Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Pflege der Bürokratie als Geschäftsmodell? Wir brauchen Macher statt Berater!

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Energieberater, Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann, Rechts- und Steuerberatung und Unternehmensberater

Das Demonstrationsrecht ist in Artikel 8 unseres Grundgesetzes verankert. Wenn Bürger das Recht auf Versammlungen in Anspruch nehmen, ist dies Ausdruck gelebter Demokratie. Es stimmt jedoch nachdenklich, wenn dies für manche ein Problem darstellt. Kolumnistin Ruth Baumann schaut sich in dieser Folge „Neues von der Werkbank“ einmal genauer an, wer oder was heutzutage wirklich in der Öffentlichkeit stattfinden sollte.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Eigentlich geht es uns doch gut, oder? Wir haben so viele Berater, Betreuer und Interessenvertreter, dass es gar nicht anders sein kann. Überall sprechen Leute für uns, wollen helfen und vertreten unsere Anliegen. Berater gibt es viele (ist kein geschützter Begriff, der zwangsläufig eine Ausbildung voraussetzt), zum Betreuer fühlen sich oft viele berufen, die einem auf den richtigen Weg „helfen“ wollen (ich denke dabei primär an „betreutes Denken“) und als Vertreter unserer (vermeintlichen) Interessen geben sich ebenfalls einige aus.

Fühlen wir uns gut und richtig verstanden oder ist es an der Zeit öffentlich zu zeigen, wo der Schuh drückt und wo es noch Verbesserungsspielraum gibt?

Beratung über Beratung: Braucht es das?

Es gibt Anlageberater, Steuerberater, Rechtsberater, Energieberater, Transformationsberater, Ausbildungsberater, Fördermittelberater (schwieriges Unterfangen, weil Mittel auch über Nacht mal verschwinden können), Kommunikationsberater, Politikberater und viele weitere mehr. Liegt der Zweck für die vielen (nötigen?) Beratungen in der Hilfe zur Selbsthilfe oder braucht man sie, weil unzählige Dinge im Vorfeld bewusst schwammig formuliert, unverständlich ausgedrückt, nicht nachvollziehbar oder gar realitätsfern auf den Weg gebracht wurden?

Welches (Eigen-)Interesse hat mein Gegenüber? Will er, dass es läuft oder ist das Pflegen der Bürokratie sein Geschäftsmodell? Beratung mutiert dann zur Betreuung, wenn Banalitäten kunst- und wortreich verpackt sind, während der konkrete Nutzen fehlt.

Innovation bedingt Bildung – heute mehr denn je!

Eine Energieberatung, die einem Partyservice erklärt, dass man Auslieferungen planen soll, um unnötige Wegstrecken zu vermeiden, berät nicht, sondern spricht dem Gegenüber schlichtweg intellektuelle Kompetenz ab. Betreuung, denn der Caterer wäre schon längst insolvent, hätte er dies bisher anders gemacht. Ferner reicht es auch nicht, zu wissen wie man theoretisch ein Brot backt: Es braucht jemanden, der es tatsächlich tut.

Wirtschaft braucht Vertretung und generell gilt: Wir brauchen Macher. Betriebsaufgaben, Unternehmensabwanderungen, sinkende Investitionsbereitschaft, leerstehende Geschäfte, geschlossene Gastronomie und steigende Insolvenzen haben ihre Ursachen. Mehr noch braucht es starke und mutige Stimmen, die Missstände benennen und Lösungen einfordern. Wer Innovationen will, darf bei (Aus-)Bildung nicht sparen. Wer gesteigerte Produktivität will, muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Wer Transformation will, muss ein verlässliches Konzept und nicht die Brechstange liefern. Und wer in einem Vortrag Mehrarbeitszeit fordert und gleichzeitig den Betrieben die Schaffung unterschiedlicher Zeitmodelle abverlangt, sollte bei dem herrschenden Arbeitnehmermangel einen Lösungsvorschlag haben.

Ohne Handwerk keine Transformation

Ich persönlich kann mich erst dann wirklich freuen, wenn die sinkende Umweltbelastung tollen Innovationen geschuldet ist und ihre Ursache nicht in sinkender Produktion oder gar Abwanderung der Betriebe hat. Es muss regionale Landwirtschaft geben können. Und zwar gilt es gute Qualität, prüfbare Herstellungsbedingungen, praktische Landschaftspflege, kurze Lieferketten und Transportwege nicht leichtfertig zu riskieren.

Ohne Handwerk und Mittelstand vor Ort ist die Transformation schwierig bis unmöglich. Ebenso braucht es Industriebetriebe, auf deren Arbeitsplätze, Produkte (wir waren mal die Apotheke der Welt) und Steueraufkommen wir nicht verzichten können. Es gilt hierbei, nicht den einen gegen den anderen auszuspielen, sondern allen gerecht werden zu wollen. Das ist Wirtschaftspolitik, zu der wir uns bekennen und für die wir auch einstehen müssen. Haben wir das etwa verlernt?

Probleme publik machen

Während Ende 2022 erste Handwerker aufgrund der Energiepolitik in die Öffentlichkeit gingen, sind es dieser Tage die Bauern. Politik wird in Parlamenten gemacht – und so soll es auch bleiben! Wenn aber parlamentarische Hausaufgaben nicht gut oder ganz gemacht sind, Entscheidungen nicht zu Ende gedacht wurden oder viele um ihre blanke Existenz fürchten, dann darf das auch an die Öffentlichkeit. Demonstrieren ist ein verbrieftes Grundrecht und somit rechtens und nicht rechts. Engagement nicht verunglimpfen, sondern Lösungen erarbeiten.

In Wirtschaft steckt ein Wir

Es war ein Appell und wäre schön gewesen, wenn manche Interessenvertreter sich mutig und mit Herzblut den Anliegen gewidmet hätten, anstatt sich später (als große Resonanz sichtbar war) auf Bilder zu drängeln oder erst im Nachhinein zu bekennen. Wirtschaft hat das WIR im Namen – in stürmischen wie auch in guten Zeiten. Interessenvertretung zeigt ihre Qualität im Tun und nicht erst im Beifall beim Erfolg.

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.