Interview Stefan Schicker zum AI Act: Darauf sollten Handwerksbetriebe bei der KI-Nutzung achten

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Die gute Nachricht zuerst: Weil klassische Arbeiten im Handwerk nicht als hochriskant eingestuft werden, bedeutet der von der EU beschlossene AI Act fürs Handwerk nur wenig Auswirkungen. Dennoch gilt es im Umgang mit der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) auf einiges zu achten.

Stefan Schicker ist Rechtsanwalt und Innovationsberater in München. - © SKWSchwarz
Mit generativer Künstlicher Intelligenz (KI) stehen auch dem Handwerk viele tolle Möglichkeiten offen, um ihren Arbeitsalltag noch effizienter zu gestalten. Wie sollten Betriebe das Thema angehen?

Stefan Schicker: Während die Wissenschaft ja schon seit den 1960er Jahren mit KI arbeitet, ermöglicht die generative KI jetzt den Zugang für alle. Wie die analytische KI basiert die generative KI ebenfalls auf großen Mengen von Daten. Im Unterschied zur analytischen KI ist die generative KI dazu in der Lage, aus den Daten völlig neue Informationen zu kreieren. Dafür wurden Basismodelle wie ChatGPT mit Sprach-Knowhow gefüttert, um neue Texte und Bilder zu entwickeln. Soweit der Status quo.

In den kommenden Jahren werden Unternehmen jeweils ihre eigene interne Unternehmens-KI haben, also eigens aufgebaute KI-Systeme auf Grundlage der Basismodelle wie aktuell zum Beispiel ChatGPT, Gemini oder Anthropic. Daraus ergeben sich fürs Handwerk drei große Szenarien:

  1. Handwerker sind künftig in der Lage, große Datenmengen, die zum Beispiel von Kunden und deren Projekte in ihre Software eingehen, auszuwerten. Im nächsten Schritt können sie beispielsweise KI-gesteuert Angebote erstellen lassen, was ihre Arbeit unheimlich beschleunigt. Eines unserer aktuellen Projekte ist es etwa, einer Firma bei der Erstellung öffentlicher Ausschreibungsunterlagen zu helfen: Der Prozess, der sonst mehrere Wochen in Anspruch genommen hat, ist über die KI auf anderthalb Tage geschrumpft. Natürlich muss nochmal jemand drüberlesen und die einzelnen Angaben überprüfen, das das geht recht schnell.
  2. Ein weiterer Punkt ist es, auch eigene Texte von der KI schreiben zu lassen. Ein Beispiel dafür sind Stellenanzeigen: Über spezielle Prompts kann man die KI anleiten, dass sie aus Sicht eines Personalexperten für die Zielgruppe Handwerk schreibt und einzelne Anforderungen einer Stelle beschreibt.
  3. Als Basismodell kann diese Enterprise-KI dann mit anderer Software verknüpft werden, so dass auch Emails, Dokumente bis hin zu Einkaufstools damit steuerbar sind. So können Handwerker beispielsweise die Preisentwicklung an den Rohstoffbörsen in Echtzeit verfolgen und dann kaufen, wenn der Preis am niedrigsten ist – auch das geht automatisiert.
Mit dem AI Act hat die EU die Handhabe von generativer KI eingegrenzt. Was bedeutet das für den täglichen Umgang?

Der AI Act nimmt vor allem Hochrisiko-Fälle ins Visier, das sind etwa unterschwellige Techniken, die Leute manipulieren oder ihnen körperlich schaden können. Für einen normalen Betrieb ist das zwar auch relevant, aber kein Ausschlusskriterium. Der AI Act hat fürs Handwerk vor allem, wenn nur Texte generiert werden, nur eingeschränkte Auswirkungen. In den Betrieben, die KI anwenden, greift vor allen Dingen die Datenschutzgrundverordnung neben dem AI Act. Da die meisten Modelle wie ChatGPT außerhalb des EU-Raums in USA entwickelt wurden, wo sie einem anderen Datenschutz unterliegen, dürfen hiesige Betriebe keine personenbezogenen Daten in die Systeme eingeben. Das besagt unsere Datenschutzgrundverordnung, die die Verwendung personenbezogener Daten meist erst dann erlaubt, wenn die betroffene Person ausdrücklich zugestimmt hat.

Für die Betriebe gibt es allerdings die Möglichkeit, den Namen zu entfernen oder zu anonymisieren. Das gelingt sehr gut über synthetische Daten, bei denen ein falscher Name mit vergleichbaren Personenwerten verknüpft wird. Dieser Ansatz wird künftig mehr an Attraktion gewinnen.

Bei der Enterprise-KI, die Handwerksbetriebe perspektivisch für ihre Bedürfnisse einkaufen, sollten Betriebe darauf achten, dass der datenschutzrechtliche Ansatz von den Anbieter der Tools schon inkludiert ist. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Handwerksbetriebe ihre eigene Basis-KI-Software bauen, also eigene sogenannte Large Language Models – falls ja, müssen sie diese auf etwaige Risiken überprüfen.

Welche Risiken gibt es da?

Da ist natürlich, neben den kommenden Regelungen des AI Acts, wie erwähnt die des Datenschutzes, wenn es um text- und bild-verarbeitende Systeme geht. Im Bereich Robotics sieht es schon anders aus: Für Roboter, die sich im öffentlichen Raum bewegen, müssen höhere Sicherheitskontrollen angesetzt werden.

Auch beim Urheberrecht gilt es einiges zu beachten. Längere Texte  sind im Regelfall urheberrechtlich geschützt und gehen nicht in mein Urheberrecht über, wenn ich sie in ChatGPT eingebe und darin ändern lasse. Daher muss man sich überlegen, ob man solche Texte in KI-Chat Systeme einspeisen darf.

Im Gegenzug kann ich mir sind die Texte, die die KI-Systeme auswerfen, meist urheberrechtlich nicht geschützt, da es an der persönlich geistigen Schöpfung fehlt. Daher kann ich mir mit einem geeigneten Prompt zum Beispiel ein völlig neues Gedicht kreieren lassen: Dort greift die KI wiederum auf ihren Pool an Text- und Sprach-Knowhow zurück und schafft daraus etwas Eigenes. Dieses KI-generierte Werk ist allerdings nicht meins, außer ich bearbeite es maßgeblich weiter: Dann dürfte ich mich auch als Autor dieses Gedichts benennen.

Wie ist das bei Bildern?

Bei Bildern verhält sich das prinzipiell gleich. Gepromptete Werke mit Midjourney sind urheberrechtsfrei und können problemlos verwendet werden. Wer zum Beispiel sein Firmenlogo über KI erzeugen lässt, besitzt dafür aber kein Urheberrecht – es sei denn er arbeitet am Logo weiter und verfeinert es. In der Praxis ist es allerdings sehr schwierig, dabei den Nachweis zu führen.

Zur Person:

Stefan C. Schicker, LL.M., ist Rechtsanwalt und KI-Experte. Zudem arbeitet er als Partner bei der Kanzlei SKW Schwarz in München.