App für Gruppendiskussion und Networking Clubhouse: Ist die Trend-App auch etwas fürs Handwerk?

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Mit der Corona-Isolierung vieler Menschen kommt eine neue Audio-App immer mehr auf: Clubhouse. Die App für Livegespräche schafft virtuelle Orte, in der geschlossene Nutzergruppen Networking betreiben können. Klingt nach einer guten Idee für das Handwerk? Ja und nein. Das sind die Vor- und Nachteile der Trend-App.

Podcast, Clubhouse, Kopfhörer
Gehören das Anhören von virtuellen Podiumsdiskussionen und digitales Networking bald überall dazu? Bislang nutzen nur wenige Handwerker die Trend-App Clubhouse. - © contrastwerkstatt - stock.adobe.com

Wieder einmal eine neue Social-Media-App! Wie unter anderem die "Oberbadische" berichtet, verdrängte Mitte Januar 2021 die Audio-App Clubhouse die Messaging-App Telegram von Platz zwei der Apple-Downloadliste . Auch wenn laut "Süddeutsche" bis Sommer 2021 die Downloadzahlen allmählich zurückgingen, stellt sich die Frage: Ist das eine Eintagsfliege? Vielleicht. Vielleicht steckt aber auch mehr dahinter. Das besondere an der neuen US-amerikanischen App Clubhouse ist ihre Idee und der Zeitpunkt ihres Hypes: Im Gegensatz zu Social-Media-Selbstdarstellungsplattformen wie Instagram und Co. setzt die App auf virtuelles Networking in geschlossenen Räumen. Diese Rooms können von Mitgliedern jederzeit eröffnet und von mehreren Nutzern betreten werden. Welche Nutzer die Rooms dann wirklich betreten dürfen, legt das Mitglied fest, welches den Room eröffnet hat. Dieser Host entscheidet, ob die Rooms auf "privat" gestellt werden, für alle offen sind oder nur für jene User offen sind, die dem Host folgen. Außerdem hat der Host die Möglichkeit, User einzubinden, die digital die "Hand heben".

App
© Screenshot Alpha Exploration Co.

Damit das versprochene Networking auch funktioniert, sollten User mit gleichen oder ähnlichen Interessen zusammenfinden. Das löst die App über ihre Suchfunktion: Über diese können Personen oder "Clubs" gefunden werden, also spezielle Communitys, die sich zu bestimmten Themen zusammengeschlossen haben. So gibt es laut "Spiegel" beispielsweise einen Club zum Thema Gründerinnen oder auch einen Club für NBA-Fans. Diese Clubs sind in Kategorien untergeordnet, von denen Nutzer bei ihrer Registrierung bis zu fünf anwählen können. Jene Kategorien und die eigenen Follower bestimmen, welche Rooms im Feed von Clubhouse angezeigt werden. Auf das Handwerk heruntergeborchen heißt das: Denkbar wären bei der "Interests"-Auswahl "Handwerk" Clubs wie "Mitarbeitergewinnung", "Gründer im Handwerk" oder auch "Marketing für Handwerker". Gerade in Zeiten limitierter Möglichkeiten von Treffen im "Real Life" also auf den ersten Blick eine gute Alternative für das Networking. Hält dieser Eindruck einer Überprüfung stand? Hier übersichtlich die Vor- und Nachteile der Clubhouse-Nutzung:

Vorteile: Digitales Networking mit wenig Inszenierung

  • Audio-Basis: Im Gegensatz zu anderen Social-Media-Apps ist Clubhouse nicht text- oder bildbasiert, sondern setzt auf Gespräche.

  • Wenig Inszenierung: Durch das Nichtvorhandensein von Bildern ist der "perfekte Instalook" wertlos. Laut gruender.de ist Clubhouse die "App für Leute, die beim Zoom- oder Teams-Call ihre Kamera überklebt haben".

  • Aktualität: Diskussionsrunden werden spontan begonnen und können nach Beendigung sofort wieder verschwinden – "tote" Gruppen wie beispielsweise bei Facebook gibt es also nicht.

  • Networking in Zeiten sozialer Isolation: Auch wenn es nicht möglich ist, sich im echten Leben zu treffen (wie beispielsweise während der Corona-Pandemie), ist Austausch "unter seinesgleichen" gegeben.

  • Interesse im Mittelpunkt: Kein "Cat-Content", ausschließlich Clubs, die den eigenen "Interests" entsprechen.

  • Einfache Nutzeroberfläche: Die Selektion der "Interests" erfolgt über Bildsprache und Emojis. Clubs sind übersichtlich mit Bild und kurzem Beschreibungstext dargestellt. Besteht an einer Diskussionsrunde Interesse, genügt ein einfacher Klick auf "Follow".

  • Transparenz bei Nutzerprofilen: Im Profil der User können Mitglieder sehen, wer sie ursprünglich eingeladen hat. Bei Anfragen für einen Club können beispielsweise Unternehmer so jederzeit prüfen, ob sie mit der Person wirklich Networking betreiben möchten oder nicht.

Nachteile: Mangelnder Datenschutz und "Schneeballsystem"

  • Einladungscodes: Clubhouse befindet sich noch im "Private Beta"-Status. Zugang zur App ist daher nur über Einladungscodes möglich, die bestehende Nutzer erstellen können. Ist die App freigeschaltet, kann man dann eine begrenzte Anzahl weitere Personen einladen. Für die Einladung zu diesem "Schneeballsystem" brauchen User die Mobilfunknummern der einzuladenden Personen.

  • Nutzer: Bislang sind laut "Spiegel" die meisten User entweder aus dem Bereich Politik oder aus den Branchen Marketing und Medien. Handwerker sind noch die Ausnahme.

  • Keine Resonanz: Wer Klatschen, Buhen, Lachen oder einfach nur ein zustimmendes Nicken des Publikums braucht, ist hier Fehl am Platz. Zu hören ist immer nur derjenige, der gerade spricht.

  • Keine Aufzeichnung: Wer nicht live bei einer Gesprächsrunde dabei ist, verpasst alles.

  • Passivität: Interaktive Unterhaltung und Gespräche in Gruppen klingen verlockend – hat eine Gruppe aber mal hunderte oder sogar mehr als tausend Mitglieder, ist es recht unwahrscheinlich, zu Wort zu kommen bzw. das Wort erteilt zu bekommen. Die "Süddeutsche" bezeichnet Clubhouse daher als eine "nicht enden wollende Podiumsdiskussion".

  • Mangelnder Datenschutz: Die App verstößt vermutlich gegen die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Gründe hierfür sind vor allem der benötigte Zugriff aufs Adressbuch des Smartphones, die Aufzeichnung der Gespräche, um nach Aussagen der Entwickler "Verstöße gegen die Terms of Service nachverfolgen zu können" und die nicht vorhandene Möglichkeit, eigene Daten löschen zu lassen. Wer seinen Account loswerden will, muss laut "Spiegel" sogar eine Mail an die Entwickler schreiben.

  • Datentransfer nach China: Wie "onlinemarketing.de" schreibt, fand die Hacker-Gruppe "Zerforschung" und das "Internet Observatory" der Stanford University heraus, dass Clubhouse für seine gesamte Back-End-Infrastruktur und seinen Service Audio-Features des chinesischen Start-ups Agora.io verwendet. Das Problem: Das Unternehmen mit Sitz in Shanghai ist dazu verpflichtet, der chinesischen Regierung Informationen über die User zu liefern, sollte diese die Daten anfordern. Und besonders schwer dürften diese Daten nicht zu beschaffen sein – User-IDs und die im Chatroom verwendeten IDs werden laut der Stanford-Wissenschaftler im Klartext übertragen werden. Eine genaue Zuordnung der Gesprächsmittschnitte ist also unkompliziert möglich.

Welche Entwickler stecken hinter der App – und was kostet sie?

Entwickelt wurde die App vom US-amerikanischen Unternehmen Alpha Exploration in Salt Lake City und finanziert sich bislang durch Investoren. Der Wert der Firma wird auf mehr als 100 Millionen Dollar geschätzt. Die Nutzung ist aktuell kostenlos. In den Nutzungsbedingungen ist allerdings laut "Spiegel" bereits eine mögliche Gebühr vermerkt. Wen das oder die Datenschutz-Bedenken nicht abschreckt, kann sich Clubhouse für Apple-Geräte hier und für Android-Geräte hier herunterladen. Wie die "Süddeutsche" berichtet, ist dafür seit 21. Juni 2021 auch kein Einladungscode mehr nötig. Der Zugang zur App war bis dahin nur über persönliche Einladungen möglich, die bestehende Nutzer erstellen können. War die App freigeschaltet, konnte man dann eine begrenzte Anzahl weitere Personen einladen.

Das knifflige Thema Datenschutz scheint führende Politiker und Influencer übrigens in diesem Fall schon einmal wenig zu interessieren: Laut "Mannheimer Morgen" nahm Dorothee Bär ( CSU), Digitalministerin im Bundeskanzleramt, an einer Gruppendiskussion zum Thema "Diversity Jahr 2021" mit mehr als 1.000 Menschen teil. Weitere "Heavy User" der Plattform sind laut "Spiegel"-Informationen der FDP-Parteivorsitzende Christian Lindner und Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ist leidgeprüfter Fan von Clubhouse: Wie die "Zeit" berichtet, erzählte er in der Plattform-Talkrunde "Trash und Feuilleton" freimütig, dass er sich in den Coronavirus-Konferenzen mit der Bundekanzlerin und den Ministerpräsidenten auch mal dem Handyspiel "Candy Crush" widme – und hatte daraufhin viel Kritik einstecken müssen. Ob Handwerker und Handwerksunternehmer ebenfalls Fans von Clubhouse werden? Die Funktionalität der App ist trotz erheblicher Nachteile ein vielversprechender Anfang, Nachbesserungen sind aber dringend nötig. Mehr wird die Zukunft zeigen.