Fahrbericht Maxus T90 EV: So schlägt sich der erste vollelektrische Pick-up

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Der erste vollelektrisch angetriebene Pick-up in Deutschland kommt aus China. Wir haben uns die Fahreigenschaften, die Nutz- und Anhängelast sowie die Preisgestaltung etwas genauer angesehen.

Er trägt die bullige Nase hoch: Der Maxus T90 EV ist der erste E-Pick-up in Deutschland.
Er trägt die bullige Nase hoch: Der Maxus T90 EV ist der erste E-Pick-up in Deutschland. - © Maxus

Es kommt auf die Perspektive an: Je nach Blickwinkel zeigt der wuchtige Maxus T90 EV eigenwillige Proportionen, wirkt mit seiner bulligen und verchromten Nase in kräftiger Gulli-Optik vorn etwas überladen. Indes überrascht der Blick unter die mächtige Fronthaube: Dort ducken sich elektrische Komponenten, doch vom Motor ist weit, breit und tief nichts zu sehen. Er dockt unmittelbar an der angetriebenen Hinterachse an. Ursprünglich war der Platz in der ersten Reihe für einen großen Diesel vorgesehen. Jetzt aber dreht der Maxus europäischen Anbietern die kräftig geformte Nase, der erste serienmäßige E-Pick-up kommt aus Fernost.

5,4 Meter lang: ein mittelgroßer Pick-up

Ob Bauhandwerker, Dachdecker oder andere Gewerke – Handwerksbetriebe schätzen Pick-ups. Gerne auch als vielseitige Doppelkabine (Doka) zum wechselseitigen Transport von Menschen und Material oder teurem Werkzeug im Fond hinter Schloss und Riegel. Mit knapp 5,4 Metern Länge hat die Doka von Maxus das klassische Format mittelgroßer Pick-ups. Und ist doch ganz anders. Gestartet wird per Zündschlüssel, obwohl hier nichts mehr zündet. Die Armaturen zeigen mit Tacho und Powermeter als beherrschenden Instrumenten einen gewohnten Zuschnitt, Anzeigen für den Stromvorrat, für Reichweite und anderes mehr komplettieren das Bild.

Mittschiffs thront ein großer Bildschirm, für wesentliche Bedienelemente gibt es klassische Drucktasten und Drehregler, danke. Der Wagenlenker wählt die Fahrtrichtung bequem über einen Drehregler. Doch Vorsicht, die Parkstellung fehlt, das übernimmt die Handbremse.

Kein Billigheimer

Das Ambiente ist durchaus angenehm – reichlich Platz in der ersten und zweiten Reihe, angemessene Materialqualität in guter Verarbeitung. Die Sitze mit schicker roter Absteppung sehen nach Leder aus. Die Fahrernase aber erschnuppert Kunstleder. Einzige Sonderausstattung ist Metalliclack, ansonsten ist mit Klimaanlage, Leichtmetallrädern, elektrisch verstellbaren Sitzen und einer überschaubaren Zahl von Assistenzsystemen alles an Bord, was man so braucht. Macht dann an der Kasse netto 54.990 Euro, ein Billigheimer ist der Maxus also nicht.

Maxus – was ist das?

Das chinesische Fabrikat Maxus gehört zum Automobilriesen Saic (Shanghai Automotive Industry Corporation). Der arbeitet in Fernost mit VW zusammen und bietet einen ganzen Strauß eigener Fahrzeuge aller Größen. Macht zusammen mehr als fünf Millionen Einheiten im Jahr.

Maxus ist für leichte Nutzfahrzeuge zuständig. Den Import für Deutschland übernimmt überwiegend Maxomotive in Köln, Tochterunternehmen des spanischen Auto-Großhändlers Astara. Kurios: In Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein übernimmt eine Tochter des norwegischen Unternehmens RSA den Import. Dort bildet ausgerechnet die Handelsgruppe Sternpartner einen Schwerpunkt. Der Name weist unmissverständlich auf deren Ursprünge hin.

Maxus eDeliver7: Das Vorbild stammt offensichtlich aus Norddeutschland.
Maxus eDeliver7: Das Vorbild stammt offensichtlich aus Norddeutschland. - © Maxus

Maxomotive hat eine Menge vor. Zur elektrischen Transporterflotte gesellt sich inzwischen ein vollelektrisch angetriebener 7,5-Tonner namens EH300. Dessen Motor leistet 110 kW /150 PS, die Batterie schluckt 128 kWh. Das Fahrgestell trägt laut Maxomotive bis zu 4,3 Tonnen.

2024 folgt der schicke mittelgroße Transporter namens eDeliver 7. Spätestens in Zweifarbenlackierung wird eine gewisse Verwandtschaft zum ID.Buzz Cargo deutlich. Auch die bisher genannten Daten eines E-Motor von 150 kW/204 PS und einer Batterie mit 77 kWh passen ins Raster. Anderswo legt der eDeliver 7 eine Schippe drauf: Mit 5,0 und knapp 5,4 Metern Länge ist er größer, mit rund einer Tonne Nutzlast deutlich tragfähiger als der VW.

E-Maschine: vehementer Antritt

Die Maximalleistung seiner E-Maschine beläuft sich auf 130 kW/177 PS, das Drehmoment auf 310 Nm. Wer will, wählt zwischen drei Fahrmodi. Egal, stets stiebt der wuchtige Pick-up beim Tritt aufs Fahrpedal vehement davon. Während Verbrenner-Pick-ups meist eher gemächlich Fahrt aufnehmen. Dabei wiegt der wuchtige Maxus mitsamt Fahrer immerhin rund 2,4 Tonnen. Bleibt bis zur zulässigen Gesamtmasse eine Nutzlast von 900 Kilo. Das führt zur Betrachtung seines Hinterteils, bei der Anschaffung eines Pick-ups schließlich mit entenscheidend.

Anhängelast von einer Tonne

Auch das Heck des Maxus macht was her, die breite schwarze Kunststoffplakette ist fein in Rot eingefasst, das hat man heute auch gern bei Nobelfabrikaten. Im Vergleich zu Verbrenner-Kollegen eher mau ist die Anhängelast von gebremst einer Tonne. Auch begrenzt Maxus das zulässige Zuggesamtgewicht auf vier Tonnen. Zugfahrzeug und Anhänger zugleich vollpacken funktioniert also nicht. Ohnehin ist der Maxus in seiner Schaffenskraft begrenzt. Zwar warten oben auf der Pritsche vier kräftig ausgebildete Zurrösen auf Fracht, eine Europalette aber passt nur längs zwischen die Radkästen auf der mit 1,49 mal 1,51 Metern annähernd quadratischen Ladefläche. Ein robuster Kunststoffbelag schützt sie vor Schrammen und Schrunden im rauen Handwerkseinsatz.

Knochentrockenes Fahrwerk

Stabile Trittleisten schützen die Weichteile der Flanken, wenn das Areal mal ruppiger ausfällt. Allzu fordernd sollte der Untergrund aber nicht ausfallen. Zwar steht auf den Reifen die Bezeichnung „4x4“, aber der Antrieb gibt nur 4x2 her – Gelände ist nicht, dort wird der Maxus zum Minus. Halb so schlimm, er kann ja trotzdem eine Menge. Und wenn das knochentrockene Fahrwerk hält was es verspricht, dann zählt der Maxus auch abseits gebügelter Straßen zu den unverwüstlichen Gesellen. Der Fahrer jedenfalls fürchtet bei Schlaglöchern um Zahngold und Bandscheiben. Die Höchstgeschwindigkeit des Elektrikers ist auf 120 Sachen limitiert, für einen Pick-up kein Nachteil und schont die die Reichweite. Die üppige Batteriekapazität von 89 kWh genügt allemal für die klassischen Einsätze von Baustelle zu Baustelle plus Umweg zum Materialeinkauf und einen Abstecher zwischendrin in den Betrieb. Dort schlürft der Maxus Strom aus der Wallbox. Und falls ihm zwischendrin der Saft ausgeht, lädt er an der Schnellladesäule mit 80 kW. Sonderlich fix ist das nicht. Genügt aber für ein paar Extra-Kilometer.

So markig der Maxus T90 auftritt, mit seinen lediglich vier verfügbaren Farben Weiß sowie Grau-, Schwarz- und Blaumetallic ist er eher unauffällig unterwegs. Vielleicht ist also eine gute Idee, dass er seine wuchtige verchromte Nase vorwitzig hoch trägt.

Eine Marke, zwei Transporter

Den neuen Pick-up flankieren in Deutschland bislang zwei Transporter. Der eDeliver 3 sortiert sich im Bereich großer Lieferwagen und kompakter Transporter ein, der eDeliver 9 im Segment der 3,5 Tonner. Beiden gemeinsam sind E-Antrieb und ein rustikales Frontdesign wie mit der Kettensäge. Im Kontrast dazu stehen elegante Karosserien, beim eDeliver 3 sogar mit babypopoglatten Seitenwänden ohne störende Einpressungen.

Stämmiger Auftritt: Der Maxus eDeliver 3 deckt das Spektrum von Lieferwagen und kompakten Transportern ab.
Stämmiger Auftritt: Der Maxus eDeliver 3 deckt das Spektrum von Lieferwagen und kompakten Transportern ab. - © Maxus

Mit zwei Längen von 4,56 und 5,15 Metern sowie rund 2,6 Tonnen zulässiger Gesamtmasse ist der eDeliver 3 stämmig. Es gibt ihn sogar als Fahrgestell. Die Radkästen des Kastenwagens stehen 1,22 Meter auseinander, also vorsichtig hinein mit der Palette quer. Der Motor leistet 90 kW/122 PS, die Batterie kommt auf 50 kWh Kapazität. Das Cockpit wirkt schlicht, dieser Maxus zählt zu den Arbeitsmaschinen. Dazu passt ein deftiges Fahrwerk, das kurze Stöße ungefiltert weitermeldet.

Das Kontrastprogramm bildet dazu der feine eDeliver 9. Er rollt sanft ab, die Lenkung spricht feinfühlig an und die Einrichtung ist geradezu opulent: Chromrähmchen hier, glänzender Kunststoff dort, ein wenig Karbonimitat da – dieser Maxus hat offensichtlich andere Väter. Dazu gibt’s eine aufgeräumte Schalterleiste und einen Starterknopf statt Schlüssel. Der Große fährt als Kastenwagen in zwei Längen und Höhen vor, als Kasten-Doka sowie Fahrgestell. Die Daten der E-Maschine entsprechen dem Pick-up, 150 kW/204 PS und 310 Nm. Die Batterie kommt auf 72 oder 89 kWh, beim Fahrgestell sind’s 65 kWh. Und, Überraschung, wer mit E-Mobilität fremdelt, der kann hier auch zum Diesel greifen. Dem einzigen weit und breit im Maxus-Angebot.