Einspruch einlegen? Grundsteuer 2023: Wie Unternehmer auf Bescheide der Finanzverwaltung reagieren sollten

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Aktuell verschicken Finanzämter die Grundsteuerbescheide. Unternehmer und private Immobilieneigentümer sollten sie sorgsam prüfen, um künftig nicht unnötig viel Grundsteuer zahlen zu müssen. Wann ein Einspruch sinnvoll sein kann.

Christine Gruber, führt gemeinsam mit ihrem Mann die Bäckerei Franz Gruber in Sankt Wolfgang im oberbayerischen Landkreis Erding.
Christine Gruber, führt gemeinsam mit ihrem Mann die Bäckerei Franz Gruber in Sankt Wolfgang im oberbayerischen Landkreis Erding. - © Lisa Hörterer

Unternehmerfrau Christine Gruber brauchte rund zwei Nachmittage, um die Feststellungserklärungen für eine vermietete Wohnung und ein gemischt genutztes Gebäude per Elster beim Finanzamt einzureichen. Gemeinsam mit ihrem Mann Franz führt sie die Bäckerei Gruber in Sankt Wolfgang im oberbayerischen Kreis Erding. „Im ersten Schritt habe ich mir die Erklärvideos der Finanzverwaltung angesehen, um mich fit zu machen und alles richtig einzutragen. Damit war ich schon mehrere Stunden beschäftigt und am Ende ziemlich genervt“, sagt Gruber. Sie hat sich bewusst frühzeitig mit dem Thema beschäftigt, um nicht unter Zeitdruck zu geraten. Die Erklärung hat sie schon vor Wochen abgegeben.

Rund ein Drittel der Immobilieneigentümer hat das Ziel verfehlt. Zum 31. Januar dieses Jahres sollten die Feststellungserklärungen für die neue Grundsteuer beim Finanzamt vorliegen. Bayern legte nach. Hier gilt der 30. April dieses Jahres als Stichtag. Bei Fristversäumnis kann das Finanzamt einen Zuschlag verlangen, mindestens in Höhe von 25 Euro pro Monat. In der Regel sind es 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer. Das Team von Wiso Steuer, zu dem auch die Online-Anwendung Wiso Grundsteuer gehört, hat die Positionen der 16 Bundesländer Ende Februar zusammengetragen. Peter Schmitz, Geschäftsführer von Wiso Steuer, gibt aber Entwarnung: „Die Finanz­behörden agieren zwar entschlossen, aber fair. Harte Konsequenzen haben die Bürger zunächst nicht zu befürchten. Das kann sich aber ändern.“ Hamburg, Berlin, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt sowie Niedersachsen zeigen sich streng. Die anderen Bundesländer verzichten wohl auf Säumniszuschläge. In der Regel versenden die Beamten jetzt erst einmal Erinnerungsschreiben.

Auf Erinnerungsschreiben reagieren

„Darauf sollte man allerdings reagieren“, rät Thomas Treutlein, Steuerberater der Kanzlei Wagner Steuerberater in Karlstadt. Hinauszögern bringt ohnehin nichts, weil die Erklärung in jedem Fall abzugeben ist. Und einige Bundesländer wie Hamburg, Berlin, Saarland oder Schleswig-Holstein und Sachsen haben Zwangsgelder in Höhe von bis zu 25.000 Euro angesagt, falls nach einem Erinnerungsschreiben nichts passiert. Überdies droht eine Schätzung vonseiten des Finanzamts. Das ist erfahrungsgemäß fast immer die schlechteste Lösung. Der Fiskus setzt den Wert der Immobilie tendenziell eher zu hoch als zu niedrig an.

Die neuen Werte bilden aber künftig die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer. Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 die geltenden Einheitswerte gekippt. Sie seien veraltet. Die Grundsteuer, so wie sie bisher berechnet wird, verstößt nach dem Urteil gegen den Gleichheitsgrundsatz. Ab 2025 gelten neue Vorgaben. Die Finanzämter benötigen dafür im ersten Schritt die Daten zur Wertermittlung der gewerblichen wie der privaten Immobilien, weshalb alle Eigentümer eine Feststellungserklärung abgeben müssen. Im zweiten Schritt versenden sie dazu die Bescheide. Aber erst ab 2025 fällt die neue Grundsteuer an. Wie viel das ist, weiß noch keiner. Die Gemeinden müssen die Hebesätze noch festlegen, das erfolgt 2024. Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ist nur, dass die Einnahmen für die Kommunen nicht höher ausfallen sollen als bisher. Das bedeutet: Einige Eigentümer dürften deutlich mehr, andere gleichbleibend oder weniger Steuern zahlen. Einige Gemeinden haben ihre Hebesätze schon 2023 angehoben – sie können die neue Grundsteuer auf dem ­Niveau planen und später sagen, dass sie 2025 nicht teurer geworden sind.

Bescheide prüfen

Für die Eigentümer geht es um viel Geld. Steuerexperten raten deshalb dazu, die ­Bescheide über den Grundsteuerwert (in Bayern, Hamburg, Niedersachen über die Grundsteueräquivalenzbeträge) und den Grundsteuermessbetrag exakt zu prüfen. Viele Steuerzahler haben sie bereits erhalten oder dürfen bald damit rechnen. Nur Berlin und Hamburg versenden die Grundsteuermessbescheide erst ab 2024.

Einfaches Verfahren in Bayern

Handwerksunternehmer mit Sitz in Bayern, wie das Unternehmerpaar Gruber, haben es vergleichsweise einfach. Das Verfahren ist hier schlank. „Das ist ein Grund, weshalb viele Firmenchefs mit Betriebs- oder Privatimmobilien hier ihre Erklärung selbst erledigt haben“, so die Erfahrung von Steuerberater Treutlein. Unternehmerfrau Gruber erinnert sich daran, wie sie mit ihrem Mann über den Bauplänen saß, um die jeweiligen Qua­dratmeter für die Wohn- und Geschäftsflächen exakt zu ermitteln. „Das war nicht kompliziert, aber recht aufwendig“, meint sie. Zum Beispiel werden Garagen in Bayern erst ab einer Größe von 50 Quadratmetern angerechnet. „Die meisten sind aber nur 30 Quadratmeter groß. In der Feststellungserklärung im Elsterprogramm sind sie daher mit 0 Quadratmetern anzusetzen“, erläutert Treutlein.

Christine Gruber wusste das aus den Erklärvideos. „Auch die Waschküche im Keller zählt nicht mit, die mussten wir also aus unserer Gesamtfläche herausrechnen“, so die Unternehmerin. Nachdem sie diese Vorbereitungen erledigt hatte, war die Feststellungserklärung kein Problem mehr. Jetzt wartet sie auf die Bescheide. Ob sie die Prüfung dann ihrem Steuerberater überlässt, weiß sie noch nicht. Vermutlich allerdings wird sie Einspruch einlegen, „weil unser Steuerberater uns das empfohlen hat“.

Auf Musterklage verweisen

Viele Steuerexperten raten dazu. Hintergrund: In den nächsten Monaten ist mit Musterklagen zu rechnen. Der Bund der Steuerzahler Deutschland avisiert diese in Kooperation mit dem Verband Haus & Grund Deutschland. Ein Gutachten ist in Auftrag gegeben. „Bereits jetzt formieren sich verschiedene Stimmen, die die Ver­fassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuer anzweifeln“, erklärt Andreas Müller, angestellter Rechtsanwalt der Kanzlei ­Dr. Reuthlinger & Breig und Partner GdbR und Mitglied der MTG-Kanzlei-Gruppe in Straubing. In Baden-Württemberg ist man schon weiter. Hier haben mehrere Verbände – unter anderem der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg – gravierende verfassungsrechtliche Bedenken.

Zwei Musterverfahren laufen bereits. „Das Aktenzeichen der ersten Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg – Aktenzeichen: 8 K 2368/22 – kann verwendet werden, um mit Verweis auf die mögliche Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer in Baden-Württemberg Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid einzulegen“, so Eike Möller vom baden-württembergischen Steuerzahlerbund. In Baden-Württemberg gilt die Besonderheit, dass die Immobilie auf dem Grundstück nicht zählt. Es kommt nur auf die Bodenrichtwerte und die Fläche an. „Die Bebauung als werttreibender Faktor bleibt dabei gänzlich unberücksichtigt. Eine Unterscheidung besteht nur bei der Nutzungsart des Grundstücks, ob es überwiegend zu Wohnzwecken dient oder nicht“, so Müller. Das zweite Verfahren soll klären, ob das System der Bodenrichtwerte transparent und genau genug ist.

Tausende Steuerzahler haben bereits mit einem Einspruch reagiert, nicht nur in Baden-Württemberg. Nach einer Umfrage der Bundessteuerberaterkammer wollen 90 Prozent der Steuerberater vorsorglich oder auf Wunsch der Mandanten Einspruch einlegen. 86 Prozent der Experten machen das aufgrund verfassungsrechtlicher Zweifel, 40 Prozent wegen falscher Bescheide.

Der Bund der Steuerzahler fordert die Finanzverwaltung deshalb auf, die Bescheide prinzipiell nur noch vorläufig zu erlassen. „So kann eine gerichtliche Überprüfung für einzelne Musterverfahren erfolgen. Fällt diese Prüfung positiv aus, wird das für alle vorläufigen Bescheide gelten“, sagt Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler Deutschland. Betroffen sind über Baden-Württemberg hinaus vor allem jene Bundesländer mit Bundesmodell – also Nordrhein-West­falen, Bremen, Berlin, Brandenburg, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Hintergrund ist hier, dass die Bodenrichtwerte von den Gutachterausschüssen festgelegt sind. Eigentümer hätten keine Möglichkeit, gegen diese vorzugehen, so der Bund der Steuerzahler. Sie sind standardisiert. Tatsächlich niedrigere Werte sind nicht nachweisbar. Das könnte verfassungs­widrig sein, weil wieder eine Ungleich­behandlung vorliegen könnte.

Auch die Mietpreisniveaustufen seien oft nicht nachvollziehbar und zu wenig differenziert, so die Kritik am Bundesmodell. Diese sind relevant für die Berechnung des Rohertrags in den Bescheiden. Grundlage ist eine statistisch ermittelte Nettokaltmiete, die den Schnitt abbildet. Mit dem Betrag, der als Miete erzielt wird, hat das nichts zu tun. Die Details regelt vielmehr das Bewertungsgesetz. Das Bundefinanzministerium hat eine Liste erstellt, in der die jeweilige Mietniveaustufe für die einzelnen Kommunen angegeben wird. Abhängig von der Stufe wird der Rohertrag gemäß Anlage 39 zu Paragraf 254 Bewertungsgesetz ermittelt.

Ein erfolgreicher Einspruch muss begründet sein. Wer sich auf verfassungsrechtliche Fragen beruft, wird am Ende vermutlich Klage einreichen müssen. Das Finanzamt lehnt den Einspruch ziemlich sicher ab und verweist auf die geltende Rechtslage. Deshalb sind die Musterverfahren so wichtig, um darauf verweisen zu können und Ruhen des Verfahrens zu beantragen, bis der Fall geklärt ist. „Unsere Empfehlung ist daher, zunächst unbegründet Einspruch einzureichen und diesen erst nach Aufforderung des Finanzamts mit verfassungsrechtlichen Bedenken zu begründen“, so Müller. Er erhofft sich einen Zeitgewinn, bis weitere Musterklagen ins Laufen gekommen sind.

Steuerberater Treutlein rät in jedem Fall zum Einspruch, wenn die Angaben in der Feststellungserklärung nicht mit den Bescheiden übereinstimmen. „Oder falls Steuerzahlern selbst Fehler passiert sind. Dann haben sie einen guten Grund für eine Korrektur“, so Treutlein.

Know-how: Was beim Einspruch zu beachten ist

Innerhalb von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides können die Steuerzahler Einspruch einlegen. Man darf nicht bis zum Grundsteuerbescheid im nächsten Jahr warten. Denn wenn die Bemessungsgrundlagen bestandskräftig geworden sind, haben Einwände in der Regel keine Chance mehr.

  • Daten abgleichen:
    Viele Angaben zum Gebäude lagen den Finanzämtern bereits vor. Die Steuerzahler wurden in einigen Bundesländern informiert. Diese mussten sie zumeist nur in die jeweiligen Formulare eintragen. Die Fläche etwa war von Steuerzahlern selbst zu ermitteln. Jetzt gilt es zu überprüfen, ob die Daten sich im Bescheid richtig wiederfinden. Zum Beispiel: Sind also Baujahr, die Grundstücks-, die Nutz- und Wohnfläche des Objektes richtig ausgewiesen? Ist der Wert richtig berechnet? Stimmt der Liegenschaftszins für das Grundstück, zu finden im Berwertungsgesetz Paragraf 256?
  • Ist die Restnutzungsdauer richtig:
    Sie muss mindestens 24 Jahre betragen. Die Nutzungsdauer insgesamt beträgt immer 80 Jahre, die Restlaufzeit hängt also vom Baujahr ab. Ist der Reinertrag korrekt, der sich aus dem Rohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten errechnet?
  • Einspruch einlegen:
    Wer Fehler gefunden hat, legt beim zuständigen Finanzamt unter Angabe des Aktenzeichens oder der Steuernummer Einspruch ein, siehe Anschrift auf dem Bescheid. Man stellt die Unstimmigkeiten kurz dar und erläutert die Gründe für den Einspruch. Tipp: Es ist möglich, erst einen fristwahrenden Einspruch einzulegen. Das bedeutet: Man begründet erst später. Wer hier Zeit schinden will, reicht erst kurz vor Fristende ein.
  • Formalien:
    Der Einspruch erfolgt schriftlich, notfalls per Hand. Er sollte zur Sicherheit per Einschreiben verschickt werden. Eine E-Mail genügt in der Regel nicht. Hinweis: Der Bescheid gilt am dritten Tag nach Aufgabe in die Post als bekannt gegeben. Das können auch ein Samstag oder ein Sonntag und ein Feiertag sein.
  • Einspruch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken:
    Die Formalitäten gelten auch für den Einspruch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken. Immobilieneigentümer in Baden-Württemberg können mit Angabe des Aktenzeichens auf die Musterklage verweisen und Ruhen des Verfahrens beantragen. Das ergibt Sinn, schon weil ein Einspruch kostenlos ist. Man kann ihn jederzeit wieder zurücknehmen. Gibt es im eigenen Bundesland bisher kein solches Verfahren, muss man selbst Klage einreichen. Das kostet und kann dauern.