Forderungsmanagement Inkasso: Code of Conduct und ein neues Gesetz sorgen für rückläufige Beschwerden

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Seit Oktober 2021 müssen sich alle rund 500 Mitgliedsunternehmen des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) an den sogenannten Code of Conduct halten. Er beinhaltet Regeln, die die Transparenz und Seriosität der Mitglieder fördern sollen. Brigitte Zypries, ehemalige Bundesjustizministerin, zieht ein positives Fazit – zumindest für die Mitgliedsunternehmen. Die Beschwerden von Verbrauchern seien rückläufig. Worauf Unternehmer beim Inkasso achten sollten.

Forderungen durchsetzen, ohne den Kunden zu vergraulen
Forderungen auf angemessene Art durchsetzen, ohne den Kunden zu vergraulen. - © jeremias münch - stock.adobe.com

Rückläufige Beschwerden von Schuldnern sind eine gute Entwicklung für die Inkassobranche - und die Schuldner. Der neue Code of Conduct schreibt den Mitgliedsunternehmen des BDIU Verhaltensregeln beim Umgang mit Schuldnern vor. Und offenbar zeigen sie Wirkung. „Rund 20 Millionen neuen Inkasso-Aufträgen jährlich stehen nur 1.000 Beschwerden von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber", schreibt Brigitte Zypries, die seit dreieinhalb Jahren Ombudsfrau des BDIU ist. Noch in 2020, dem Jahr, in dem der Code of Conduct beschlossen wurde, gab es 1.274 Beschwerden. Sie reduzierten sich 2021 auf 1.032 – bis Ende 2022 werden es hochgerechnet (die Statistik hat bis jetzt die ersten elf Monate erfasst) 978 Beschwerden sein.

Das Inkassogesetz zeigt Wirkung

Die gute Entwicklung ist aber wohl nicht nur dem Code of Conduct, sondern auch dem neuen Inkassogesetz zu verdanken. Es gilt seit Oktober 2021, schützt verstärkt die Schuldner und hat die Gebühren der Branche deutlich begrenzt.

Wichtig: Von den rund 2.100 Inkasso-Unternehmen sind über 1.500 nicht Mitglied im BDIU - Beschwerden über diese Unternehmen sind also auch nicht in der Statistik des Verbands erfasst.

BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd fasst es so zusammen: „Der Code of Conduct hat, auch in Kombination mit der Einführung des neuen Inkassorechts, für Entspannung zwischen säumigen Zahlern und uns Rechtsdienstleistern gesorgt. Viele kritische Themen, wie beispielsweise das Missverhältnis von Haupt- und Nebenforderungen bei Forderungen mit niedrigen Beträgen, wurden durch diese neuen Regelungen adressiert und offenbar so gelöst, dass sie auch zu weniger Beschwerden führen.

Deshalb gleich der Tipp für Handwerksunternehmer: Sollten Sie ein Inkassounternehmen mit dem Eintreiben offener Rechnungen beauftragen, achten sie auf die Mitgliedschaft im Branchenverband.

Die Regelungen des Inkassogesetzes im Detail

Die wichtigsten Regelungen des Inkassogesetzes schützen Schuldner: Sie können sich nun länger einer Zahlung verweigern und Inkassounternehmen dürfen nicht mehr so hohe Gebühren verlangen wie bisher. Sie sollen im Schnitt um 20 Prozent sinken.

  • Es sollen vor allem die Schuldner entlastet werden, die sich um einen zügigen Ausgleich der Forderungen bemühen. Wenn sie die Forderung auf ein erstes Mahnschreiben hin begleichen, soll nur ein Gebührensatz in Höhe des 0,5-Fachen der Anwaltsgebühr gelten. Bis zu diesem Gesetz berechneten Inkassodienstleister im Schnitt einen Satz von 1,1.

  • Verbesserungen gibt es insbesondere auch bei kleinen Forderungen. Dort waren die Inkassokosten häufig deutlich höher als die Forderung selbst. Die neue Wertstufe für Kleinforderungen bis 50 Euro senkt die Gebühr auf 18 bis maximal 36 Euro. Vor dem Inkassogesetz wurden 45 Euro erhoben.

  • Im Standardfall beschränkt sich die Geschäftsgebühr, die für die Einziehung einer unbestrittenen Forderung geltend gemacht werden kann, auf eine Gebühr in Höhe des 0,9-Fachen der Anwaltsgebühr.

  • Die Einigungsgebühr, die für den Abschluss von Zahlungsvereinbarungen geltend gemacht werden kann, wurde bei Forderungen bis 500 Euro um etwa die Hälfte gesenkt.

  • Eine Kostendopplung durch eine – im Laufe des vorgerichtlichen Verfahrens und des gerichtlichen Mahnverfahrens häufig zu beobachtende – Beauftragung von sowohl Inkassodienstleistern als auch Rechtsanwälten wird nun ausgeschlossen.

  • Die Ungleichbehandlung von Inkassodienstleistern gegenüber Rechtsanwälten bei der Geltendmachung von Kosten im gerichtlichen Mahnverfahren wurde abgeschafft.

Weniger Verbraucherbeschwerden

Mein Eindruck ist, dass die Inkassounternehmen überwiegend sehr sorgfältig und beanstandungsfrei arbeiten und, wenn Dinge einmal zu kritisieren sind, etwaige Fehler schnell und meist auch im Interesse der jeweils Betroffenen regeln", urteilt Brigitte Zypries. Und sie sagt: „Der Code ist dabei ein wertvolles Instrument der Qualitätssicherung, der allen im Inkasso Beteiligten ein faires und rechtssicheres Prozedere beim Einzug von Forderungen garantiert.“

Konkret: In fast neun von zehn Fällen, sind es die betroffenen Schuldner, die eine Beschwerde beim Verband über die Arbeit eines der Inkassounternehmen einreichen. Aber auch Schuldnervertreter – wie Freunde, Bekannte oder Bevollmächtigte – sowie Schuldnerberatungen und Verbraucherzentralen reichen Beschwerden ein. Sogar einige Inkasso-Auftraggeber sind mit der Arbeit ihres Dienstleisters nicht zufrieden und beschweren sich. "Die weitaus meisten der beanstandeten Fälle klären die Mitarbeiter des Verbands direkt", schreibt der BDIU.

Die Ombudsfrau hilft bei streitigen Situationen

Können Inkassobüro und Beschwerdeführer ihre unterschiedlichen Auffassungen nicht lösen, geht der Fall an die Ombudsfrau der Branche. Bei ihr landen vor allem Beschwerden über bestimmte Auslagen, die Inkassodienstleister Schuldnern weiterberechnen. Häufiger Beschwerdegrund sind auch Vereinbarungen zu Ratenzahlungen, wenn die Raten die Zinsen nicht decken. Denn dann wächst die Forderung weiter, obwohl die Schuldnerin regelmäßig zahlt. „Hier hatte ich es mit einem Inkassounternehmen zu tun, dem gar nicht bewusst war, dass die Rate zur Tilgung der Forderung zu niedrig angesetzt war. Wir konnten das allerdings schnell lösen und auch der Schuldnerin in ihrer Situation helfen“, berichtet Zypries.

Kreditversicherung sichert die Liquidität

Handwerksunternehmer kennen ihre Lieferanten und Kunden meist sehr gut. "Doch auch die beste Geschäftsbeziehung gerät ins Wanken, wenn eine Partei zahlungsunfähig wird", warnt Frank Liebold, Country Director Deutschland beim internationalen Kreditversicherer Atradius. Deshalb sollten sich Unternehmen gerade in turbulenten Zeiten wie jetzt absichern. Dies gelte besonders für kleine und mittlere Unternehmen, denn sie sind oft "die ersten, die die Folgen wirtschaftlicher Verwerfungen zu spüren bekommen", so Liebold. Das gelte auch angesichts der derzeitigen erhöhten Risikosituation: Steigende Preise für Rohstoffe und Materialien, weiterhin wachsende Zinsen und die anhaltende Lieferkettenproblematik würden massiv das Risiko von Zahlungsausfällen erhöhen.“ Der Risikoexperte empfiehlt deshalb, notfalls auch kurzfristig den Abschluss einer Warenkreditversicherung in Erwägung zu ziehen und entsprechende Angebote einzuholen.

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