Maximilian Maurer und Patrick Seidler Interview zu Gruppenzusammenschlüssen und Nachfolge: "Komplexität mit angepasster Organisation begegnen"

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Entscheidungsfindung, Fachkräftemangel, Finanzierung für Gründer und Nachfolger und Nachfolge

In einer umfangreichen Analyse nahm das Team des Münchener Strategie- und M&A-Beratungsunternehmens S&B Strategy die zentralen Herausforderungen des Handwerks unter die Lupe. Erkenntnis: Die Betriebe müssen professioneller werden – oder sich Professionalität integriert im Gruppenverbund sichern.

Gruppenmitglieder werden durch die Integration in existierende Strukturen befähigt, der steigenden Komplexität durch effizientere Prozesse und eine darauf angepasste Organisation zu begegnen. - © bbk22 - stock.adobe.com
handwerk magazin: Herr Seidler, Herr Maurer, Sie haben mit S&B Strategy eine umfangreiche Analyse zum Handwerk vorgelegt und erwarten eine fortschreitende Konsolidierung der Betriebe. Welche Trend-Treiber konnten Sie identifizieren?

Patrick Seidler und Maximilian Maurer: Im Wesentlichen sehen wir derzeit drei zentrale Themen, welche die Konsolidierung der Handwerksbetriebe in der Baubranche treiben. Zum einen ist es der Fachkräftemangel, der es den Betrieben erschwert, geeignetes Personal für den nachhaltigen Fortbestand des Unternehmens zu finden. Zum anderen sehen wir die steigende Komplexität in der Installation. Nehmen wir die SHK-Branche: Durch technisch komplexere Systeme wie die Wärmepumpe in Verbindung mit PV-Anlagen müssen immer mehr Gewerke aus einer Hand angeboten werden. Der moderne SHK-Betrieb muss neben klassischen Heizungs- und Sanitärarbeiten zunehmend auch Elektrotechnik- sowie Dachdeckerarbeiten ausführen. Dazu kommen sich stetig steigernde regulatorische Anforderungen wie die Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), was vor allem die SHK-Betriebe vor enorme Herausforderungen stellt. Durch ausufernde Bürokratie und unklare regulatorische Leitplanken geht bei vielen Alteigentümern und potenziellen intern aufgebauten Nachfolgeeigentümern schlichtweg die Bereitschaft ab, Betriebe in diesem Umfeld fortzuführen. Der dritte Punkt ist die offene Nachfolge. Bis 2030 erwarten wir ca. 11.000 Handwerksbetriebe mit ungelöster Nachfolge. Die Schwierigkeit, einen geeigneten Nachfolger zu finden, basiert dabei auf einer Vielzahl an Gründen. Oftmals sind die Inhaber in das operative Tagesgeschäft derart eingebunden, dass keine Zeit bleibt, sich früh genug um geeignete Nachfolgekandidaten zu kümmern. Die familieninterne Nachfolge scheitert oft an differenten Bedürfnissen sowie Interessen der Kinder, und Angestellte sehen sich oft nicht in der Lage, den potenziellen Betriebskauf zu finanzieren. Dazu kommt, dass der Übergabeprozess in Sachen Ermittlung des Kaufpreises und steuerliche Aspekte durchaus auch seine Komplexität mit sich bringt.

Wo ist aus Ihrer Sicht der Handlungsdruck am größten?

Alle drei Trends fordern Betriebe heraus, hier lohnt sich stets eine individuelle Betrachtung auf Unternehmensebene. Es gibt bei den drei genannten Kernthemen immer Unternehmen, die vergleichs­weise gut oder schlecht dastehen, pauschale Aussagen sind da meist schwierig. Insgesamt sehen wir die Kombination aus ausufernder Bürokratie zusammen mit knappem Personal als langfristig katastrophale Entwicklung für das Handwerk in Deutschland.

Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, schlagen Sie zwei Wege vor: die Professionalisierung der einzelnen Betriebe oder den Anschluss an eine bestehende Gruppenstruktur. Welcher Weg ist anspruchsvoller?

Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile und erfordern unterschiedliche Anstrengungen. Hier hilft es vom Ziel her zu denken. Aus unserer Sicht muss es zentral sein, dass Handwerksbetriebe als Arbeitgeber wieder mehr an Attraktivität gewinnen. Dies gelingt am besten durch eine Professionalisierung: vor allem bei Prozessen und im Bereich der Digitalisierung, aber auch bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung. Die zentrale Frage ist dabei, ob man diese vielen Herausforderungen alleine meistern kann oder ob der Anschluss an eine Gruppe nicht einfacher ist. Insgesamt kann man sicherlich sagen, dass Betriebe mit 80 Mitarbeitern oder mehr bessere Voraussetzungen haben, die Herausforderungen alleine zu meistern, als deutlich kleinere.

Gibt es Betriebsgrößen, die sich speziell für einen Gruppenanschluss eignen?

Die Anforderungen der meisten großen Handwerksgruppen in Deutschland sind ähnlich. Die Betriebe müssen eine gewisse Größe vorweisen – diese liegt in der Regel bei etwa 20 Mitarbeitern aufwärts. Zudem schauen die Entscheider der Gruppen auf den Grad an Digitalisierung, eine existierende zweite Managementebene und einen generell professionellen Auftritt. Die Gewichtung der Kriterien unterscheidet sich je nach Gruppe.

Gruppenzusammenschluss ist nicht gleich Gruppenzusammenschluss, oder?

Grundsätzlich sind hier drei Szenarien denkbar: Der Betrieb wird von einer national tätigen Unternehmensgruppe übernommen und integriert, wodurch der Inhaber die Eigenständigkeit verliert, aber auch die größtmögliche Unterstützung in der kontinuierlichen Professionalisierung des Unternehmens erhält. Durch den Anschluss an eine Gruppe sind der Fortbestand des Unternehmens und die Nachfolge langfristig gesichert. Die zweite Möglichkeit ist die Bildung einer regionalen Handwerksgruppe, bei der sich einzelne Firmen mit anderen Handwerksbetrieben aus der Region durch einen Kauf oder eine Beteiligung zusammenschließen, wodurch die Eigenständigkeit größtenteils bestehen bleibt. Professionalisierungs­effekte sind hier allerdings etwas geringer ausgeprägt als bei der nationalen Gruppe. Die einzelnen Betriebe haben meist jeweils eine besondere Stärke, zum Beispiel die Gewinnung von Mitarbeitern oder besonderes technisches Know-how, von dem dann die anderen Betriebe profitieren können. Die dritte und loseste Form der Gruppenbildung ist der Zusammenschluss zu einem Einkaufsbündnis. Bei dieser recht weit verbreiteten Form schließen sich Betriebe mit anderen Handwerksunternehmen zu einem Einkaufsbündnis zusammen, bei dem es neben einem Austausch unter den Betrieben vor allem um einen gesicherten Material­bezug zu attraktiven Konditionen geht.

Bei einer national tätigen Unternehmensgruppe wird der Betrieb also vollständig integriert. Was passiert bei einer solchen Übernahme mit der Selbstständigkeit des Unternehmers? Für viele war genau das der ausschlaggebende Punkt für eine Karriere im Handwerk.

Bei den meisten großen Handwerksgruppen bleiben die Betriebe in ihrer Region eigenständig tätig. Die Firmen werden durch die Gruppe vielmehr befähigt, sich besser auf ihr Kerngeschäft zu fokussieren. Bei übergreifenden Themen wie Marketing, Recruiting und IT werden die Betriebe dann zentral von der Gruppe unterstützt, wodurch der Arbeitsalltag der Mitarbeiter deutlich erleichtert wird. Zumeist haben die Altgesellschafter operativ weitreichende Freiheiten, allerdings ohne die Vor- und Nachteile des „vollen“ Unternehmertums.

Bitte nennen Sie zum Schluss noch die drei größten Vorteile, die Handwerkschefs von diesem weitreichenden und einschneidenden Schritt haben.

Erstens besteht aus unserer Sicht durch die höhere Gesamtattraktivität der Gruppe als Arbeitgeber ein besserer Zugang zu Fachkräften. Zweitens werden die Gruppenmitglieder durch die Integration in existierende Strukturen befähigt, der steigenden Komplexität durch effizientere Prozesse und eine darauf angepasste Organisation zu begegnen. Und der dritte Punkt – einer der wichtigsten Aspekte – betrifft die Betriebsübergabe: Durch die Übernahme der Unternehmensanteile sowie der Unterstützung bei der operativen Führung durch das Management der Gruppe kann die Nach­folge langfristig geregelt und die Zukunft der Mitarbeiter gesichert werden.

Zukunftsherausforderungen: Professionalisierung des eigenen Betriebs oder Gruppenanschluss?

Um die drei wesentlichen Zukunftsherausforderungen Fachkräftemangel, steigende Komplexität und ungelöste Nachfolge zu bewältigen, können Handwerksunternehmer ihren Betrieb eigenständig transformieren oder sich einer bestehenden Gruppenstruktur anschließen. Hier eine Übersicht der zentralen Handlungsoptionen:

© Quelle: S&B Research, S&B Analyse

Gruppenanschluss: Drei mögliche Gruppenoptionen




Entscheiden sich Unternehmer für einen Gruppenanschluss, hängt die Auswahl der Gruppe vom Bedarf nach Integration und dem Wunsch nach Eigenständigkeit sowie der Art der Bewältigung der Herausforderungen ab:

© Quelle: S&B Research, S&B Analyse

Bewertung der Gruppenoptionen: Wann kommt welche Gruppe für meinen Betrieb infrage?

Kommt für mein Unternehmen maximal ein Einkaufsbündnis wie Celseo, Interdomus Haustechnik, Meisterteam oder die SHK EG in Betracht? Ist ein Zusammenschluss zu einer regionalen Handwerksgruppe wie Jaeger Ausbau oder Topteam 2000 denkbar? Oder besteht sogar am Anschluss an nationale Handwerksgruppen wie Homeserve, Kälte Eckert, Builtech oder die HPM Handwerksgruppe Interesse? Das sind die jeweiligen Vor- und Nachteile:

Bewertung der Gruppenoptionen
© Quelle: S&B Research, S&B Analyse

Interviewpartner

Maximilian Maurer, S&B Strategy GmbH in München.
Maximilian Maurer - © S&B Strategy GmbH

Maximilian Maurer und Patrick Seidler von der S&B Strategy GmbH in München. Das Strategie- und M&A-Beratungsunternehmen ist Spezialist für Transaktionen und die Unternehmensnachfolge in der Baubranche.

Patrick Seidler,  S&B Strategy GmbH in München.
Patrick Seidler - © S&B Strategy GmbH