeiten werden gern auf ­später verschoben. Ich kenne das. Aber die Betriebe müssen sich mit der Thematik befassen, damit sie zukunftsfähig und für weibliche Mitarbeiter attraktiv werden.

Auf was darf sich eine Bewerberin freuen, wenn sie das Siegel an einem Betrieb sieht?

Sie darf darauf vertrauen, dass sich der Betrieb mit der Frage der Bedürfnisse von Frauen im Handwerk befasst hat. Sie darf davon ausgehen, dass es ein Bewusstsein und eine Bereitschaft gibt, ihre Anliegen zu berücksichtigen. Und sie hat auf jeden Fall eine weibliche Ansprechpartnerin zu ihrer Verfügung. Sie muss nicht fürchten, als Exotenfrau angesehen zu werden.

Welche Pläne haben Sie für das Siegel?

Nun, zunächst wollen wir jedes Jahr mit einem neuen Tool kommen, das den Betrieben hilft, Frauen für das Handwerk zu begeistern. Das wird vielleicht ein Imagefilm sein oder eine aufmerksamkeitsstarke Aktion.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat Sie bei der Gestaltung des Siegels unterstützt. Öffnen Sie das Siegel bald für Nicht-UFH-Mitglieder?
Siegel "Handwerk ist hier auch Frauensache"
© UFH

Kurzfristig können wir das nicht anbieten. Primär geht es darum, unsere Mitglieder zu unterstützen und ihnen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Mittelfristig können wir uns eine Öffnung vorstellen. Wie das dann genau aussehen wird, müssen wir noch mit den Verbänden und Institutionen besprechen.

Ihr Siegel in fünf Jahren – wie soll es positioniert sein?

Wir hoffen, dass fast alle Mitgliedsbetriebe das Siegel tragen werden. Die Voraussetzungen erfüllen sie ja meist. Wir können uns auch Qualifizierungsmaßnahmen und Tipps vorstellen, mit denen wir die Betriebe noch mehr bei der Zusammenarbeit mit Frauen unterstützen wollen.