Fahrbericht Opel Movano Electric: Hochleistungssportler mit guter Raumplanung und angemessener Reichweite

Zugehörige Themenseiten:
Autotest, Elektromobilität, Fuhrpark und Transporter

Unbändig stark, dicke Batterie: Der neue Opel Movano Electric ist gut gedopt mit Vitamin E, bringt Schwung in die Elektromobilität – und zeigt sich auf der ersten Ausfahrt von seiner besten Seite.

Was darf’s denn sein: klassischer Diesel oder Opel Movano Electric (rechts)? Draußen dezent überarbeitet, drinnen komplett neue E-Antriebstechnik.
Was darf’s denn sein: klassischer Diesel oder Opel Movano Electric (rechts)? Draußen dezent überarbeitet, drinnen komplett neue E-Antriebstechnik. - © Dani Heyne/Stellantis

Der erste Eindruck: Ob D oder E, da gilt es auf dem Parkplatz genau hinzuschauen. Recht harmlos sieht der Opel Movano Electric aus, auch nach der jüngsten Überarbeitung. Ein 3,5-Tonner wie viele. Vor allem aus dem Stellantis-Konzern mit drei baugleichen Geschwistern von Citroën, Fiat und Peugeot. In ihren Grundfesten mittlerweile 18 Jahre alt, jüngst erneut kräftig aufgefrischt. Der schicke Opel „Vizor“, die schwarze horizontale Blende als markentypisches Designmerkmal, ist beim Movano nur ansatzweise zu entdecken.

Egal, hier zählt der Inhalt, weniger die Verpackung. Treibt doch Stellantis den Wechsel zur Elektromobilität bei Transportern energisch an wie kaum ein anderer Autokonzern. Da kommt angesichts von Preisen – hier ab netto 55.800 Euro –, gestrichenen Förderungen und Fragen zur Stromversorgung längst nicht jeder Handwerksbetrieb mit. Doch einfach mal reinsetzen und ausprobieren, das geht immer. Und das Ergebnis ist schlicht phänomenal.

Durchtrainierter Sportler

Der Tritt aufs Fahrpedal gleicht einem Griff in die Steckdose: Dieser Transporter steht voll unter Strom und elektrisiert bis unter die Haarspitzen. Meißelt dem Fahrer ein breites Grinsen ins Gesicht. Der Movano Electric entpuppt sich als durchtrainierter Hochleistungssportler. Wäre der Begriff Sprinter nicht längst anderswo vergeben – hier schnellt er los. Legal gedopt mit Unmengen Vitamin E.

Unter der kurzen Motorhaube rackert eine E-Maschine mit einer Leistung von 200 kW/272 PS und vom Start weg 410 Nm Drehmoment. Angesichts der explosiven Beschleunigung des Movano Electric erinnern die orangen Hochvoltleitungen an ausgeprägte Muskelstränge und Sehnen. Und Beladung lässt den heißen Opel kalt. In Zahlen: Den Spurt auf 100 Sachen soll der Opel in weniger als zehn Sekunden abhandeln. Als 3,5-Tonner. Klingt angesichts der mächtigen ­Leistungsexplosion glaubhaft. Muss man sicher nicht haben. Und kann zu Problemen führen, wenn sich ein Heizer ans Steuer setzt. Denn so einer wird sich auch nicht von der Auswahl aus den drei Fahrprogrammen Normal, Eco und Power ­beeindrucken lassen. Sondern davon, dass bei der Hatz mit dem Movano Electric der Rücken in die Lehne gedrückt und die Mundwinkel nach hinten ge­zogen werden. Bei 130 km/h ist dann Schluss, das passt.

Lässiger Segler

Und nun bitte alles auf Anfang, abbremsen, stopp. Zurück vom Lustwagen zum Lastwagen. Der Start des Antriebs erfolgt auf Tastendruck. Die Wahl der Fahrtrichtung per Drehregler, das ist ebenso praktisch wie platzsparend. Angesichts der unbändigen Kraft bleibt das gewählte Fahrprogramm egal. Nicht aber die Rekuperation, einstellbar über Schaltwippen hinter dem Lenkrad. Die Spanne reicht vom lässigen Dahingleiten bis zum Ein-Pedal-Modus. Er bereitet indes ruppig ruckelnd wenig Freude. Mehr schon der Blick auf die Instrumente, übersichtlich, klar gezeichnet, so soll es sein. Einschließlich der kleinen Spielerei, dass Geschwindigkeiten unterhalb des gerade aktuellen Tempos nicht in Zahlen angezeigt werden, sie verwischen. Vernetzt ist der Movano Electric ebenfalls, das hat man heute. Zur Serienausstattung zählt eine Klimaautomatik mit erfreulich übersichtlicher Bedienung über Tasten und Wippen.

Unter dem Ladeboden bunkert eine üppige Batterie 110 kWh, egal in welcher Variante des verstromten Movano. Das kostet Nutzlast, sichert aber eine angemessene Reichweite. Opel spricht von 420 Kilometern. Immer vorausgesetzt, es hockt kein Tempobolzer hinterm Steuer. Hocken ist übrigens angesichts der ­froschartigen Sitzposition der passende Begriff. Für dieses Thema interessieren sich die Entwickler angesichts von Klagen seit fast zwei Jahrzehnten offensichtlich nicht. Ebenso wenig für die eingeschränkte Sicht durch den niedrigen Scheibenrahmen und die lästige Dachablage, an der sich große Fahrer den Kopf stoßen.

Guter Raumplaner

Die Stellantis-Ingenieure haben andere Themen drauf. So lädt der Movano Electric seinen Akku nun mit 11 kW an der Wallbox oder flotten 150 kW an der Schnellladesäule. Und auch an die notwendigen Varianten haben sie gedacht. Es gibt Kastenwagen mit 6,0 und 6,4 Metern Länge und 2,52 oder 2,76 Metern Höhe. Kürzer geht nicht, die große Batterie, klar. Das bedeutet angesichts der kurzen Nase mit entsprechend guter Raumausnutzung 13 bis 17 Kubikmeter Ladevolumen. Dann wären da noch Fahrgestelle mit Fahrerhaus oder Doppelkabine. Angesichts der dicken Batterie gilt es aufzupassen: Schon der kompakteste Kastenwagen wiegt inklusive Fahrer knapp über 2,8 Tonnen, macht als 3,5 Tonner nicht einmal 700 Kilo Nutzlast. Der Ausweg sind Varianten als 4,25-Tonner. Und schleppen darf der Movano Electric ebenfalls, bis zu 2,4 Tonnen bei maximal 5,5 Tonnen Gesamtzuggewicht, alle Achtung.

An Bord wartet ein ganzes Rudel an Assistenten auf seinen Einsatz. Vieles davon ist ab Sommer vorgeschrieben, vom Notbremsassistenten mit Fußgänger­erkennung über den Spurhalteassistenten und die Verkehrsschilderkennung bis zur Rückfahrkamera. Empfehlenswert sind speziell bei Kastenwagen der Rückfahr-Assistent mit Erkennung des Querverkehrs oder der 360-Grad-Parkassistent mit Rundumerkennung. Denn wer kennt sie nicht: die zerschundenen Transporter mit hässlich verunstalteten Schwellern und Ecksäulen.

Von Vorteil ist auch der optionale digitale Innenspiegel. Denn wenn dem Fahrer des Movano Electric am Ortsausgang oder bei einem Überholmanöver mal wieder die Pferde oder die Kilowatt durchgehen, dann sieht er damit selbst bei vollgepacktem Frachtraum etwaige Verfolger verschwinden. Und nun: D oder E?