Mit System fit für die Zukunft Franchise im Handwerk: So profitieren Gründer und auch etablierte Betriebe von erprobten Geschäftsideen

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Franchisepartner profitieren nicht nur von erfolgreichen Geschäftsmodellen und standardisierten Abläufen, sondern können auch bei Nachhaltigkeit und Digitalisierung fürs Kerngeschäft einen großen Schritt nach vorn machen. Welche Systeme sich dafür eignen und was potenzielle Interessenten vor Vertragsabschluss prüfen sollten.

Daniel Grimm in Hösbach (bei Aschaffenburg) ist seit 2021 Partner bei Enerix und beschäftigt inzwischen 32 Mitarbeiter.
Daniel Grimm in Hösbach (bei Aschaffenburg) ist seit 2021 Partner bei Enerix und beschäftigt inzwischen 32 Mitarbeiter. - © Tim Wegner

Stolze 800.000 Euro Umsatz im ersten Jahr und im zweiten Geschäftsjahr 2022 schon 2,8 Millionen Euro. Daniel Grimm in Hösbach bei Aschaffenburg ist als Franchisenehmer von Enerix hochzufrieden. Denn Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) sind gefragt, allein im November 2022 wurden laut Destatis 14 Prozent mehr PV-Anlagen installiert als im Vorjahresmonat. Das Franchise-System Enerix ist auf den Vertrieb von PV-Anlagen mit Stromspeichern spezialisiert – einem der Top-Produkte, seit mit dem Ukrainekrieg die Energiepreise durch die Decke gehen.

Doch schon im Herbst 2020, als sich Grimm für eine Selbstständigkeit mit PV-Anlagen interessierte, war die Nachfrage nach PV-Anlagen groß. „Ein Alleinstart als Handwerksbetrieb kam für mich allerdings nicht infrage“, sagt der heute 42-Jährige. Vielmehr wollte er mit einem etablierten System in die Selbstständigkeit starten. Ende 2020 nahm er Kontakt zu Enerix auf. Im April 2021 unterschrieb er den Franchise-Vertrag. Nicht allerdings, ohne sich zuvor das System in Regensburg genau anzusehen und auch den Partnerbetrieben in Hanau und Wiesbaden einen Besuch abzustatten.

Vorteil 1: Top-Konditionen beim Einkauf

Warum er sich für Enerix entschied? „Der Markt für PV-Anlagen ist angespannt. Händler nehmen keine Neukunden. Wenn man nur Top-Produkte will, dann kommt man meiner Meinung nach an Enerix nicht vorbei.“ Doch nicht nur das Produkt PV-Anlage plus Stromspeicher überzeugte ihn, sondern auch die Macher von Enerix. „Die Atmosphäre in der Regensburger Zentrale fand ich sympathisch und familiär – auch der Austausch mit den Kollegen, der über eine WhatsApp-Gruppe läuft, ist Gold wert.“ Und: Die Einkaufskonditionen für Enerix-Partner: „An die würde ich als Neueinsteiger nie rankommen“, ist er überzeugt.

Von der Systemzentrale kamen am Anfang die eigene Website, das Marketing sowie die Geschäftsausstattung. Neukunden für sein Gebiet zwischen Aschaffenburg und Würzburg erhält er durch Leads über die Enerix-Website oder über Social-Media-Kanäle. „Die zweite, aber wichtigste Kundenquelle sind Weiterempfehlungen.“ Grimm hat inzwischen 32 Mitarbeiter: Dazu gehören Elektriker, Dachdecker, Vertriebler und Beschäftigte im Innendienst.

Vorteil 2: Wachsen mit erprobter Idee

Ob als zweites Standbein für bestehende Betriebe oder als Neueinsteiger: Franchising bietet für handwerkliche Dienstleistungen attraktive Chancen. Das Besondere am Franchising? In der Regel handelt es sich um eine hoch spezialisierte Dienstleistung oder um den Vertrieb und die Montage spezieller Produkte. Das Geschäftsmodell hat der Franchisegeber zuvor am Markt getestet. Dann sucht er Partner, bietet dazu ein ausgefeiltes Marketing- und Vertriebssystem an und entwickelt das System zusammen mit seinen Franchisepartnern weiter.

Aktuell gibt es 930 Franchise-Systeme in Deutschland mit 144.000 Partnern, so der Deutsche Franchiseverband (DFV). Handwerksnahe Dienstleistungen machen etwa sechs Prozent der Systeme aus. 2022 erwirtschaftete die Franchise-Branche 142 Milliarden Euro Umsatz, 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr. „In der Pandemie hat sich Franchising als durchaus robust gezeigt“, kommentiert DFV-Geschäftsführer Jan Schmelzle. Fitness­betriebe und Hotels hatten aufgrund der Schließungen zwar erst einmal das Nachsehen, aber: „Handwerk und handwerksnahe Dienstleistungen rund um Bau und Sanierung, das brummte.“

Vorteil 3: Digitale Organisation ist Pflicht

Einen Systemüberblick bekommen Franchise-Interessierte über die Website des Deutschen Franchiseverbands. Mit Blick auf die Zukunfts­trends lohnt sich die Franchise-Recherche vor allem in Richtung Digitalisierung oder nachhaltige Geschäftsmodelle (siehe Download). „Partnerorganisation und Vertrieb lässt sich heute gar nicht mehr anders als komplett digitalisiert organisieren“, ist Franchise-Anwalt Thomas Doeser in Tübingen überzeugt. Ob software- oder appbasiert: Einen umständ­lichen Rückschritt würden Partner seiner Meinung nach kaum akzeptieren.

Beim Thema Energie ragen Vissolar oder Enerix heraus, die ihre Kunden unabhängiger von fossilen Brennstoffen machen. DFV-Geschäftsführer Schmelzle verweist beim Thema Nachhaltigkeit auf Treppenmeister, die ihre CO2-Emissionen mit energiesparenden Maschinen und einer effizienten Prozessplanung gezielt verringern und die restlichen Emissionen kompensieren, sodass das System seit 2021 klimaneutral ist. Als weiteren Trend nennt Schmelzle Systeme, die auf nachhaltige Materialien setzen sowie ihre Fuhrparks elektrifizieren. Franchisegeber können beim Franchiseverband Mitglied werden. Die Vollmitgliedschaft ist „kein Marketing-Gag“, so Jan Schmelzle. Vielmehr soll sie Franchise-Interessierten als Gütesiegel dienen. Denn für das Siegel lassen sich Franchise-Systeme alle drei Jahre vom Institut für Franchising der Uni Münster gründlich durchleuchten.

Vor der Unterschrift: den Ortstermin nicht vergessen!

Franchise-Anwalt Thomas Doeser, der für handwerk magazin seit vielen Jahren Franchiseverträge unter die Lupe nimmt, weiß, wie wichtig Systemcheck und Vertragsprüfung vor dem Einstieg sind. Neben dem persönlichen Ortstermin in der Zentrale und dem Besuch von Partnerbetrieben, wie es Enerix-Franchisenehmer Daniel Grimm gemacht hat, rät er Interessenten dringend von einer Unterschrift ohne Vertragsprüfung ab.

Vertrag: Was Sie unterschreiben können – und was nicht

Ist diese Klausel o.k. oder geht das zu weit? Der renommierte Franchise-Anwalt Thomas Doeser in Tübingen hat exklusiv für die Leser von handwerk magazin zusammengestellt, welche Vorgaben Franchise-Interessierte auf keinen Fall akzeptieren sollten.

  1. Verzicht auf das Recht, den Vertrag von einem Anwalt prüfen zu lassen
    Auf keinen Fall! Der Vertrag mit Anlagen und Zusatzverträgen bildet das komplette Franchise-System ab und formuliert Rechte und Pflichten für beide Seiten. Nach dem Motto ‚drum prüfe, wer sich ewig bindet …‘ bietet der Anwalts­check eine Entscheidungsgrundlage für eine vorausschauende Unternehmensplanung.
  2. Pflicht zum Bezug von spezifischen Produkten vorgegebener Lieferanten
    Durchaus berechtigt. Im Franchising schließen sich selbstständige Vertragspartner zusammen, die Waren und Dienstleistungen unter einer Marke verkaufen. Bezugsbindungen und Lieferantenvorgaben sichern die Qualität, verbunden damit sind meist Einkaufsvorteile und Exklusivität, die für Wettbewerbsvorteile im Markt sorgen.
  3. Zu starke Kontrolle des Geschäfts­betriebs durch den Franchisegeber
    Gleichen Franchisepartner angestellten Filialleitern, kann eine Scheinselbstständigkeit vorliegen. Feste Arbeits- oder Öffnungszeiten, die Vorgaben zur Buchführung beim Franchisegeber oder seines Steuerberaters sind schon sehr bedenklich. Andererseits können die Kontrollen des Franchisegebers auch mehr Verantwortung für den Erfolg der Partner bedeuten.
  4. Unangemessen lange Vertragsdauer
    Erstlaufzeiten von fünf bis zehn Jahren sind je nach Einstiegsinvestment üblich. Ein Vertrag sollte so lange laufen, dass der Franchisepartner neben dem Return seines Investments auch eine überdurchschnittliche Rendite erwirtschaften kann. Nur dann ist Franchising sinnvoll.
  5. Unwirksame Vertragsbedingungen oder überhöhte Gebühren
    Die Rechtsprechung stuft etwa folgende Klauseln für unwirksam ein: Verpflichtung zu Abbuchungs-/Lastschriftverfahren, Vertragsstrafregelungen ohne Verschulden des Franchisenehmers oder Gebühren für Schulungen ohne Gegenleistung für den Franchisenehmer. Laufende Fixgebühren unabhängig von Umsatz und Erfolg des Konzepts sind ebenfalls zu hinterfragen. Ebenso sollten Interessenten genau prüfen, wie Franchisegeber umsatzgebundene Werbe- und Marketinggebühren verwenden, da sie ja als Franchisenehmer einen bestimmten Anteil ihres Umsatzes für regionale Werbung ausgeben müssen.
  6. Zu hohe Anfangsinvestitionen
    Vor allem neue oder ausländische Systeme überschätzen den Wert ihrer Systeme. Die Entwicklungskosten für ein Franchise-System sind aufwendig und teuer. Ab wie vielen Partnern sind sie eingespielt? Der Eintritt in ein Franchise-System setzt sich aus der Eintrittsgebühr und den Kosten für den Aufbau und die Einrichtung des Systembetriebs zusammen. Käufer müssen daher vor Vertragsschluss sorgfältig rechnen.
  7. Auszahlung bei Verkauf oder Vertragsende
    Im Franchise-Vertrag müssen sowohl der Einstieg als auch der Ausstieg klar geregelt sein. Wie wird beim Verkauf der Wert eines Franchisebetriebs ermittelt? Gibt es einen Ausgleich für die Abgabe des Kundenstamms, für Einrichtungen, Spezialwerkzeuge sowie für Lagerbestände von Vertragswaren? Gibt es ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und dafür eine angemessene Karenzentschädigung?