Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Herausfordernde Zeiten brauchen einfache Gedanken und unkomplizierte Lösungen

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Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Wir wünschen uns gerade nichts mehr als eine ruhige und besinnliche Adventszeit. Nutzen wir also die Zeit, um neben dem Hoffen auf göttliche Erleuchtung oder künstliche Intelligenz wieder unser eigenes Denkvermögen abzustauben und zu neuem Glanz zu verhelfen. Es braucht mehr Einfachheit statt vieler (unnötig) komplizierter Lösungen, meint Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg. Ihre Gedanken zum Thema lesen Sie in dieser Folge „Neues von der Werkbank“.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Mittlerweile ist die Beschreibung "Krise" nicht mehr nur die Bezeichnung eines kurzfristigen Ausnahmezustands, sondern längst zu einer dauerhaften Wegbegleiterin mit unterschiedlichen Ausprägungen geworden: Finanz-, Corona-, Energie-, Umwelt- und Ukrainekrise geben sich die Klinke in die Hand. Die Zusammenhänge werden immer komplizierter. Und spürbare oder greifbare Lösungen kapitulieren geradezu vor einem gordischen Knoten. Punktuellen Entlastungen fehlt der Blick auf das Gesamtpaket. Wir verlieren uns zunehmend in Klein-Klein, während die wirklichen Herausforderungen immer noch auf Lösungsansätze warten.

Denken wir einfach mal wieder selbst, suchen wir mit und in unseren Gedanken nach echten Lösungen. Der amerikanische Psychologe Maslow beschäftigte sich mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen und ordnete sie nach Wertigkeiten. Nach Nahrung, Sicherheit, sozialen Kontakten sah er vor allem auch das Erreichen von Anerkennung und Selbstverwirklichung als Motivation menschlichen Handelns. Legt man diese "Bedürfnispyramide" als Messlatte auf das gesellschaftliche und politische Handeln, so ist nicht nur einiges im Argen, sondern auch sehr vieles zu tun.

Bedürfnispyramide 2.0

An erster Stelle steht aktuell für mich die Auseinandersetzung mit den Zuständen in unserem Gesundheitswesen. Es kann nicht sein, dass medizinische Geräte (z.B. Beatmungsschläuche) für Kleinkinder fehlen, weil Zertifikate abgelaufen sind oder erst noch erstellt werden müssen. Können wir uns das leisten? Lebenswichtige Medikamente fehlen in Apotheken aufgrund von Lieferketten und Preiskämpfen. Von den Personalengpässen in Kliniken und Praxen ganz zu schweigen. Anstatt hier Abhilfe und wieder Ver- sowie auch Zutrauen zu schaffen, suhlt man sich stattdessen in der Geschlechterdebatte und stellt Hygieneeimer oder Tamponautomaten in Herrentoiletten auf. Vielleicht würde Maslow heute in seiner Bedürfnispyramide an der Spitze das Frönen und Pflegen der eigenen Eitelkeit und Selbstbeschäftigung stellen.

Von beschränkten Nutzungspotenzialen und erlahmten lösungsorientiertem Handeln

Immer mehr Verwaltungen, Behörden, Personalaufstockungen und immer weniger Lösungen. Nicht nur die aktuellen Zustände im öffentlich-rechtlichen Rundfunk führen vor Augen, welche Kosten und Ausschweifungen die Beschäftigung mit sich selbst, dem stets erhobenen moralisierenden Zeigefinger und dem vermeintlichen Erziehungs- (nicht aber dem Informations- oder Bildungs-)Auftrag auslösen. Oder: Dem Schrei nach mehr Nutzung von regenerativen Energien folgt nun der Aufschrei derer, die dies umsetzen wollen. Nutzungspotenziale werden von Verwaltungsebenen beschränkt, von schleppenden Genehmigungsverfahren ganz zu schweigen. Lösungsorientiertes Handeln muss schneller und einfacher möglich sein.

Entbürokratisierung versus Daten(un)sicherheit

Alle reden von Entbürokratisierung, aber die Anforderungen an die Betriebe und Bürger (Zensus, Grundsteuererhebung, Statistiken, Steuererklärungen, Ausgestaltung der Arbeitszeitaufzeichnung…) werden immer mehr und auch immer komplizierter. Was schließlich mit unserem unentgeltlichen Service bewegt oder erleichtert wird, bleibt meistens ein Geheimnis. Die Digitalisierung soll es richten! Doch leider mangelt es an Leitungen und Übertragungsqualität – ganz abgesehen vom Thema Datensicherheit. Aber immerhin die Datenschutzgrundverordnung steht zumindest. Bußgeldbewährt. Und wenn das Vertrauen in eine gesicherte Infrastruktur berechtigt ist, klappt es dann auch sicher noch mit der Abschaffung des Bargeldes. Bis dahin kann jeder, nicht nur bei einer Zugfahrt (aufgrund technischer Probleme sind nur Barzahlungen im Bistro möglich) erleben, wie fragil es um den Datenaustausch bestellt ist. Ob die Bahn überhaupt fährt, wäre dann noch ein weiteres Thema...

Zeit alte Zöpfe abzuschneiden

Denken wir mal darüber nach und denken wir vor allem einfach. Nur so können Lösungsansätze gefunden werden. Denn seien wir mal ehrlich: Insbesondere die Komplexität dieser vielen verschiedenen Themen schreit geradezu nach einfachen und greifbaren Vorschlägen. Wer kompliziert argumentiert und handelt, kennt anscheinend keine Antwort. Wir haben jahrzehntelang dem Zuwachs von Verwaltung und Bürokratie gehuldigt. Es ist an der Zeit, endlich zu handeln, Standards abzuspecken, alte Zöpfe abzuschneiden und ,Lean Management' umzusetzen. Missstände verwalten ist in jedem Fall keine Lösung.

Wenn alles nichts mehr hilft...

Besinnen wir uns also auf Maslow: Was sind unsere (wirklichen) Bedürfnisse? Denken wir hierbei nicht nur an die kranken Kinder. Besinnen wir uns wieder auf die Tugenden der Tüftler und Denker: Geht nicht, gibt’s nicht.

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.